Künstliche Intelligenz in der biomedizinischen Forschung

Künstliche Intelligenz (KI) entwickelt sich rasant und verändert sowohl die biomedizinische Forschung als auch die klinische Praxis. Sie bietet neue Möglichkeiten, Krankheiten effizienter zu diagnostizieren und gezielt zu behandeln. Dieser Beitrag beleuchtet die wichtigsten Anwendungen und Herausforderungen der KI im biomedizinischen Bereich.

Anwendungen von KI in der Medizin

In Europa, aber besonders in den USA werden KI-Technologien bereits routinemäßig im klinischen Alltag eingesetzt.1 Die medizinische Bildgebung stellt dabei eine der Vorreiterdisziplinen dar. Durch maschinelles Lernen ermöglicht KI die schnelle und präzise Analyse von medizinischen Bilddaten wie Röntgen-, Positronenemissionstomografie(PET)- und Computertomografie(CT)-Aufnahmen. So lassen sich beispielsweise Erkrankungen des Herzens, der Leber sowie Tumorerkrankungen und andere Pathologien besser bewerten. Dabei kann die KI beispielsweise die Erkennung standardisieren und frühzeitige und genauere Diagnosen ermöglichen, was schlussendlich zu besseren Behandlungsergebnissen führt.
In den vergangenen Jahren wurde die KI in der biomedizinischen Bildgebung in erster Linie für die vollautomatisierte Bewertung von Erkrankungen genutzt. Neuere Studien konzentrieren sich jedoch zunehmend auf die Nutzung von KI als unterstützendes Werkzeug, mit dem beispielsweise Pathologien von Tumoren oder Koronarstenosen in Bilddaten vermessen werden können und die dadurch gewonnene Information durch den/die jeweilige:n Ärzt:in zusammen mit anderen Parametern integriert werden kann.
Obwohl eine zunehmende Tendenz in der klinischen Anwendung KI-basierter Technologien wahrgenommen werden kann, beschränkt sich diese derzeit auf ein kleines Spektrum von Erkrankungen. Dennoch ist ein weiterer Anstieg in der Verwendung von KI in der Klinik aufgrund der radikalen Zunahmen an randomisierten klinischen Studien zur Evaluierung von AI-Anwendungen absehbar.2 In diesen Studien ist weiterhin eine starke Beteiligung von bildgebenden Technologien in der Welt der medizinischen KI zu erkennen. Dennoch können bereits hier Trends gesehen werden, die nahelegen, dass die klassische medizinische Bildgebung kein Einzelphänomen darstellt, wenn es um die erfolgreiche Anwendung von KI in der Medizin geht. Beispielsweise waren etwa 40 % aller randomisierten kontrollierten klinischen KI-Studien der Gastroenterologie zuzuordnen. In diesen Studien werden häufig KI-Anwendungen für Videodaten aus Endoskopien eingesetzt, etwa um Adenoma effizient erkennen zu können. Auch in der Dermatologie spielt KI zunehmend eine Rolle in der Verbesserung der diagnostischen Genauigkeit und Effizienz. Insbesondere KI-Systeme auf Basis von Deep Learning sind in der Lage, Hautbilder zu analysieren und verschiedene Hauterkrankungen, wie z.B. Melanome, mit einer Genauigkeit zu erkennen und zu klassifizieren, die mit der von Dermatolog:innen vergleichbar ist.3 KI kann damit zur Früherkennung von Hautkrebs beitragen, routinemäßige Diagnoseaufgaben automatisieren und klinische Entscheidungsunterstützung bieten. Diese Werkzeuge ermöglichen auch Teledermatologie, wodurch Patient:innen Ferndiagnosen erhalten können.

Anwendung von KI in der grundlagenorientierten Medizin

Neben der klinischen Medizin profitiert auch die grundlagenorientierte biomedizinische Forschung von der KI-Revolution. In der Bioinformatik ermöglicht KI die Analyse großer genomischer Datensätze, wodurch Muster und Zusammenhänge identifiziert werden können, die zuvor schwer zu erkennen waren. Dies beschleunigt Fortschritte in der personalisierten Medizin und der Krankheitsvorhersage. In der Strukturbiologie ermöglichen KI-basierte Modelle wie AlphaFold4 die präzise Vorhersage von Proteinstrukturen, was die Wirkstoffforschung und das Verständnis molekularer Mechanismen von Krankheiten erheblich vorantreibt. Diese Entwicklungen verändern grundlegend, wie Forscher:innen komplexe biologische Herausforderungen angehen. Durch KI kann außerdem der langwierige Prozess der Arzneimittelentwicklung beschleunigt und vergünstigt werden.5 Beispielsweise sagen Algorithmen die Interaktionen von Molekülen mit biologischen Zielen voraus, was vielversprechende neue Therapien schneller identifizieren lässt. Die Vorhersage des Überwindens der Blut-Hirn-Schranke, die Vorhersage von Löslichkeitsverhalten und Toxizität von potenziellen Wirkstoffen in großen Datenbanken kann nicht nur dabei helfen, Kosten zu sparen und eine größere Anzahl von Molekülen zu untersuchen, sondern kann auch den Einsatz von Tiermodellen reduzieren.

