Das Trauma ist die bei weitem häufigste Ursache für akute Gelenksschmerzen. Es kann sich um eine Fraktur, eine Zerrung oder Verstauchung handeln. An Kindesmisshandlung ist zu denken, wenn der Grad der Verletzung nicht mit der angebotenen Krankheitsgeschichte übereinstimmt. Eltern und Kinder geben als Ursache für Schmerzen, Schwellungen und Bewegungseinschränkungen eines oder mehrerer Gelenke am häufigsten ein Trauma an, auch wenn dieses nicht klar beweisbar ist oder tatsächlich beobachtet wurde.
Sie entstehen durch Mikrotraumen. Ein Beispiel ist die Stressfraktur, der Morbus Osgood-Schlatter, die Sever’sche Erkrankung und die Chondromalacia patellae. Überlastungssyndrome kommen am häufigsten bei sportlich kompetitiven Schülern zwischen dem 11. und 18. Lebensjahr vor.
Sie treten am häufigsten bei sportlich aktiven Jugendlichen auf. Durch repetitive Belastungen an typischen Stellen wie dem Schenkelhals, im mittleren und proximalen Tibiabereich, im distalen Fibulabereich, am Calcaneus und im Vorfuß kann es zu Mikrofrakturen kommen. Klinisch fallen anfangs nur Schmerzen auf. Später kommen Schwellungen dazu. Therapeutisch empfiehlt sich die Rücknahme der Dauerbelastung, selten ist eine operative Behandlung nötig.
Der Osgood-Schlatter ist eine Osteochondrose, die an der Tuberositas tibiae entsteht. Das ist eine Knochenleiste zum Ansatz des Bandes, das über die Kniescheibe die Kraft des Oberschenkelmuskels auf den Unterschenkel überträgt. Die Erkrankung findet sich bei etwa 1 % der Heranwachsenden und ist häufiger bei denen, die Sport treiben (z.B. bei Basketballspielern). Es kommt zu Schmerzen über der Tuberositas direkt unter der Kniescheibe, die bei Belastung wie Laufen, Springen, Treppensteigen und Knien stärker werden. Bei Palpation findet man eine Schwellung, die sehr berührungsempfindlich ist. Therapeutisch wird Ruhe, Eisauflage nach dem Sport oder Sportpause und das Tragen einer Kniegelenksbandage empfohlen. Die Prognose ist üblicherweise sehr gut.
Die Sever’sche Erkrankung ist eine häufige Ursache von Fersenschmerzen mit unklarer Ursache bei sportlich aktiven Jugendlichen. Es handelt sich um eine Osteochondrose des Calcaneus, des Fersenknochens, die vermutlich durch den Zug der Achillessehne bedingt ist, die die Kraft der Wade auf den Fersenknochen überträgt. Sie beginnt meist um das 6. bis 10. Lebensjahr mit Fersenschmerzen und manchmal mit Humpeln nach körperlichem Training. Bei besonders starker mechanischer Belastung dieser Region (Springen, Rollschuhlaufen, Eislaufen) kann die Ossifikation verzögert ablaufen. Die Behandlung erfolgt durch Schonung. Eine weitere Behandlung ist nicht notwendig, die körperliche Aktivität sollte so gestaltet werden, dass die Kinder schmerzfrei bleiben. Eventuell kann eine Ferseneinlage helfen.
Das patellare Schmerzsyndrom ist die häufigste Ursache für Kniegelenksschmerzen im Wachstumsalter und kommt am häufigsten bei jugendlichen Mädchen vor. Es entwickeln sich langsam zunehmende Schmerzen hinter der Kniescheibe vor allem bei Bewegungen, die den von oben in die Patella einstrahlenden Quadricepsmuskel belasten, wie z.B. beim Kniebeugen und beim Stiegen hinauf- und hinuntergehen. In Ruhe bessern sich die Beschwerden, sie kommen aber typischerweise bei längerem Sitzen mit gebeugten Kniegelenken wieder zurück. Im Rahmen einer Untersuchung hört und fühlt man oft eine deutliche Krepitation der Kniescheibe. Bei der Untersuchung des Knies kommt es zu einem Druckschmerz, wenn man die Kniescheibe nach rechts oder links verschiebt und von unten her auf die Rückfläche drückt, außerdem lässt sich der Schmerz auslösen, wenn man den Anpressdruck durch Druck auf die Kniescheibe erhöht.
Von den isolierten Schmerzen der Kniescheiben ist dagegen die Chondromalacia patellae abzugrenzen. Hier handelt es sich um eine Erweichung des Patellaknorpels, was in der Folge zu einer Femoropatellararthrose führen kann. Im MRT kann man abgeschwächte Signalintensitäten mit fokaler Verdünnung oder sogar Verlust des Gelenksknorpels sowie subchondrale Zystenformationen erkennen. In der Arthroskopie sieht man dann oft eine gerippte oder eine degenerierte retropatelläre Knorpeloberfläche.
