In einer internationalen Studie, geleitet von Forscher:innen an der Medizinischen Universität Wien, wurde ein von künstlicher Intelligenz (KI) gestützter Ansatz zur Erkennung von kardialer Amyloidose auf nuklearmedizinischen Bilddaten entwickelt.1 In der retrospektiven, multizentrischen, Tracer-übergreifenden Studie, die im April 2024 im renommierten Fachjournal The Lancet Digital Health erschienen ist, wurden 16.241 Patient:innen aus neun Zentren in Österreich, Großbritannien, China und Italien eingeschlossen.
Die kardiale Amyloidose ist gekennzeichnet durch die Ablagerung von fehlgefalteten Proteinen (Amyloid) im Herzen, führt zu chronischem Herzversagen und kann tödlich sein. Traditionell durch invasive Myokardbiopsien diagnostiziert, erlauben neuere Fortschritte in der Bildgebung eine nichtinvasive Diagnose mittels Szintigrafie mit knochenaffinen Tracern.2 Die visuelle Interpretation dieser Scans ist jedoch hochgradig subjektiv und anfällig für diagnostische Ungenauigkeiten. Ziel der Studie war es, diese Herausforderungen durch die Entwicklung eines KI-Systems zu adressieren, das die Auswertung von Szintigrafie-Aufnahmen standardisiert und die diagnostische Genauigkeit erhöht, um bei Patient:innen jeglicher Scan-Indikation nach Anzeichen einer kardialen Amyloidose zu suchen.
Die in der Studie verwendeten Daten wurden von Januar 2010 bis Mai 2023 gesammelt und umfassten alle international für die Knochenszintigrafie verwendeten 99mTc-markierten Tracer sowie verschiedene Scanner-Systeme, um die Anpassungsfähigkeit und Robustheit des KI-Systems in unterschiedlichen klinischen Umgebungen zu gewährleisten. Das KI-Modell wurde mit einem Datensatz der MedUni Wien trainiert und in den anderen acht Zentren validiert. Der Validierungsprozess umfasste weiters eine Vergleichsstudie mit Nuklearmediziner:innen, um die diagnostische Leistung des KI-Systems im Vergleich zu menschlichen Expert:innen zu bewerten.
Das KI-System zeigte eine hohe diagnostische Genauigkeit mit einer Fläche unter der Kurve (AUC) von 1,000 in der österreichischen Kohorte und ähnlich hohen Ergebnissen in den britischen und italienischen Kohorten (AUCs > 0,997), was eine nahezu perfekte diagnostische Leistung bedeutet. Die Leistung in der chinesischen Kohorte war etwas niedriger (AUC von 0,925), was auf unterschiedliche klinische und bildgebende Protokolle zurückzuführen ist. Das KI-System übertraf die menschlichen Leser:innen signifikant in Bezug auf Konsistenz und diagnostische Übereinstimmung und reduzierte die Interrater-Variabilität erheblich. Darüber hinaus sagten die Ergebnisse des KI-Systems Patientenereignisse wie Gesamtsterblichkeit und Hospitalisationen für Herzinsuffizienz voraus, was die potenzielle Rolle des Systems nicht nur als Diagnosewerkzeug, sondern auch als prognostischer Indikator unterstreicht.
Die Implementierung dieses KI-Systems kann die Diagnosegenauigkeit für kardiale Amyloidose erheblich verbessern und ermöglichtdas opportunistische Screening unter Patient:innen mit Knochenszintigrafie-Untersuchungen, unabhängig von der Zuweisungsindikation. Es bietet eine standardisierte und zuverlässige Methode, subjektive Interpretationsfehler bei der Bildbewertung zu reduzieren, und kann speziell bei Patient:innen, die nicht aufgrund von kardialen Symptomen untersucht werden, zu einer früheren Krankheitserkennung führen. Das KI-System stellt ein transformatives Werkzeug dar, das eine Verschiebung hin zu präziseren und nichtinvasiven diagnostischen Praktiken unterstützt. Es erleichtert die frühzeitige Erkennung und Behandlung der kardialen Amyloidose, was angesichts des progressiven Erkrankungsverlaufes und der zunehmenden Verfügbarkeit verschiedener krankheitsmodifizierender Therapien3–5 entscheidend ist. Die von Pfizer unterstützte Studie stellt einen bedeutenden Fortschritt in der Anwendung von KI in der medizinischen Bildgebung dar und bietet einen vielversprechenden Weg zur Verbesserung der diagnostischen und prognostischen Fähigkeiten bei kardialer Amyloidose.
Bei Patient:innen mit sehr rezent stattgehabtem Myokardinfarkt kann es in seltenen Fällen in der Knochenszintigrafie ebenfalls zu einer myokardialen Tracer-Anreicherung kommen, diekeiner kardialen Amyloidose entspricht (falsch positiver Befund). Wie bei allen KI-Systemen gilt demnach die Notwendigkeit einer menschlichen Supervision.
Die in The Lancet Digital Health erschienene Studie mit dem Titel „Diagnosis and prognosis of abnormal cardiac scintigraphy uptake suggestive of cardiac amyloidosis using artificial intelligence: a retrospective, international, multicentre, cross-tracer development and validation study“ konzentriert sich auf die Entwicklung und Validierung eines KI-Systems, das darauf ausgelegt ist, die Erkennung der kardialen Amyloidose mittels Szintigrafie-Scans zu verbessern. Die Untersuchung, die in mehreren internationalen Zentren durchgeführt wurde, umfasste einen Datensatz von über 19.000 Scans von mehr als 16.000 Patient:innen. Das KI-System übertraf die traditionellen visuellen Bewertungen durch Kliniker:innen deutlich hinsichtlich diagnostischer Zuverlässigkeit und Konsistenz. Die Fähigkeiten der KI gehen über die Diagnose hinaus und zeigen einen starken prognostischen Wert. Die Ergebnisse legen nahe, dass das entwickelte KI-System effektiv in verschiedenen Gesundheitseinrichtungen implementiert werden kann, um das Screening und die zeitnahe Behandlung der kardialen Amyloidose zu verbessern.