Gesundheitshotline 1450 im Fokus der Ärztekammer

Eröffnet wurde der Abend mit einem Impulsvortrag von David Reif, MBA, dem Leiter von 1450 Wien. Wien war eines der ersten Bundesländer, die mit der rund um die Uhr verfügbaren Gesundheitshotline als Pilotprojekt schon 2017 gestartet hat und kann in der jetzigen Ausbaustufe sicherlich als Vorzeigeprojekt gesehen werden. Die föderale Organisationsstruktur führt hier nämlich zu starken Unterschieden in den jeweiligen Implementierungen der einzelnen Bundesländer, wobei immerhin die grundlegende Software, das Expertensystem, mit welchem die Triage durchgeführt wird, gleich ist. Die Betreiber der Hotline sind jedoch je nach Bundesland unterschiedlich, in Wien ist dies beispielsweise der Fonds Soziales Wien.

Belastungsprobe COVID-19
„Über 6 Millionen Patientenkontakte hatte 1450 seit Beginn des Projektes alleine in Wien“ gab Reif zu bedenken. Dabei waren am Beginn nur 12 Mitarbeiter für das Pilotprojekt angestellt. Mit COVID-19 und der darauffolgenden Integrierung des Impfservices der Stadt Wien explodierte auch die Mitarbeiterzahl und erreichte 2021 einen Höchststand von 836 Mitarbeiter:innen. Darunter befinden sich auch viele DGKPs. „Die telefonische Beratung ist in zwei Level aufgeteilt. Im first level werden von Callcenter-Mitarbeiter:innen allgemeine Informationen erhoben und organisatorische Services wie das Impfservice oder die Geburtsinfo Wien angeboten. […] Bei Symptomen oder Beschwerden wird der Anruf an das zweite Level weitergeleitet. Dort bearbeiten DGKPs mit mehrjähriger Berufserfahrung und einer speziellen Ausbildung in Notfallskommunikation dann den Fall weiter“, erklärte Reif. Diese fragen gezielt nach Symptomen und Beschwerden und erfüllen dabei einen fix vorgegebenen Triagealgorithmus, der je nach Leitbeschwerde ausgewählt werden kann. Am Ende kann den Anrufer:innen eine validierte Empfehlung zu den weiteren Schritten und Anlaufstellen gegeben werden.

Mag. David Reif, Leiter von 1450 Wien, gab eine beeindruckende Leistungsübersicht über die bereits implementierten Funktionen von 1450 Wien | © ÖÄK/Stefan Hackel

Patientenlenkung funktioniert
Sollte sich während des Gesprächs herausstellen, dass es sich um einen Notfall handelt, wird der Anruf mit den schon erhobenen Stammdaten direkt an die Rettung weitergeleitet. Umgekehrt kann auch die Rettung Anrufe an 1450 weiterleiten, wobei in diesem Fall ungefähr 85 % der Fälle an andere Stellen vermittelt werden konnten. Allgemein befolgen ca. 65 % die Handlungsempfehlungen, die über 1450 ausgegeben werden. Dies kann über die Anbindung von 1450 an die GINA-Box mit der jeweiligen Sozialversicherungsnummer rückverfolgt werden, wobei die Angabe der SV Nr. vollkommen freiwillig ist und somit auch anonyme Beratungen möglich sind.

Weitergehende Projekte und Kooperationen
Im Laufe des Vortrags wurde schnell klar, dass die herausragende Stellung der Wiener Gesundheitshotline auf einer guten Vernetzung mit anderen Institutionen und breiten Kooperationen beruht, die auch Spezialprojekte ermöglichen. Reif räumte zwar auch ein, dass das Zustandekommen dieser Zusammenarbeiten auf Hartnäckigkeit beruht und einen gewissen Anfangsaufwand erfordert, sich dieser aber bis jetzt immer gelohnt hat. Daher kann 1450 Wien Stand heute nicht nur die Organisation von Impfterminen über den Wiener Impfservice anbieten, sondern ist auch an die Geburtsinfo Wien angebunden, kann den Transportservice durch die verschiedenen in Wien tätigen Organisationen buchen, Auskunft über Lagerstände bei Apotheken geben und ist an oncare.wien, der Organisationsstruktur für onkologische Patient:innen in Wien angeschlossen. Daneben können bei den Primärversorgungseinrichtungen direkt Termine eingebucht werden, um eine bessere Verbindlichkeit zu gewährleisten.