Häufig geht eine Chondropathia patellae mit einer entzündlichen Reaktion einher. Bei Entzündungsreaktionen ist der Einsatz von nichtsteroidalen Antirheumatika in Erwägung zu ziehen.
Hier sind eine Reihe von häufigeren Erkrankungen mit großen Ähnlichkeiten zu den Überlastungssyndromen zu nennen, die man unter dem Begriff Osteochondrosen zusammenfasst. Diese Prozesse zeigen ein gewisses Muster, indem sie sich bevorzugt im noch unreifen Skelett abspielen und vor allem Epiphysen, Apophysen oder epiphysoide Knochen betreffen. Das radiologische Bild ist charakterisiert durch Fragmentationen, Kollaps und Sklerose der Knochenstrukturen, gefolgt von Reossifizierungen und Rekonstitution der Knochenkonturen. Von einem klinischen Standpunkt aus kann man die Osteochondrosen als idiopathische, erworbene, lokalisierte Störungen von Knorpel und Knochen, mit schmerzhaftem Charakter, definieren. Meist kommen sie isoliert, selten auch bilateral, bei Kindern zwischen dem 3. und 12. Lebensjahr vor und betreffen deutlich mehr Jungen als Mädchen. Die Osteochondrose ist es eine bei Kindern häufige Erkrankung und diese Erkrankung geht meist gut aus, vielleicht mit Ausnahme einzelner Fälle schwerer Beteiligung der Hüfte. Die wichtigsten Vertreter dieser Osteochondrosen sind der Morbus Perthes, der Morbus Scheuermann und der Morbus Köhler. Morbus Perthes Die Perthes-Erkrankung (Legg-Calvé-Perthes-Erkrankung, Osteochondrosis deformans coxae juvenilis, juvenile Hüftkopfnekrose) ist eine avaskuläre Nekrose des Hüftkopfes. Sie tritt mit einer Häufigkeit von 1 : 1200 Kindern zwischen dem 4. und 8. Lebensjahr auf. Knaben erkranken 5-mal häufiger als Mädchen. In 15 % tritt sie beidseitig auf. Betroffene Kinder fallen auf durch Hinken, Schmerzen in der Hüfte, die auch in das Kniegelenk oder den Oberschenkelbereich ausstrahlen. Frühzeitig kann die Erkrankung mit der Kernspintomographie nachgewiesen werden. Die Prognose ist abhängig vom Schweregrad des Verlaufs. Bei noch guter Hüftbeweglichkeit kann man konservativ durch Entlastungsmaßnahmen und krankengymnastische Übungen die Beweglichkeit erhalten. In schweren Fällen kann durch Varisationsosteotomien oder Beckenosteotomien versucht werden, eine bessere Positionierung des Hüftkopfes zu erreichen. Ohne Behandlung heilen aber immerhin bis zu 60 % der betroffenen Hüften aus.
Die Scheuermann’sche Erkrankung wird auch juvenile Kyphose (jugendlicher Rundrücken) genannt und ist eine Osteonekrose der Wachstumsfugen der Wirbelkörper. Jungen und Mädchen sind gleich häufig betroffen. Die meisten Erkrankungen treten zwischen dem 10. und 15. Lebensjahr auf. Führendes Symptom ist eine „schlechte Haltung“ was durch eine Hyperkyphose der Brustwirbelsäule bedingt ist, die sehr rigide wirkt. Radiologisch stellt man den Grad der Kyphose fest, die Form der betroffenen Wirbelkörper mit typischer keilförmiger Deformierung mit Höhenminderung an der Vorderkante. Die Grund- und Deckplatten der Wirbelkörper sowie die Randleisten weisen Irregularitäten infolge eingebrochenen Bandscheibenmaterials auf (Schmorl-Knötchen). Therapeutisch strebt man durch Krankengymnastik eine Kräftigung der Rückenstreckmuskulatur an. Die Indikation zur operativen Therapie ist lediglich nach Wachstumsabschluss bei Kyphosen von mehr als 70º sowie chronischen Schmerzen gegeben. Die Prognose ist meist sehr gut und unabhängig vom radiologischen Befund.
Morbus Köhler ist eine aseptische Osteochondrose des Kahnbeines unbekannter Ursache. Es handelt sich wahrscheinlich um Vaskularisierungsstörungen mit nachfolgendem Umbau des Kahnbeines. Tritt meist bei Kindern zwischen dem 4. und 9. Lebensjahr auf. Im Vordergrund der Beschwerden stehen die meist geringgradigen Schmerzen nach Belastung und bei akuten Verläufen auch die Schwellung des Fußinnenrandes. Um Schmerzen zu mindern, belastet das Kind meist instinktiv den Außenrand des betroffenen Fußes. Die Prognose ist meist sehr gut mit völliger Ausheilung.
