Die technische Diabetestherapie hat seit Beginn der 2000er-Jahre mit der Insulinpumpentherapie eine neue Ära der Diabetesbehandlung bei insulinpflichtigen Menschen eingeleitet. Die Verwendung von Glukosesensoren hat nach 10 Jahren mäßigen Erfolges seit 2015/16 rapide an Fahrt aufgenommen und zu einer rasanten Zunahme der Verwendung von Glukosesensoren auch als Stand-alone-Anwendung unabhängig von der Insulinpumpe geführt. Zeitgleich wurde versucht, kommunizierende Devices im Sinne einer sensorunterstützten Insulinpumpentherapie zu entwickeln und im klinischen Alltag einzusetzen.
Diese Entwicklung mündete in kommerziell erhältlichen Hybrid-Closed-Loop-Systemen, die bei Menschen mit Typ-1-Diabetes, vor allem bei Kindern und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes, seit den 2020er-Jahren zunehmend eingesetzt werden. Die Hybrid-Closed-Loop-Systeme regulieren die Insulinzufuhr abhängig von Real-Time-Glukosewerten automatisch. Die Bestandteile – Insulinpumpe, Glukosesensor und Algorithmus – bilden die technische Basis. Die Bezeichnung „Hybrid“ kommt daher, dass es weiterhin Aufgabe der Anwender:innen ist, die konsumierten Kohlenhydrate zu berechnen und aktive Bolusgaben für Mahlzeiten durchzuführen, wie es PeacockS in dem 2023 erschienenen Artikel beispielhaft skizziert (Abb. 1).
Diese Hybrid-Closed-Loop-Systeme sind in den letzten Jahren in zahlreichen klinischen Studien getestet worden, die allesamt hervorragende Ergebnisse hinsichtlich des metabolischen Outcome, vor allem der Time in Range, beschreiben. Aufgrund der breiten Anwendung kommerziell erhältlicher Systeme in den letzten Jahren liegen auch ausreichend Real-World-Daten vor, die ebenfalls – analog zu den klinischen Trials – eine beachtliche Steigerung der Zeit im Zielbereich zeigen. Aufgrund der überzeugenden Datenlage wurde die Anwendung von Hybrid-Closed-Loop-Systemen bei Menschen mit Typ-1-Diabetes in Behandlungsempfehlungen und Guidelines von nationalen und internationalen Diabetesgesellschaften aufgenommen. Ein breiter Konsens und eine breite Empfehlung zur Behandlung mit Hybrid-Closed-Loop-Systemen sind die Folgen.
Einige Studien an jungen Menschen mit Typ-1-Diabetes untersuchten in unterschiedlichen Ansätzen die Effektivität von Systemen, wenn Mahlzeiten ohne exakte Berechnung der Kohlenhydrate nur ungefähr oder gar nicht mit Bolusgaben abgedeckt werden.
Eine kurze Studie von Forlenza GP et al. an Jugendlichen und jungen Erwachsenen, bei denen angekündigte Mahlzeiten mit Bolusgabe und unangekündigte Mahlzeiten ohne Bolusgabe verglichen wurden, zeigte wie erwartet einen deutlichen postprandialen Glukoseanstieg. Dieser dauerte 3–5 Stunden, bis das automatische System den Blutglukosespiegel ohne Bolusgabe wieder in den Zielbereich verschob (Abb. 2).
Reicht die ungefähre Ankündigung einer Mahlzeit aus? Eine Untersuchung von Goran Petrovski untersuchte dazu Jugendliche im Alter von 12–18 Jahren. Randomisiert in zwei Gruppen, wurde eine Gruppe mit Mahlzeiten versorgt, deren Kohlenhydratgehalt genau berechnet wurde, wonach eine entsprechende Bolusgabe erfolgte. Im Vergleich dazu wurden in der zweiten Gruppe Mahlzeiten in kleine, mittlere und große Kohlenhydratmengen unterteilt und eine fixe Insulinmenge für die jeweils konsumierte Mahlzeit abgegeben. In den folgenden 12 Wochen Beobachtungszeit zeigten beide Gruppen eine Zunahme der TIR von um die 60 % auf über 70 % – den internationalen Zielvorgaben entsprechend. Die Gruppe mit genauer Berechnung der Mahlzeiten erreichte eine TIR über 80 %, jedenfalls aber einen Unterschied zur flexibel berechnenden Gruppe von 5–8 %.1
Systemlimits ausgetestet: Welche Mengen an Kohlenhydraten von Hybrid-Closed-Loop-System unangekündigt beherrscht werden können, ohne einen nennenswerten Glukoseanstieg von über 50mg/dl zu verursachen, wurde in Untersuchungen mit unterschiedlicher Mahlzeitenzusammensetzung getestet. Mahlzeitengrößen von 10, 20 und 30 Gramm mit einfachen und komplexen Kohlenhydraten, mit und ohne Fett wurden verglichen. Tornese G et al. konnten 2022 zeigen, dass die verwendeten Algorithmen bis zu 20 g Kohlenhydrate unabhängig von der Nahrungszusammensetzung effizient abarbeiten konnten, ohne die Glukosewerte um wesentlich mehr als 50 mg/dl zu erhöhen (Abb. 3).
Sind aggressivere Algorithmen besser? Die modifizierte Variante eines herkömmlichen und kommerziell eingesetzten Algorithmus wurde in einer sehr kurzen Untersuchung von Garcia-Tirado J et al. im Cross-over-Design getestet. Bei unangekündigten Mahlzeiten konnte der aggressivere Algorithmus die postprandialen Glukosewerte rascher in den Zielbereich bringen. Während beim herkömmlichen Algorithmus der postprandiale Glukosepeak bis über 250 Minuten nach dem Essen anhielt, konnte bei Anwendung eines aggressiveren modifizierten Systems der Glukosezielwert schon nach 100–120 Minuten erreicht werden (Abb. 4).
Der zunehmende Einsatz von technischer Diabetestherapie bei Menschen mit Typ-1-Diabetes eröffnet die Möglichkeit, das Diabetesmanagement zunehmend zu automatisieren und die notwendige Anwenderinteraktion zu reduzieren. Auf dem Weg vom Hybrid-Closed-Loop-System zum Fully-Closed-Loop-System bleiben die postprandialen Glukosepeaks die kritische Herausforderung. Die Art der Mahlzeitenankündigung, die Mahlzeitengröße, die Wirkdynamik der verwendeten Insuline und die AID-Systeme, die mit modifizierten Algorithmen effektiver auf den raschen postprandialen Glukoseanstieg reagieren können, beeinflussen die metabolische Kontrolle.