Ernährung ist lebensnotwendig – aber für den Menschen eben mehr als nur Nahrungsaufnahme. Wie wir uns ernähren und was wir regelmäßig essen, wird von etlichen Faktoren wie Traditionen, familiären und religiösen Riten, von Beschäftigung mit dem Thema, aber auch von Erfahrungen wie Hunger, erlebter Entbehrung etc. und nicht zuletzt ökonomischen und sozialen Aspekten bestimmt.
Ernährung spielt in Gesundheit wie in Krankheit eine Rolle, so auch bei einigen rheumatischen Erkrankungen. Die Beschäftigung mit Ernährung und ihrem Einfluss auf Gesundheit und Wohlbefinden bietet – abseits des möglichen positiven Effektes auf die rheumatische Erkrankung und begleitende internistische Komorbiditäten – die Chance, den Patienten in Krankheitsverarbeitung und Therapiekonzepte besser einzubinden und ihn vor allem informiert einen aktiven Part und mehr Eigenverantwortung für seine Besserung übernehmen zu lassen. Wie schwierig es aber oft ist, Änderungen im Essverhalten zu bewirken, fasst ein Zitat der US-amerikanischen Ethnologin Margaret Mead zusammen: „It’s easier to change a man’s religion than to change his diet.“
Übergewicht per se hat einen negativen Einfluss auf Osteoarthritis (OA), vor allem an den Gelenken der unteren Extremität – aufgrund der übermäßigen unphysiologischen mechanischen Belastung. OA-Patienten profitieren hinsichtlich Schmerz, muskulärem Zustand und Lebensqualität von einem aktiven Bewegungsverhalten und sollten dazu angehalten werden.1 Es konnte gezeigt werden, dass Gewichtsverlust durch Diät und/oder Training zu einer Abnahme proinflammatorischer Zytokine (CRP; TNF-a, IL-6) und der Makrophagenanzahl führt, ein Effekt, der durch bariatrische Chirurgie imitierbar ist.2, 3 Auch die OA der kleinen Fingergelenke tritt z. B. häufiger bei Über- als bei Normalgewichtigen auf. Antioxidanzien wie z. B. Curcumin, Avocado-Soja-Unverseifbare (Syn.: Unsaponifiables) und andere Substanzen wie z. B. Boswellia (Weihrauch) sollen sich generell positiv auf OA auswirken; Studien dazu sind allerdings rar – ebenso wie für Nahrungsergänzungsmittel wie Katzenkralle (Uncaria tomentosa), Präparate aus der Dreiflügelfrucht (Tripterygium wilfordii Hook) und Hopfen (Humulus lupus) u. a.4
Bei Fibromyalgiesyndrom (FMS) wird ebenfalls zu Gewichtskontrolle geraten, weil sich Übergewicht generell negativ auf Schmerz, Fatigue (krankheitsbedingte Müdigkeit), Schlafstörungen und Stimmungsschwankungen auswirkt. Die verfügbaren Studien zu FMS und Diät weisen nur einen geringen Evidenzgrad auf. Verbesserungspotenzial durch Diät scheint für Fatigue, Schlafqualität, Depression und Ängstlichkeit, Lebensqualität und gastrointestinale Symptome möglich – mit den vorläufig besten Ergebnissen für hypokalorische und vegetarische (Rohkost-)Diät bzw. eine Ernährung mit Restriktion von Mono-und Oligosacchariden, Alkohol und Polyolen (Zuckeraustauschstoffen).5 FMS-Patienten sollten auch bestimmte Nahrungsmittel, die sog. Excitotoxine enthalten (z. B. in Glutamat, Aspartam, Cystein etc.), möglichst reduzieren bzw. meiden; aufgrund der erhöhten Rate an Gluten- und Non-Zöliakie-Gluten-Sensitivität bei diesen Patienten spricht einiges für eine glutenfreie Kost. Nicht zuletzt leiden gerade diese oft schmerzbedingt zurückgezogen lebenden Patienten häufig an einem Vitamin-D-Mangel, welcher substituiert werden sollte.