Die Hüftkopfepiphysenlösung ist eine seltene Erkrankung, die 3–10 von 100.000 Kindern, meist übergewichtige Knaben im mittleren Jugendalter, betrifft. Als Ursache wird eine Kombination biologischer und mechanischer Faktoren angenommen. Mit Eintritt des schnellen Wachstumsschubes wird die Femurepiphysenfuge im Bereich der Verkalkungszone geschwächt, weil die Ossifikation nicht mehr mit dem Knorpelanbau Schritt halten kann. Durch Gewichtszunahme und vermehrte körperliche Aktivität kann es nun in den schwächsten Stellen der Wachstumsplatte zu Einrissen kommen, was schließlich zum Abgleiten des Hüftkopfes führen kann. Dieser Gleitprozess der Femurepiphyse läuft bei 60 % der Kinder sehr langsam über Monate bis Jahre ab. In ca. 30 % bis 40 % der Kinder wird im Laufe der Zeit auch die andere Hüfte mit betroffen sein. Bei stärkerem Abgleiten in kürzerer Zeit droht eine Durchblutungsstörung mit folgender Hüftkopfnekrose. Die Symptome der leichten Form sind wenig ausgeprägt. Anfänglich fallen leichtes Hinken und Schmerzen im Oberschenkel- und Hüftbereich auf. Bei fortgeschrittenem Befund findet sich eine Außendrehstellung des Beines mit Verkürzung. Bei der Untersuchung fällt charakteristischerweise eine verminderte Bewegungsfähigkeit der Hüfte auf. Durch die Röntgenuntersuchung, wie auch mit CT- und MRT-Untersuchung kann die Diagnose aufgrund des Nachweises der Dislokation des Hüftkopfes nach dorsal und kaudal gestellt werden. Das Ziel der Therapie ist, das Abrutschen der Epiphyse zu verhindern und die eventuelle Deformität zu beseitigen. Meist ist eine operative Fixierung mittels Drähten oder zentralen Schrauben nötig, die aber das Längenwachstum nicht behindern dürfen. Bei frühzeitiger Entdeckung ohne wesentliche Dislokation ist die Prognose der Epiphysenlösung gut.
Die Verwechslung einer gutartigen Hypermobilität aufgrund der damit einhergehenden Gelenksschmerzen mit einer entzündlichen Arthritis ist wahrscheinlich eine der häufigsten Fehldiagnosen bei schmerzhaften Erkrankungen des muskuloskelettalen Systems im Kindesalter. Das Hypermobilitätssyndrom kommt in 25–50 % gesunder Kinder unter 10 Jahren vor. Mit dem Alter nimmt die Häufigkeit ab. Eine Reihe von Kriterien können die Diagnose einer generellen Hypermobilität unterstützen:
Viele Kinder mit hypermobiler Symptomatologie weisen nicht alle, aber doch einige dieser Kriterien auf. Gelenksschmerzen treten meist erst am Nachmittag oder nach Beendigung körperlicher Betätigung auf. Es kommt meist zu wiederkehrenden tiefen Schmerzen in den Knien, Füßen oder Sprunggelenken. Bei Kindern, die Klavier oder Violine spielen, können auch die Finger betroffen sein. Körperliche Aktivität oder Training lösen die Schmerzen aus oder verstärken sie. Entzündungszeichen im Labor können nicht nachgewiesen werden. Manchmal wird eine Morgensteifigkeit über einige Minuten berichtet, Jugendliche klagen auch öfter über Rückenschmerzen. Hypermobilität bei älteren Kindern ist häufiger bei Mädchen anzutreffen. Obwohl angeborene Stoffwechselerkrankungen, wie das Ehlers- Danlos-Syndrom, ebenfalls durch Hypermobilität der Gelenke auffallen, wird bei einem Großteil der Kinder mit benigner Hypermobilität keinerlei Abnormalität nachgewiesen, und es ist auch nicht evident, dass die benigne Hypermobilität zu degenerativen Arthritiden im späteren Leben prädisponiert. Es sollte auf keinen Fall dazu Anlass geben, die Kinder nicht am täglichen Leben teilnehmen zu lassen. Die Kinder sollten allen normalen Aktivitäten nachgehen, die sie durchführen möchten, einschließlich Sport oder das Spielen von Instrumenten. Differenzialdiagnostisch muss auch an das Vorliegen eines Ehlers- Danlos-Syndroms, eines Marfan-Syndroms und einer Osteogenesis imperfecta gedacht werden. Auch Kinder mit Trisomie 21, Williams-Syndrom und Homozystinurie fallen durch Hypermobilität auf.
Auch andere, zum Teil bösartige Erkrankungen, die Anlass zur sofortigen diagnostischen Abklärung geben, können teilweise als erstes Krankheitssymptom eine Arthralgie oder Arthritis aufweisen, bevor die anderen, mehr krankheitstypischen Symptome zur Diagnose führen. Dazu zählen:
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