Aus didaktischen Gründen wird im nachfolgenden Artikel zuerst die Entwicklung der Klassifikationskriterien für eine axiale SpA und anschließend die Erarbeitung der Diagnose einer axialen SpA beschrieben.
Klassifikationskriterien werden entwickelt, um für klinische Untersuchungen ein homogenes Krankengut zu definieren. Die Entwicklung von Klassifikationskriterien für eine axiale SpA wurde notwendig, nachdem es durch die Einführung der Magnetresonanztomographie (MRT) möglich geworden war, die nativradiologisch nicht fassbaren frühen Phasen der ankylosierenden Spondylitis zu erkennen. Unter der Federführung der Berliner Gruppe um J. Sieper und M. Rudwaleit wurden deshalb von der „Assessment of SpondyloArthritis international Society“ (ASAS) Klassifikationskriterien für die axiale SpA entwickelt, validiert und 2009 publiziert.2, 3
Um die ASAS-Kriterien für eine axiale SpA zu erfüllen, müssen bei Patienten, die jünger als 45 Jahre sind und an chronischen Rückenschmerzen leiden, entweder radiologische Zeichen einer Sakroiliitis oder das Gen HLA-B27 nachweisbar sein (Abb. 1).
Eine radiologische Sakroiliitis liegt vor, wenn nativradiologisch eine beidseitige chronische Sakroiliitis Grad II oder eine einseitige Sakroiliitis Grad III oder IV vorliegt4 oder MR-tomographisch Zeichen einer aktiven Sakroiliitis gefunden werden. Von einer MR-tomographisch aktiven Sakroiliitis spricht man, wenn ein Knochenmarksödem in der Short-Tau-Recovery-Inversion-Aufnahme (STIR-Aufnahme) oder eine Ostitis in der kontrastmittelverstärkten T1-gewichteten Aufnahme in einer Schicht an zwei Stellen oder an einer Stelle in mehreren Schichten nachweisbar ist.5 Findet man bei einem Patienten radiologisch eine Sakroiliitis, muss ein weiteres SpA-typisches Symptom vorliegen, damit die Klassifikationskriterien für eine SpA erfüllt sind.
Ist bei einem Patienten radiologisch keine Sakroiliitis, wohl aber HLA-B27 nachweisbar, müssen mindestens zwei weitere SpA-typische Symptome vorhanden sein, um einen Patienten mit einer SpA zu klassifizieren.
Das bei mehr als 90 % der SpA-Patienten und damit am häufigsten gefundene Symptom ist der entzündliche Rückenschmerz. Kriterien für den entzündlichen Rückenschmerz wurden bereits 1977 von Calin und 2006 von der Berliner Gruppe entwickelt. Diese wurden 2009 überarbeitet und als ASAS-Kriterien des entzündlichen Rückenschmerzes veröffentlicht (Tab. 1)6.
Weitere für eine SpA sehr charakteristische Symptome sind eine Enthesitis der Achillessehne oder am Ursprung der Plantarfaszie sowie eine Daktylitis – eine die anatomischen Strukturen überschreitende Entzündung von Fingern und/oder Zehen. Auch eine beinbetonte Arthritis meist in Form einer Mon- oder Oligoarthritis ist ein SpA-typisches Symptom. Zu den SpA-typischen Symptomen zählen außerdem eine vom Ophthalmologen diagnostizierte Uveitis, eine von einem Dermatologen festgestellte Psoriasis und eine beim Patienten bestehende chronisch-entzündliche Darmerkrankung. Eine positive Familienanamnese für das Vorliegen einer SpA, einer Psoriasis, einer Uveitis oder einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung ist ebenso als SpA-typischer Hinweis zu werten wie ein gutes Ansprechen auf die Einnahme eines nichtsteroidalen Antirheumatikums (NSAR). Ein gutes Ansprechen des Schmerzes auf NSAR ist dann als klinisches Symptom einer SpA zu werten, wenn sich die Schmerzsymptomatik innerhalb von 24–48 Stunden nach Einnahme um mindestens 50 % bessert. Ein pathologisch erhöhtes C-reaktives Protein (CRP) ist nur dann als Hinweis auf eine axiale SpA zu werten, wenn keine andere Ursache für ein erhöhtes CRP vorliegt.
