Die Anästhesiologie ist ein Fach, das über eine relativ große Menge an hochstrukturierten Daten verfügt, die gut maschinenlesbar und -verarbeitbar sind, wie Univ.-Prof. Dr. Oliver Kimberger (MedUni Wien) erklärte. Künstliche Intelligenz (KI) in verschiedener Form finde entlang des gesamten perioperativen Patientenpfades Anwendung. Als Beispiele im präoperativen Setting nannte Kimberger die KI-gestützte präoperative Risikoprädiktion oder Vorhersage schwieriger Intubationen. Viele KI-Anwendungen gebe es auch rund um das Thema Sepsis, von Früherkennung bzw. Vorhersage einer Sepsis über Prognoseeinschätzung bis hin zur Optimierung der Intensiv- und Sepsistherapie (Stichwort: personalisierte Medizin). Die derzeitigen KI-Anwendungen bezeichnete der Experte als „Unitasker“ – sie erledigen eine bestimmte Sache sehr gut –, in nicht allzuferner Zukunft könnte es aber eine Generalist medical AI (GMAI) geben, die eine Vielzahl gänzlich unterschiedlicher Aufgaben ausführen kann.
Als visuelles Fach ist die Dermatologie für die Nutzung von KI für die Bildanalyseprädestiniert. Im Fokus steht dabei die Differenzierung und korrekte Einordnung verschiedener gut- und bösartiger Hauttumoren. Diese Aufgabe kann KI schon heute zumindest gleich gut wie erfahrene Dermatolog:innen erledigen, so OA Dr. Michael Tripolt (MedUni Graz). Studien hätten weiters gezeigt, dass die diagnostische Genauigkeit mit KI-Hilfe erhöht werden kann und dass Kliniker:innen mit wenig Erfahrung in Dermatologie bzw. Dermatoskopie besonders stark profitieren. Tripolt stellte die in Graz entwickelte KI-basierte Smartphone-App „SkinScreener“ vor, mit der verdächtige Hautstellen und Muttermalezur einfachen und schnellen Einschätzung des Hautkrebsrisikos gescannt werden können.
Für Univ.-Prof. Dr. Peter Fickert (MedUni Graz) ist KI der Gamechanger in der Gastroenterologie. Speziell die Endoskopie im Gastrointestinaltrakt werde nach breiter klinischer Einführung der KI eine andere/neue sein. KI-Unterstützung könne hier eine Qualitätssteigerung beim Eingriff, Verbesserung der Ausbildung und des Trainings sowie Zeit- und Kostenersparnis bringen. Fickert ist überzeugt: Die Ergebnisse von DeepLearning werden beinahe alle Bereiche der Diagnostik und Therapie gastrointestinaler Erkrankungen beeinflussen. Die Rolle von Ärzt:innen in der Entscheidungsfindung sei daher neu zu definieren und eine Ausbildungsreform dringend einzuleiten, so sein Appell.
Auch in der Kardiologie hat KI großes Potenzial, wie Univ.-Prof. Dr. Axel Bauer (MedUni Innsbruck) ausführte. Das Spektrum KI-basierter Technologien reiche von den klassischen Machine-Learning-basierten Prädiktionsmodellen über Deep-Learning-Network-basierte Ansätze der Signalanalyse bis hin zu den generativen, multimodalen Foundation Models. Bauer präsentierte u. a. das laufende Austrian Digital Heart Program, das den Stellenwert eines digitalen Smartphone-basierten Vorhofflimmer-Screenings auf Bevölkerungsebene untersucht.
Über neue interessante KI-Anwendungen in der Radiologie berichtete Univ.-Prof.in Dr.in Elke Gizewski (MedUni Innsbruck). Sie stellte z. B. einen in Innsbruck entwickelten Algorithmus vor, der 3D-Bilddaten von Gehirnuntersuchungen bei Frühgeborenen automatisiert analysieren kann. Damit kann beispielsweise das Risiko einer motorischen Entwicklungsverzögerung abgeschätzt werden. Spannend auch: Radiomics. Hier werden mittels KI standardisierte und quantifizierte Charakteristika aus Bilddatensätzen der CT oder MRT extrahiert, die dann integrativ mit klinischen, molekularen und genetischen Daten bewertet werden können. Ziel ist es, therapeutisch relevante Parameter wie Progression- und Überlebensraten oder Therapieansprechen vorherzusagen.