Der European Health Data Space – Teil 1: Zukunftsspiele im Datenraum

Am 3. Mai 2022 wurde im Rahmen der EU-Digitalstrategie der Kommissionsentwurf für einen Europäischen Raum für Gesundheitsdaten (European Health Data Space, kurz EHDS) veröffentlicht, der sich seither in Begutachtung befindet. Im EHDS sollen die Daten der nationalen Gesundheitssysteme verknüpft und in anderen EU-Ländern verfügbar gemacht werden. Zudem soll mit der Verordnung ein einheitlicher Rechtsrahmen für die Entwicklung und Verwendung von Systemen für elektronische Patientenakten („electronic health records“) festgelegt werden. Derzeit befindet sich der EHDS mit seinen diversen Services noch in Verhandlung. „Im besten Fall wird er bis Juni dieses Jahres beschlossen, danach beginnen Übergangsfristen für die Implementierung“, erklärt Helene Prenner, Projekt- und Innovationsmanagerin bei der ELGA GmbH.

Eine wichtige Grundlage des EHDS ist natürlich die Datenschutzgrundverordnung. „Es werden daher zum Beispiel aktuell die Cybersecuritymaßnahmen verstärkt. Gleichzeitig muss man in Bezug auf den Datenschutz hervorheben, dass gerade durch eine Verordnung, wie sie der EHDS vorsieht, ein weiterer Anker für die Wahrung des Datenschutzes gelegt wird und Bürgerrechte besser ausgeübt werden können. Aktuell haben viele Patient:innen wenig bis gar keinen Zugang zu ihren eigenen Gesundheitsdaten, erst wenn sie diesen haben, können sie auch transparent darüber bestimmen“, betont Prenner.

Ziele des EHDS

Der EHDS zielt auf eine Optimierung der Gesundheitsversorgung, der Forschung und der Infrastruktur der einzelnen Gesundheitssysteme ab. Um einen einheitlichen Rechtsrahmen für den Datenzugriff und -austausch zu schaffen, muss eine Sicherung der Datenqualität und Interoperabilität erfolgen, zudem gilt es, eine starke Infrastruktur zu schaffen. Geregelt werden sowohl die Primär- als auch die Sekundärnutzung von Gesundheitsdaten: Unter Primärnutzung fällt die Verarbeitung personenbezogener Gesundheitsdaten für die Leistungen von Gesundheitsdiensten. Hier gilt es, den Bürger:innen selbst Datenzugriff zu verschaffen sowie den Datenaustausch zwischen Angehörigen der Gesundheitsberufe zu ermöglichen. Unter Sekundärnutzung wird die Weiterverarbeitung von Gesundheitsdaten zusammengefasst, die von Gesundheitsdienstleistern wie beispielsweise Spitälern erhoben und gespeichert werden. Für die Sekundärnutzung von Gesundheitsdaten müssen die einzelnen EU-Mitgliedstaaten eine nationale Stelle einrichten.


„Der EHDS ermöglicht effizientere Behandlungs- und Präventionsmöglichkeiten, macht die Gesundheitssysteme zukunftsfit und eröffnet den Bürger:innen endlich Zugang zu ihren eigenen Gesundheitsdaten.“

Helene Prenner, Projekt- und Innovationsmanagement, ELGA GmbH


Individuelle und systemische Verbesserungen

Prenner erläutert die drei Zielkategorien des derzeitigen Entwurf zum EHDS:

1. Stärkung der Handlungskompetenzen jedes/jeder Einzelnen: Jede:r hat Zugang zu den eigenen Gesundheitsdaten – eine wichtige Basis, um so die Verantwortung für die eigene Gesundheit zu übernehmen. „Mit dem EHDS und der Regelung bezüglich Primärnutzung der Gesundheitsdaten sollen die Bürger:innen endlich umfänglichen Zugang zu ihren Gesundheitsdaten erhalten – und das auch noch ungeachtet davon, wo sich die betroffene Person gerade befindet, also nicht nur im jeweiligen Heimatland, sondern auch im EU-Ausland. Zudem ist die Verfügbarkeit von Gesundheitsdaten auch für die Behandler:innen nötig, um fundierte Entscheidungen treffen zu können, da Vordiagnosen, bestehende Medikation etc. einsehbar sind. Dadurch entstehen bessere Diagnosen, effizientere Behandlungsmöglichkeiten, erhöhte Patientensicherheit und eine Kontinuität in der Versorgung“, erklärt Prenner. Dies wird noch über die grenzüberschreitende digitale Nutzungsmöglichkeit der Gesundheitsdaten unterstützt.

2. Stärkung der Gesundheitssysteme, der Versorgungsplanung und der Innovationskraft: Dies soll über die Nutzung individueller, aber nicht identifizierbarer Gesundheitsdaten für Forschung, Innovation, politische Entscheidungen und Regulierungstätigkeiten erreicht werden. „Über die Sekundärnutzung sollen Gesundheitsdaten auch für die Versorgungsplanung und Innovationsforschung zur Verfügung gestellt werden. Hier handelt es sich nicht um personenbezogene Daten wie bei der Primärnutzung, sondern um statistisch aufbereitete Daten“, so Prenner weiter. Im Fokus steht dabei u.a. eine Erleichterung des Zugangs zu Gesundheitsdaten für Forschende und Innovator:innen. Prenner nennt ein Beispiel für den Benefit dieser Sekundärnutzungsdaten: „Damit könnte man z.B. bei Diabetes-Management besser steuern und durch die Datenauswertung Ansatzpunkte für neue Behandlungs- und Präventionsmaßnahmen finden etc.“

3. Mobilisierung des Potenzials der Datenwirtschaft: Zudem sollen die Daten auch für ökonomische Berechnungen in Bezug auf mögliche Einsparungen genutzt werden. Hiervon verspricht sich die EU ein Wachstumspotenzial der Gesundheitsdatenwirtschaft:

  • Einsparungen von 5,5 Mrd. Euro für die EU über einen Zeitraum von 10 Jahren durch einen besseren Zugang zu und den Austausch von Gesundheitsdaten im Gesundheitswesen
  • Einsparungen von 5,4 Mrd. Euro für die EU innerhalb von 10 Jahren durch die bessere Nutzung von Gesundheitsdaten für Forschung, Innovation und Politikgestaltung
  • zusätzlicher Wachstum von 20–30% des digitalen Gesundheitsmarktes1

In der nächsten Ausgabe von DigitalDoctor lesen Sie, wie der EHDS die Primärnutzung der Gesundheitsdaten regeln soll und was das für die Ärzteschaft bedeutet.