Die ASAS-Klassifikationskriterien für eine axiale SpA wiesen in einer multinationalen Studie eine Sensitivität von 83 % und eine Spezifität von 84 % für das Vorliegen einer SpA auf und schnitten damit besser ab als die bisher vorgelegenen Amor-Kriterien und die Kriterien der European Spondylarthritis Study Group (ESSG)7, 8, auch wenn diese Kriterien unter Einbeziehung des MR-tomographischen Befundes angewandt wurden.
Da bei einem MR-tomographischen Nachweis einer akuten Sakroiliitis die Spezifität der ASAS-Klassifikationskriterien für eine SpA bei 97 % lag, kann bei einem positivem MRT-Befund und einem weiteren SpA-typischen Befund von einer diagnostisch gesicherten axialen SpA ausgegangen werden.
Da ein spezifischer diagnostischer Test für die axiale SpA nicht existiert, ist die Diagnose einer axialen SpA von der Anzahl und Wertigkeit SpA-typischer Symptome abhängig. So kann ein Rheumatologe bei Vorliegen eines chronischen Rückenschmerzes und einer Daktylitis die Diagnose einer Spondyloarthritis stellen. Hingegen kann bei einem Patienten mit entzündlichem Rückenschmerz und pathologisch erhöhtem C-reaktivem Protein eine infektiöse Spondylodiszitis vorliegen. Dieses Beispiel deutet darauf hin, dass die Daktylitis im Gegensatz zum entzündlichen Rückenschmerz eine höhere Wertigkeit für die Diagnose einer SpA aufweist und die einfache Addition von Symptomen für eine richtige Diagnose nicht ausreicht.
Die unterschiedliche Wertigkeit SpA-typischer Symptome wurde von Rudwaleit und Mitarbeitern anhand der Ergebnisse von 69 klinischen Studien durch die positive und negative Likelihood Ratio (LR) hervorgehoben (Tab. 2)9, 10. Bei der Durchsicht der Tabelle wird deutlich, dass die SpA-spezifischen Parameter eine geringe (LR 2–5) bis mäßige (LR 5–10) Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer axialen SpA aufweisen. Es zeigt sich zudem, dass eine MR-tomographisch nachgewiesene Sakroiliitis und der Nachweis von HLA-B27 bei Patienten mit entzündlichem Rückenschmerz die höchste positive und auch negative LR und damit den größten Vorhersagewert für das Vorliegen als auch für das Fehlen einer axialen SpA aufweisen (Tab. 2).
Auch die Sicherheit der Diagnose einer axialen SpA kann rechnerisch untermauert werden, indem die positive und negative LR von SpA-typischen Symptomen miteinander multipliziert werden.9 Bei einem Multiplikationsergebnis von > 70 ist eine axiale SpA diagnostisch wahrscheinlich und bei einem Wert > 170 mathematisch gesichert.
Die ASAS-Klassifikationskriterien für eine axiale SpA erlauben eine frühe Charakterisierung von Patienten mit SpA-typischen Symptomen, bevor radiologische (Spät-) Zeichen der Erkrankung erkennbar sind. Vorteile einer früheren Einordnung des Beschwerdebildes eines Patienten liegen in der Befriedigung des Kausalitätsbedürfnisses bei Vorliegen unklarer klinischer Symptome und in der Erzeugung eines homogenen Patientenkollektivs für klinische Studien.
Allerdings kann eine unkritische Verwendung der neuen Klassifikationskriterien als Instrument zur Diagnosestellung zu einer Häufung von falschen Diagnosen und zu einer Überbehandlung von Patienten führen.
Die Diagnose einer axialen SpA ist hingegen eine ärztliche Leistung, die sich aus der Anzahl und Gewichtung von SpA-typischen Symptomen und dem Verwerfen von differenzialdiagnostischen Möglichkeiten ergibt. Die frühzeitige Diagnosestellung einer axialen SpA beruht auf der sorgfältigen Überprüfung von klinischen Symptomen und von Untersuchungsbefunden auf ihre Assoziation mit einer axialen SpA. Die frühzeitige Diagnose einer axialen SpA ist Voraussetzung für eine frühe und gezielte Interventionsmöglichkeit, die hoffentlich in der Lage ist, die Lebensqualität der Patienten zu verbessern und die anfänglich reversiblen morphologischen Veränderungen und funktionellen Einschränkungen der Erkrankung zu verzögern und vielleicht sogar zu verhindern.