Eine wichtige Maßnahme, um die Ziele des European Health Data Space (EHDS) in die Tat umzusetzen, ist myHealth@EU. Diese digitale E-Health-Service-Infrastruktur regelt die Primärnutzung der Gesundheitsdaten in EU-Ländern und beinhaltet fünf Kategorien:
Diese Dienste sollen es den Bürger:innen in der EU ermöglichen, in ihrem Reiseland Gesundheitsdienstleistungen auf dieselbe Weise in Anspruch zu nehmen wie in ihrem Wohnsitzland, indem eine Verbindung zwischen den nationalen elektronischen Gesundheitsdiensten (E-Health) für den schnellen, sicheren und effizienten Austausch von Patientengesundheitsdaten hergestellt wird.
Die personenbezogenen Daten werden dabei gemäß den geltenden EU-Rechtsvorschriften und den aktuellen Praktiken im Wohnsitz- wie auch im Reiseland bearbeitet und geschützt. So soll die optimale Gesundheitsversorgung auch außerhalb des Heimatlandes sichergestellt werden.
Diese neuen elektronischen grenzüberschreitenden Gesundheitsdienste werden, sollte der EHDS umgesetzt werden, schrittweise in 25 EU-Ländern eingeführt.
„Der Vorteil liegt auf der Hand: Wer es möchte, nimmt seine Gesundheitsdaten sozusagen elektronisch mit und kann beispielsweise seine Medikamente im EU-Ausland in der Apotheke genauso wie zuhause abholen“, betont Helene Prenner, Projekt- und Innovationsmanagerin bei der ELGA GmbH.
Die Bürger:innen können selbst entscheiden, ob sie an myHealth@EU teilnehmen möchten oder nicht.
Prenner erklärt, dass Österreich bei der Umsetzung von myHealth@EU bereits sehr weit sei: „Eine E-Health-Infrastruktur ist hierzulande bereits vorhanden, auch das e-Rezept funktioniert in Österreich bereits sehr gut. Nun gilt es, dieses für den EU-Raum aufzubereiten und das EU-Rezept umzusetzen. Mit der Umsetzung dieses Service haben wir bereits begonnen und sind in den ersten internationalen Tests.“
Österreich steht – wie die anderen EU-Länder auch – vor der Herausforderung, die entsprechenden Services aufzubauen, z.B. die diversen Register für Labordaten, Allergien, Diagnose, Bildgebung, Immunisierung, Medikation etc. oder die nationale Infrastruktur für die Nutzung der Sekundärdaten.
„Derzeit gilt es, diese Umsetzungen bestmöglich vorzubereiten, denn wenn der EHDS im Juni 2024 beschlossen wird, müssen wir alles in kurzer Zeit umsetzen können“, so Prenner.
Die rechtzeitige Finanzierung dieser Services sei eine Herausforderung, zudem gelte es, niederschwellige, benutzerfreundliche Zugangssysteme aufzubauen, über welche die Daten möglichst intuitiv einsehbar sind, denn: „Das ist ja das große Ziel des EHDS: alle Daten auf einen Blick verfügbar zu machen“, unterstreicht Prenner nochmals.
Auch den Aufbau der Datenaustauschmechanismen bewertet sie für Österreich als herausfordernd, da bisher alle ELGA-Daten gesetzlich nicht als Sekundärdaten zur Verfügung gestellt werden durften.
„Unsere Systeme sind daher noch nicht darauf ausgerichtet. Hier werden einige Anpassungen auf uns zukommen. Zudem müssen die Daten in allen Ländern gleich standardisiert werden, damit der Datenaustausch zwischen den Ländern funktioniert. Diese Interoperabilität herzustellen gilt vermutlich als eine der größten Herausforderungen“, betont Prenner.
Die Vorteile des EHDS fasst Prenner wie folgt zusammen: „In 10 Jahren werden uns so viele Gesundheitsdienstleister:innen in ganz Europa fehlen, dass wir kaum die derzeitige Versorgungsqualität aufrechterhalten können, von einer europaweiten Verbesserung der Versorgung gar nicht zu reden. Datenmanagement von Primär- und Sekundärdaten kann hier ein Potenzial zur Steigerung der Versorgungsqualität – hinsichtlich Behandlungs- und Präventionsmaßnahmen – eröffnen.“
Zudem ist die Expertin überzeugt, dass durch eine EHDS die strukturierte Nutzung von Sekundärdaten in Österreich und in den weiteren Mitgliedstaaten stark vorangetrieben wird. Diese Regulierung ist in ihren Augen ein Meilenstein im Gesundheitswesen, damit die bereits vorhandenen Gesundheitsdaten z. B. für Forschende endlich Nutzen stiften können.
„Last, but not least geht es ja auch darum, dass Österreich und auch die EU als Standort attraktiv bleiben. Auch dazu trägt der EHDS bei – bereits jetzt, vor seiner Einführung, ist er ein Innovationstreiber. Das stärkt die EU und auch Österreich als Standort, denn mit den vorhandenen Daten und unserer tollen Forschungslandschaft stehen wir im internationalen Vergleich sehr gut dar.“
Auch für die Ärzt:innen sieht Prenner Vorteile durch den EHDS: „Zum einen erhalten die Ärzt:innen über die Primärdatennutzung in Zukunft vereinfacht und umfassender alle relevanten Daten ihrer Patient:innen, zum anderen eröffnen sich durch die Sekundärdatennutzung viele Innovationsmöglichkeiten für forschende Ärzt:innen.“
Die Besorgnis mancher Ärzt:innen, was mit dem EHDS auf sie zukommt, kann sie nachvollziehen und ist bemüht, unter Einbindung aller gemeinsam gute Lösungen zu finden. Es werde durch die Einführung der neuen Services zu Veränderungen bei der Eingabe von Daten und dem Management von Patientenkollektiven kommen, doch „hier werden viele partizipative Möglichkeiten für Ärzt:innen geschaffen werden, so dass diese aktiv mitgestalten können“, betont Prenner.