Herausforderungen

Für KI-Anwendungen werden häufig große Mengen an Patientendaten benötigt. Nachdem diese großen Datensätze sensible Informationen beinhalten können, müssen strenge Datenschutzvorschriften wie die DSGVO eingehalten werden, um die Sicherheit der Daten zu gewährleisten. Die damit verbundenen Prozesse sind wichtig, um die Sicherheit der Patient:innen zu gewährleisten, sind aber auch häufig mit enormem Aufwand für Forscher:innen verbunden. Dieser Aufwand verhindert auch, dass beispielsweise große multizentrische Datensätze aufgebaut werden, um robuste KI-Modelle zu trainieren und validieren zu können.
Eine weitere Herausforderung besteht in der Sicherstellung der Fairness von KI-Modellen, die besonders durch Über- und Unterrepräsentation bestimmter Subpopulationen in den verwendeten Datensätzen zustande kommen können und potenziell zu Ungerechtigkeiten in der Gesundheitsversorgung führen.6 Datensätze, die zur Erstellung von KI-Modellen für die Erkennung von Melanomen auf Fotografien genutzt werden, könnten beispielsweise eine Überrepräsentation von Patient:innen mit kaukasischem Hauttyp aufweisen. Dies kann dazu führen, dass die KI bei Menschen mit dunkleren Hauttypen eine schlechtere diagnostische Leistung aufweist.

Generative künstliche Intelligenz

Generative KI hat das Potenzial, einen substanziellen Beitrag in der Medizin zu liefern, indem sie neue Möglichkeiten sowohl in der biomedizinischen Forschung als auch in der klinischen Praxis eröffnet. Im Bereich der medizinischen Bildgebung ermöglichen generative Modelle wie GANs (Generative adversarial Networks) und Diffusionsmodelle die Erstellung hochqualitativer synthetischer Bilder, die das Training diagnostischer Systeme und die Verbesserung der Bildauflösung unterstützen. Diese KI-generierten Bilder sind besonders wertvoll bei seltenen Krankheiten, bei denen reale Daten knapp sind, und ermöglichen es Kliniker:innen und Forscher:innen, ein breiteres Spektrum pathologischer Szenarien zu untersuchen. Generative KI kann weiters dabei helfen, Daten über Zentren hinweg zu teilen, ohne dass aufwändige Anonymisierungsverfahren durchlaufen werden müssen und ohne die Sicherheit der Patientendaten zu beeinträchtigen.7 Darüber hinaus kann generative KI die Krankheitsentwicklung, wie z.B. das Wachstum von Tumoren, in der medizinischen Bildgebung simulieren, was Radiolog:innen bei der Vorhersage des weiteren Verlaufes und der Optimierung der Behandlungsplanung hilft. Zu Forschungszwecken werden generative KI-Tools auch im Bereich der Textgenerierung eingesetzt. Diese Modelle unterstützen die Automatisierung des Erstellens von klinischen Notizen, vereinfachen Formulare zur Patienteneinwilligung, erlauben das Zusammenfassen medizinischer Literatur, generieren diagnostische Berichte zu Bilddaten und automatisieren die Erstellung von Patientenberichten.8–10 KI-generierter Text kann beim Verfassen wissenschaftlicher Arbeiten helfen, große Mengen biomedizinischer Literatur zu analysieren und sogar neue therapeutische Ansätze durch die Integration von Daten aus verschiedenen Quellen vorzuschlagen. Generative KI bietet somit nicht nur Potenzial zur Effizienzsteigerung in klinischen Umgebungen, sondern auch zur Beschleunigung von Entdeckungen in der medizinischen Forschung.

Resümee

Künstliche Intelligenz hat das Potenzial, die biomedizinische Forschung und klinische Praxis grundlegend zu verändern. Es werden zunehmend randomisierte kontrollierte Studien zur Anwendung von AI in der Klinik durchgeführt. Auch die tatsächliche Integration in den klinischen Alltag nimmt stetig zu – und ist derzeit besonders im Gebiet der medizinischen Bildgebung vorzufinden. In der grundlagenorientierten Forschung profitieren unter anderem die Bioinformatik und Strukturbiologie durch KI-basierte Technologien. Trotz dieser Erfolge bestehen Herausforderungen, insbesondere im Hinblick auf Datenverfügbarkeit, Datenschutz, die Fairness von KI-Modellen und die damit verbundene Repräsentation verschiedener Subpopulationen.