Kein Zweifel: Die Digitalisierung wird den Gesundheitsbereich in den kommenden Jahren und Jahrzehnten radikal verändern. Im Innovationsmanagement gibt es für solche Transformationsprozesse den Begriff „disruptiv“, womit zum Ausdruck gebracht werden soll, dass hier nicht ein Zustand fließend in einen anderen übergeht, sondern völlig neue Realitäten entstehen. Was bei der Lektüre dieser Ausgabe von DigitalDoctor auffällt, ist der Umstand, dass es dabei eben um weit mehr geht als um die Anwendung neuer Technologien, die Optimierung von Prozessen und das Schaffen neuer Services. Künstliche Intelligenz, Big Data & Co. greifen so massiv in alle Bereiche des Gesundheitswesens ein, dass sie uns unweigerlich dazu bringen, über uns selbst nachzudenken. So legt der European Health Date Space die Grundlage für unseren künftigen Umgang mit den intimsten Aspekten unseres Lebens. Dem Bodensatz unstrukturierter und häufig isolierter Gesundheitsdaten lässt die Entwicklung einer für alle Länder der EU einheitlichen Patient Summary adrett gekleidete und stets reisebereite Datenavatare entsteigen. Die Entscheidung, wie sich jede:r Einzelne auf der zwischen maximaler Privatsphäre und optimaler Versorgung aufgespannten Skala verortet, wird damit eine transnationale.
Anlass für größte Hoffnung und maximale Verunsicherung geben wiederum die aktuellen Entwicklungen im Bereich der Hirn-Computer-Interfaces. Was es für Menschen mit neurologisch bedingten Sprech- und Bewegungseinschränkungen bedeutet, kraft ihrer Gedanken wieder kommunizieren und an der physischen Welt teilhaben zu können, ist für Nichtbetroffene kaum vorstellbar. Dass mit der direkten Verbindung zwischen der geistigen und der digitalen Welt in gewisser Hinsicht der Rubikon überschritten wird, steht allerdings außer Zweifel. Schließlich ist kaum anzunehmen, dass sich die Elon Musks dieser Welt damit begnügen werden, die Stummen zum Sprechen und die Gelähmten zum Gehen zu bringen. Die künftigen Möglichkeiten der Optimierung unserer psychischen und psychomotorischen Fähigkeiten werden dem Begriff „disruptiv“ eine völlig neue Bedeutung geben.
Christian Maté
Chefredaktion