Zwischen 50 % und 70 % der Bevölkerung leiden in Österreich an Arthrose, 1 % bis 2 % an rheumatoider Arthritis. Die Entstehung und Behandlung dieser Krankheitsbilder sind Gegenstand laufender Forschung. Am Ludwig Boltzmann Institut für Arthritis und Rehabilitation (LBI-AR) wird an einer verbesserten Therapie und Prävention von rheumatischen Erkrankungen gearbeitet.
KI-gestützte Auswertung von Zellkulturaufnahmen: Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dr. Michael Bonelli ist als einer der leitenden LBI-AR-Forscher:innen am Institutsstandort an der Abteilung für Rheumatologie der Medizinischen Universität Wien tätig. Mit seinem Team beforscht er das Zusammenspiel der T-Zellen des Immunsystems mit Fibroblasten in Gelenkmembranen. Forschungsergebnisse der letzten Jahre deuten nämlich darauf hin, dass diese Immunreaktion in den Gelenken zur Entstehung von rheumatoider Arthritis beitragen könnte. Um die Reaktionen der Zellen auf Medikamente zu untersuchen, müssen zahlreiche Versuche präzise ausgewertet werden. Hier kommt die künstliche Intelligenz (KI) ins Spiel. Die Wissenschafter:innen etablierten zuerst ein Zellkulturmodell des menschlichen Gelenkes, indem sie Zellen von Patient:innen mit rheumatoider Arthritis in der Petrischale züchteten. Darin können verschiedene Experimente durchgeführt und dabei eine Vielzahl von Mikroskopaufnahmen gemacht werden. Mit dem CeMM-Institut als Partnerorganisation entwickelten die Forscher:innen einen Algorithmus zur automatisierten Bildanalyse mit besonders hohem Durchsatz. Das KI-System wurde darauf trainiert, die verschiedenen Zelltypen in Gelenken und deren Interaktionen zu erkennen. Durch diese automatisierte Verarbeitung enormer Bildmengen sind bessere statistische Auswertungen über die Vorgänge in der Zellkultur möglich. In einer kürzlich publizierten Studie konnte das Team um Prof. Bonelli bereits zeigen, dass Fibroblasten vermehrt mit T-Zellen kommunizieren. Nun soll das Modell über die T-Zellen hinaus erweitert und auch verschiedene medikamentöse Strategien getestet werden.
Abb.: Mikroskopiebild einer Zellkultur, in der die den Patient:innen entnommenen Fibroblasten (grün) mit mononukleären Zellen des peripheren Blutes (blau) interagieren.
Früherkennung und Prävention von Arthrose: Ein weiterer Schwerpunkt des LBI-AR ist die Früherkennung von Arthrose. Dazu betreibt das Institut das Arthroseregister, in dem österreichweit zahlreiche Daten gesammelt werden. Es erfasst bereits die Krankheitsverläufe von über 1.500 Arthrosepatient:innen. Das Register enthält auch Informationen über Gewebeproben, die den Patient:innen entnommen wurden. Ziel ist es, die gesundheitlichen und sozialen Faktoren, die Arthrose fördern, zu identifizieren und effektive Präventionsmaßnahmen zu finden. „Aufgrund der weiten Verbreitung spielt Arthrose eine wichtige Rolle in der Gesellschaft. Die dadurch entstehenden persönlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen durch eingeschränkte Mobilität und Krankenstände sind enorm“, erklärt Priv.-Doz.in Mag.a Dr.in rer.nat. Bibiane Steinecker, stellvertretende Leiterin des LBI-AR und selbst Forscherin an der Universitätsklinik für Orthopädie der Medizinischen Universität Graz. Neben Studien zur Physiologie von Knorpelzellen bei Arthrose liegen ihre klinischen Forschungsinteressen im Bereich der Rehabilitation. Univ.-Prof.in Dr.in Tanja Stamm, PhD, Leiterin des LBI-AR und des Institutes für Outcomes Research an der Medizinischen Universität Wien, fasst zusammen: „Die evidenzbasierte Medizin und die Auswertung medizinischer Daten werden immer wichtiger. Wir möchten vernetzte Datensätze zwischen den verschiedenen Forschungseinrichtungen in Österreich und auch international kreieren, um ein möglichst umfassendes Bild dieser Krankheiten zu bekommen. Ohne unsere vielen Partnerorganisationen könnten wir diese Forschung nicht betreiben.“