Telemedizinische Anbindung bereits gegeben
Ein neues Pilotprojekt ist die direkte Vermittlung telemedizinischer Videokonsultationen, die derzeit bei einer eng begrenzten Symptomkonstellation getestet wird. Reif berichtete, dass die ersten Ergebnisse vielversprechend sind und mittels e-Rezept so geeignete Patient:innen selbst die Behandlung direkt erhalten können. Auch neu ist ein SMS-Service mit Gesundheitstipps für bestimmte Symptomgruppen und die verstärkte Zusammenarbeit mit dem psychosozialen Dienst Wien.

Unter Moderation von Manuela Raidl diskutierte das Podium mit dem Publikum über den weiteren Ausbau von 1450 | © ÖÄK/Stefan Hackel

Rege Diskussion zur ELGA-Anbindung
Im Rahmen der Podiumsdiskussion mit Dr. Harald Mayer, Vizepräsident der ÖÄK und Bundeskurienobmann der angestellten Ärzte, Dr.in Katharina Reich, Generaldirektorin für die Öffentliche Gesundheit und Dr.in Edith Bulant-Wodak, kaufmännische Leiterin der ELGA GmbH, stellte Reif seinen Wunsch nach einer schnellen Anbindung an ELGA in den Raum. Dies wurde von allen Diskutant:innen begrüßt und scheint technisch leicht umsetzbar. Nur die genaue Identifikation der anrufenden Personen sei noch zu klären, um fehlerhafte Einträge auszuschließen, erklärte Bulant-Wodak. Gerade für die behandelnden Ärzt:innen und Ambulanzen wären die schon bei 1450 erhobenen Daten und Terminvermittlungen wichtig. Dazu merkte Reich an, dass mit 2025 die verpflichtende Diagnosecodierung in der Niederlassung ebenfalls Abhilfe schaffen sollte.

Ist Wien vorgeprescht oder hinken die anderen Bundesländer hinterher?
Die zahlreichen Diskussionsbeiträge aus dem Fachpublikum ließen schnell erkennen, dass der Föderalismus in Österreich zu stark unterschiedlichen Ausbaustufen bei 1450 geführt hat. Neben Gratulationen an Reif zu dem erfolgreichen Aufbau von 1450 Wien waren auch mahnende Worte an die verschiedenen Stakeholder zu vernehmen, in ganz Österreich nachzuziehen. 1450 Wien kann gut belegen, dass das Gesundheitssystem durch eine gezielte Patientensteuerung entlastet wird. Damit die Hotline effektiv operieren kann, müssen aber Anbindungen an Ambulanzen und primäre Gesundheitsversorger hergestellt werden.
Mayer betonte auch, dass die Arbeit für das Gesundheitspersonal um einiges erfüllender ist, wenn die richtigen Patient:innen am richtigen Behandlungsort auftauchen. Um diesen Effekt noch zu vergrößern müsse 1450 als primäre Anlaufstelle bekannter werden. Gleichzeitig muss die Primärversorgung gestärkt und gestützt werden, damit die richtig gelenkten Patient:innen nicht frustriert irgendwo im System stecken bleiben.
Reich betonte, ihre Vision sei eine gut funktionierende Gesundheitshotline, die für die Patient:innen die logische und intuitive Art ist, in das Gesundheitssystem einzusteigen.

Dr. Harald Mayer, Vizepräsident der ÖÄK und Bundeskurienobmann der angestellten Ärzte, betonte die Notwendigkeit der Patientensteuerung, um auch die Zufriedenheit des Gesundheitspersonals zu steigern | © ÖÄK/Stefan Hackel