Patienten mit Psoriasisarthritis (PsA) sollte zum Erreichen und zum Halten von Normalgewicht geraten werden, weil man mittlerweile weiß, dass gerade bei dieser Patientengruppe Übergewicht das Therapieansprechen negativ beeinflusst. Gewichtsabnahme wird bei PsA in den Therapieempfehlungen der Fachgesellschaften mit dem hohen Evidenzgrad Ib empfohlen.6 Unter Nahrungsmittel-Supplementen scheinen bei Psoriasis vulgaris und PsA Fischölsupplemente und Vitamin D einen Benefit zu bringen.7
Die rheumatoide Arthritis (RA) gehört wie andere Autoimmunerkrankungen (z. B. Asthma bronchiale), kardiovaskuläre und neurologische Erkrankungen, Diabetes mellitus, Adipositas oder Malignome zu jenen Erkrankungen, bei denen es im Körper zu einer chronisch schwelenden Entzündung, einer sog. „silent inflammation“ kommt.8–11 Diese löst oxidativen Stress aus und führt in weiterer Folge u. a. zu endothelialer Dysfunktion, gestörter Barrierefunktion des Darmes und Gewebeentzündung. Umweltfaktoren wie Infektionen, Umweltverschmutzung, „westlicher Lebensstil“ etc., psychologischer Stress und auch die Ernährung befördern diesen Prozess. Eine Möglichkeit, um dieser chronischen Entzündung entgegenzusteuern, ist die Zufuhr mehrfach ungesättigter Fettsäuren (FS) („poly-unsaturated fatty acids“ = PUFAs) und hier vor allem der Omega-3-FS. So sollte das Verhältnis von Omega-6- zu Omega-3-FS max. 4–5 : 1 betragen. Dadurch ließen sich in Studien eine Reduktion von Entzündungsmediatoren im Serum und eine verbesserte Barrierefunktion der Darmschleimhaut erzielen. Ein hoher Prozentsatz an PUFAs ist z. B. in Olivenöl und vor allem in fetten Fischen wie Lachs oder Makrele enthalten. Das erklärt (abseits des Einflusses von Gemüse und Salat) die positiven Effekte der sogenannten „mediterranen Diät“ bei der RA. Auch wenn die Evidenz der verfügbaren Studien – wie bei vielen Ernährungsthemen – nicht hoch ist, wird, dann diese Diät bei Patienten mit einem chronisch entzündlichen Zustand empfohlen.12 Dieser positive Effekt kann bereits in frühen Krankheitsstadien beobachtet werden.13 Bis dato ergab sich allerdings kein Hinweis auf einen präventiven Effekt.
In einer Metaanalyse wurde der Effekt von Fischöl-Supplementen nicht nur auf RA, sondern auch auf Osteoarthritis (OA) und andere entzündliche Gelenkserkrankungen mit hohem Evidenzgrad untersucht: Fischöle können arthritisassoziierten Schmerz reduzieren, am stärksten bei der RA; bei OA ist dieser Effekt ebenfalls zu beobachten, allerdings nicht so ausgeprägt – außer bei begleitender entzündlicher Komponente.14 Die Zugabe von Nachtkerzenöl scheint den Effekt von PUVAs bei RA zu verstärken, sprich Entzündung, oxidativen Stress und Krankheitsaktivität zu reduzieren.15
Das bei RA bereits durch die Grundkrankheit an sich erhöhte kardiovaskuläre Risiko kann durch diese diätetischen Maßnahmen ebenfalls positiv beeinflusst werden. Zu ergänzen ist, dass es aber nicht nur die Diät, sondern auch ein gesünderer Lebensstil mit regelmäßiger aerober Bewegung und psychischem Wohlbefinden, gekennzeichnet z. B. durch gute Schlafqualität, ist, der für den Benefit unerlässlich ist.16
Coffein entfaltet in hohen Dosen eine starke hemmende Wirkung auf die Aktivität von Zytokinen und Gene in Zusammenhang mit Autoimmunerkrankungen wie z. B. der RA.17 Das führte zur Untersuchung vom Zusammenhang zwischen Kaffeekonsum und RA. Bei heterogener Studienlage hat sich Kaffee als bedingt negativ auf die Entwicklung einer RA herausgestellt, speziell bei Seropositivität.18–21 Teekonsum scheint neutral hinsichtlich RA zu sein.21 Einige Studien sprechen dafür, dass Alkoholkonsum dosisabhängig (sprich moderater Alkoholgenuss) präventiv für die Entwicklung einer RA ist.22, 23
Nikotin ist mittlerweile ein deklarierter Risikofaktor für die Entwicklung einer RA und wird von der EULAR als der wichtigste Risikofaktor für eine RA unter allen Umweltfaktoren bezeichnet.24
Unter den Spurenelementen ist es vor allem Zink, das bei RA-Patienten oft erniedrigt ist. Zink hat keinen Speicher im Körper, sondern muss regelmäßig zugeführt werden; es hat multiple Funktionen (Stabilisierung von Zellmembranen, Immunfunktionen, Zellatmung, Proteinsynthese, Wundheilung und vieles mehr, wie z. B. die Beteiligung an der Bildung von >-300-Enzymen). Unser Immunsystem ist hyperproliferativ und deswegen sehr anfällig für eine Zinkdefizienz, die zu chronischer Entzündung prädisponiert.25
