3 von 4 ACR/EULAR-Boolean-Remissionskriterien erfüllt: nicht prädiktiv für Erreichen von Boolean-Remission

Das oberste Ziel in der Behandlung der rheumatoiden Arthritis (RA) ist das Erreichen von klinischer Remission1. 2011 wurden gemeinsam vom „American College of Rheumatology“ (ACR) und der „European League against Rheumatism“ (EULAR) zwei Definitionen für klinische Remission vorgestellt. Laut der Boolean-Definition müssen folgende vier Krankheitsaktivitätsvariablen einen Wert ≤ 1 ergeben: die Anzahl geschwollener Gelenke (SJC), Anzahl druckdolenter Gelenke (TJC), C-reaktives Protein (CRP) und die Einschätzung der Krankheitsaktivität durch den Patienten (PGA). Die alternative indexbasierte Remissionsdefinition besagt, dass der „Simplified disease activity index“ (SDAI) ≤ 3,3 sein muss.2 Eine beträchtliche Zahl an Patienten erfüllt im Laufe ihres Krankheitsverlaufs 3 von 4 Remissionskriterien3. Zeigt dieser Zustand der „beinahe Remission“ schon einen vorteilhaften Verlauf der Krankheitsaktivität an?

Ziel: Chancen auf volle Remission

In dieser Studie sollte der weitere Verlauf der Krankheitsaktivität von Patienten, die bereits 3 von 4 Remissionskriterien erfüllen, und deren Chancen auf volle Remission untersucht werden. Zur Beantwortung dieser Fragestellung wurden Zufallsvisiten und dazugehörige Nachfolgevisiten von ambulanten RA Patienten, deren Untersuchungsergebnisse in einer longitudinalen Datenbank regelmäßig dokumentiert werden, herangezogen. In dieser und der Folgevisite wurden Patienten nach ihrer Krankheitsaktivität eingeteilt in „beinahe Remission“ (3/4 Boolean-Kriterien erfüllt), volle Boolean-Remission (alle 4 Boolean-Kriterien erfüllt) und „keine Remission“ (< 3/4 Boolean- Kriterien erfüllt). Unter den Patienten, die nur 3 der 4 Kriterien erfüllten, ermittelten wir das fehlende Kriterium, um in Remission zu gelangen, wonach auch der Zustand ihrer Krankheitsaktivität in der Nachfolgevisite unterteilt wurde.

Ergebnisse

928 RA-Patienten (80 % Frauen, 56 % Rheumafaktor positiv, durchschnittliche Krankheitsdauer 8,4 Jahre), deren zwei Visiten durchschnittlich 5 Monate auseinanderlagen, wurden eingeschlossen: Zu diesen Visiten waren 10 % bzw. 11 % in Boolean- Remission, je 22 % befanden sich in „beinahe Remission“. 60 % der „beinahe Remissions-Patienten“ erfüllten das PGA-Kriterium nicht, 23 % SJC, 10 % CRP und 6 % erreichten das TJC-Kriterium nicht. 40 % der Patienten verblieben im Zustand der „beinahe Remission“, 15 % verbesserten sich in Boolean- Remission und 45 % verschlechterten sich. Patienten, welche aufgrund eines zu hohem PGA oder SJC Boolean-Remission nicht erfüllten, zeigten tendenziell schlechtere Chancen, nachfolgend eine Boolean-Remission zu erzielen (12,4 % und 12,8 %, Odds Ratio: 0,4) als jene, die das CRP- bzw. TJC-Kriterium nicht erfüllten (25 % und 28,5 %, Odds Ratio: 2,6). Einen Überblick dazu gibt die Tabelle. Patienten, die zur Nachfolgevisite in Remission gelangten, hatten signifikant niedrigere Werte für funktionale Beeinträchtigung (0,27 vs. 0,54), Krankheitsaktivitätseinschätzung durch den Patienten (1,3 cm vs. 2,21 cm) und den Therapeuten (EGA; 0,54 cm vs. 1,16 cm) sowie einen niedrigeren SDAI (3,6 vs. 5,9) als jene, die keine Remission erreichten. 53 % der Patienten, welche Boolean-Remission nach vorhergehender „beinahe Remission“ erreichten, erzielten schon zuvor einen SDAI-Wert kleiner gleich 3,3. Patienten in „beinahe Remission“, welche sich in SDAI-Remission befanden, hatten eine um 4,8-mal höhere Chance in Boolean-Remission zu gelangen als Patienten, welche keine SDAI-Remission zeigten. Patienten, die in „beinahe Remission“ verblieben, erfüllten zum Großteil weiterhin das gleiche Kriterium wie zuvor nicht (CRP 100 %, PGA 89 %, SJC 79 %). Nur jeder fünfte Patient mit zu hohem TJC als Ursache für das Nichterreichen von Boolean- Remission hatte auch weiterhin TJC als Hindernis für eine volle Remission, obwohl hier bedacht werden muss, dass in dieser Gruppe die Patientenzahl sehr gering war.

Resümee

Etwa die Hälfte der Patienten, die bereits 3 der 4 Remissionskriterien erfüllen, verschlechtert sich bis zur nächsten Visite. Die Hälfte der Patienten, welche nach vorhergehender „beinahe Remission“ volle Boolean-Remission erlangt, war schon zuvor in Remission laut SDAI. Patienten in SDAI-Remission haben somit fünffach bessere Chancen, auch Boolean-Remission zu erreichen. Patienten, die sozusagen schon fast in Remission zu sein scheinen, da sie nur ein Kriterium nicht erfüllen, bedürfen auch weiterhin einer intensiven Therapie, um das Ziel der Remission zu erlangen, insbesondere wenn Patienten ihre Krankheitsaktivität noch zu hoch einschätzen oder mehr als ein geschwollenes Gelenk am Patienten fassbar ist.

1. Smolen JS, Aletaha D, Bijlsma JW et al., Treating rheumatoid arthritis to target: recommendations of an international task force. Ann Rheum Dis 2010; 69(4):631–637.
2. Felson DT, Smolen JS, Wells G et al., American College of Rheumatology/European League Against Rheumatism Provisional Definition of Remission in Rheumatoid Arthritis for Clinical Trials. Ann Rheum Dis 2011; 70(3):404–413.
3. Studenic P, Smolen J, Aletaha D, Near Misses of ACR/EULAR Criteria for Remission: Effects of Patient Global Scores on the Boolean and Index Based Definitions (Abstract). Arthritis & Rheumatism 2011; 63(Suppl10):122–123.