Im Rahmen der diesjährigen SV-Lounge, die kürzlich in Wien stattgefunden hat, wurden die Chancen von optimierten „Patientenpfaden“ erörtert. Ziel der Lenkung von Patientenströmen ist ein möglichst effizienter Einsatz von Ressourcen, eine verbesserte Qualität der Versorgung und das Vermeiden von Engpässen.
„Digital vor ambulant vor stationär“, lautet daher das einhellige Credo, wenn es darum geht, Patient:innen eine zielgerichtete medizinische Versorgung zukommen zu lassen und Angehörige der Gesundheitsberufe in ihrer täglichen Arbeit zu entlasten. Dazu ist es erforderlich, die Wege der Menschen durch das Gesundheitssystem neu zu denken, damit die Betroffenen schneller an der richtigen Stelle versorgt werden können. Zusätzliche digitale Angebote im öffentlichen Gesundheitssystem, insbesondere an der Schnittstelle zwischen niedergelassenem und stationären Bereich, ermöglichen eine bessere Orientierung für Patient:innen.
„Können Patient:innen im niedergelassenen Bereich gut versorgt werden, dann ist das ein massiver Effizienzgewinn. Wir sparen Kosten und können wichtige Ressourcen anderweitig einsetzen“, sagt Dr. Alexander Biach, Direktor-Stellvertreter der Wirtschaftskammer Wien. Niemand geht wohl freiwillig in ein Spital, doch hierzulande sucht man den Weg ins Krankenhaus, weil ein akuter Zustand vorliegt oder das Vertrauen groß ist, dort die besseren diagnostischen Möglichkeiten vorzufinden. Doch nicht immer ist das Spital der richtige Point of Service. Den passenden auszuwählen, dabei unterstützt beispielsweise die telefonische Gesundheitsberatung „1450“. Sie wurde durch Corona österreichweit bekannt – viel wichtiger ist jedoch, dass sie auch jetzt rund um die Uhr, an sieben Tagen pro Woche kompetente von Mitarbeitenden betreut wird, die Anrufer:innen den für sie passenden Weg durch das Gesundheitssystem weisen. „Ein positiver Anreiz, sich an diese Empfehlungen zu halten, wäre etwa der Erlass der Rezeptgebühr am Best Point of Service“, ist Biach überzeugt.
Im Rahmen einer Podiumsdiskussion erörterten Senatsrat Mag. Richard Gauss (MA 24, Strategische Gesundheitsversorgung), Dr. Stefan Konrad (Vizepräsident der Ärztekammer Wien), Dr. Alexander Biach (WKO) und Univ.-Prof. Dr. Herwig Ostermann (Gesundheit Österreich GmbH) mögliche Wege, um die Patientenströme in die gewünschten Bahnen zu lenken. „Die Systemsteuerung allein ist zu wenig, wenn das Verhalten der Versicherten nicht miteinbezogen wird“, hält Ostermann fest. Dass die Nutzung von 1450 nicht nur als Gesundheitsnummer zur Patientenlenkung sinnvoll wäre, sondern auch zur Verbesserung der Gesundheitskompetenz beitragen kann, betonen Konrad und Biach einhellig. „Mit mehr Kassenplanstellen werden wir eine Patientenlenkung jedenfalls nicht schaffen“, ist Gauss überzeugt und glaubt auch nicht, dass das für Mitte 2024 versprochene Konzept aus dem Gesundheitsministerium dazu vorliegen wird. „Wien hätte einen offensiveren Ansatz verfolgt: Wer bei 1450 anruft, kann innerhalb von zwei Stunden mit einem Arzt sprechen und bekommt innerhalb von zwei Tagen einen Termin. Alle Spitalsambulanzen werden auf Terminambulanzen umgestellt“, so der Vorschlag von Gauss. Er ist überzeugt, dass dieses System über die Terminservicestellen der Sozialversicherung auch österreichweit umzusetzen wäre. „Für diesen Plan braucht es Mut. Kein:e Patient:in nimmt mutwillig das System in Anspruch, wenn aber im niedergelassenen Bereich das Angebot fehlt, ist der Weg ins Spital vorprogrammiert“, so Gauss.
Dass eine erste Anlaufstelle für Patient:innen nicht immer ein Arzt sein muss, darin sind sich die Podiumsteilnehmenden einig. Auch digitale Lösungen wie Gesundheits-Apps wären möglich und schaffen zugleich die Basis für mehr Gesundheitskompetenz.
Handlungsoptionen sieht Ostermann in der Ordnungskaskade: „Digital vor ambulant vor stationär macht Sinn, aber dann muss auch sichergestellt sein, dass digital weniger affine Patient:innen nicht auf der Strecke bleiben und dass das System eine Primärversorgung und eine Sekundärversorgung, aber nicht darüber hinaus noch viele andere mögliche Ebenen, zulässt.“ Biach betont einmal mehr die Anreizsysteme, um vor allem den Präventionsgedanken weiter auszubauen.