Seit einigen Jahren steht das Mikrobiom im Fokus der Ernährungsforschung, das mit der Pathogenese und dem Verlauf etlicher Erkrankungen in Zusammenhang gebracht wird. Für die RA wird u. a. ein Zusammenhang mit Keimen der Mundflora (v. a. Porphyromonas gingivalis) und des Gastrointestinaltraktes (z. B. Prevotella spp) postuliert.26 Auch wenn RA mit einer Dysbiose des Mikrobioms assoziiert wird, konnte ein kausaler Zusammenhang bis dato (noch) nicht nachgewiesen werden.27 Das Mikrobiom ist leicht beeinflussbar durch Medikamente (z. B. Antibiotika), bestimmte Nahrungsmittel, Diäten oder Ortswechsel. Probiotika haben einen nachgewiesenen vorübergehenden Effekt auf das Mikrobiom; inwiefern auch nachhaltige Beeinflussungen des Mikrobioms möglich sind, ist Gegenstand aktueller Forschung.28 Eine positive Beeinflussung von Arthritiden, OA, Osteoporose, Sarkopenie, „frailty“ (Gebrechlichkeit) etc. wird durch vielversprechende Studienergebnisse gestützt.29
Bei Osteoporose und Osteopenie ist auf einen ausreichenden Vitamin-D-Spiegel, unter Substitution von 25-OH-Vitamin-D (800–1.000 IE täglich), und ausreichende Calciumzufuhr (1.000 mg täglich, Kinder je nach Alter bis zu 1.200 mg täglich) zu achten (gemäß den D-A-CH–Empfehlungen).30 Calcium ist in tierischen Nahrungsmitteln wie z. B. Milch und Milchprodukten (unabhängig vom Fettgehalt) besser verfügbar als in pflanzlichen Quellen. Eine Alternative zu Calcium in Nahrung oder Tablettenform ist die Zufuhr über calciumreiche Mineralwässer. Ein ausreichend substituierter Calcium-und Vitamin-D-Spiegel ist auch die Voraussetzung vor einer Medikation mit Bisphosphonaten oder Parathormon. Eine prophylaktische Vitamin-D-Zufuhr über 800 IE täglich scheint gemäß rezenten Daten bei gesunden Individuen (ohne Osteoporose) keinen Mehrwert für die Knochendichte zu haben.31
Gicht- und Hyperurikämie-Patienten profitieren von einer Diätoptimierung, auch wenn dies allein eine medikamentöse Therapie in den meisten Fällen nicht ersetzt. Durch Diät kann eine Senkung des Harnsäure-(HS-)Spiegels um max. 1,2 mg/dl bzw. ca. 18 % erreicht werden. Gewichtszunahme führt zu einem Anstieg, Gewichtsabnahme zu einem Abfall des HS-Spiegels. Generell sollte Normalgewicht (langsam, d. h. max. 1–2 kg/Monat) angestrebt und gehalten werden; ausreichende Flüssigkeitszufuhr ist essenziell. Der Arbeitskreis für Osteoarthritis und Kristallarthropathien der Österreichischen Gesellschaft für Rheumatologie und Rehabilitation (ÖGR) hat 2014 Ernährungsempfehlungen – unter Angabe von Literatur und Evidenz – für Ärzte und Patienten verfasst. Diese sind mittlerweile in 11 Sprachen übersetzt und sowohl als „hard copy“ in Form eines Abrissblocks kostenfrei erhältlich als auch über die ÖGR-Website downloadbar. Demnach sind tierische purinreiche Nahrungsmittel (v. a. rotes Fleisch, Meeresfrüchte und Krustentiere) zu meiden, ebenso wie fructosereiches Obst, Fruchtsäfte und Alkohol, an erster Stelle Bier, gefolgt von Spirituosen und Wein. Forciert werden sollten alle Arten von Gemüse und wenig Fructose enthaltende Obstsorten, Vitamin C und bis zu drei Tassen Kaffee täglich.32 Konkordant dazu konnte der HS-senkende (fettreduzierte Milchprodukte, Käse, Vollkornbrot, Margarine, Obst, Erdnüsse, Müsli, Eier) bzw. HS-steigernde (Alkohol, rotes Fleisch, Soft Drinks, Geflügel, Kartoffeln) Einfluss gewisser Nahrungsmittel auch bei gesunden Probanden kaukasischer Ethnie (ohne Diagnose einer Gicht) bestätigt werden.33 Allerdings wurde bei dieser gesunden Normalbevölkerung kein signifikanter Einfluss einer Diät auf den Serum-HS-Spiegel nachgewiesen, sehr wohl aber eine genetische Beeinflussung der Serum-HS. Mittlerweile ist gesichert, dass das kardiovaskuläre Risiko sowie die Morbidität und Mortalität von Gichtpatienten erhöht ist; auch unter diesem Aspekt profitieren diese Patienten jedenfalls von einer Beschäftigung mit dem Thema gesunde Ernährung und von einer Diätoptimierung und Körpergewichtsnormalisierung.