Immunsuppression erhöht bei Patienten mit chronischer Hepatitis B das Risiko für die Reaktivierung der HBV-Infektion beträchtlich. Besonders vorsichtig muss dabei im Falle einer Therapie mit Rituximab oder Alemtuzumab vorgegangen werden. Aber auch bei Therapie mit TNF-α-Antagonisten wurden bereits schwere HBV-Reaktivierungen beschrieben. Einzelne Fälle von Reaktivierung wurden sogar mit anderen, weniger immunsuppressiv wirkenden DMARD beschrieben. Es kommt dabei unter Therapie mit diesen Substanzen zu einem massiven und zunächst auch asymptomatischen Anstieg des Virustiters im Patienten. Erst als Folge der Immunrekonstitution nach Ende der Therapie kommt es dann zu einer entsprechenden antiviralen Immunreaktion mit oft massiver Destruktion infizierter Hepatozyten. Auch wenn diese Reaktion grundsätzlich die Viruselimination bewirken kann, so hat sie oft eine akute bis fulminante Hepatitis zur Folge, welche bis zum akuten Leberversagen fortschreiten kann.
Mit einer adäquaten prophylaktischen oralen antiviralen Therapie lassen sich Folgen und Komplikationen der HBV-Reaktivierung wie ein asymptomatischer Anstieg des HBV-DNA-Titers, akute Hepatitiden, akutes Leberversagen und eine Verzögerung oder eine Dosisreduktion der immunsuppressiven Therapie vermeiden.
Risikofaktoren für eine HBV-Reaktivierung sind in Tabelle 1 dargestellt. Das Risiko einer Reaktivierung ist abhängig vom Ausmaß der Immunsuppression und kann bis zu 75 % betragen. Abgesehen von der Knochenmarktransplantation ist das Risiko bei Therapie mit Rituximab besonders hoch. TNF-α-Antagonisten haben ein wesentlich geringeres Reaktivierungsrisiko, schwere Hepatitisverläufe sind vor allem bei aktiver Hepatitis beschrieben worden. Im klinischen Alltag besteht bei folgenden Patienten aufgrund einer Immunsuppression ein erhöhtes Risiko für eine Reaktivierung der HBV-Infektion:
Die Inzidenz der HBV-Reaktivierung unter Therapie mit konventionellen Immunsuppressiva oder Biologika ist nicht genau bekannt.
Das Management von immunsupprimierten Patienten mit chronischer Hepatitis B wird im Konsensus 2008 der Österreichischen Gesellschaft für Gastroenterologie und Hepatologie (ÖGGH) dargestellt. Die Empfehlungen zur Verhinderung einer HBV-Reaktivierung richten sich nach der Ausgangslage.
HbsAg-positive Patienten mit Ausnahme von Patienten nach KMT (siehe unten) erhalten bei einem
Mit der Prophylaxe sollte spätestens 7 Tage vor Start der immunsuppressiven Therapie begonnen werden. Die Behandlungsdauer der Prophylaxe richtet sich nach dem HBV-DNA-Titer vor Immunsuppression. Bei einem
HBcAk-positive/HBsAg-negative Patienten: Bei diesen Patienten ist die Gefahr der HBV-Reaktivierung gering, aber vorhanden. Eine generelle Prophylaxe wird bei dieser Konstellation (mit Ausnahme von Patienten nach KMT) nicht empfohlen. Alle HBsAg-negativen Patienten sollten aber zumindest geimpft werden. Wird keine Prophylaxe durchgeführt, so ist eine engmaschige Kontrolle von HbsAg und HBV-DNA im dreimonatigen Intervall während der Immunsuppression/Chemotherapie angezeigt. Bei Reaktivierung ist eine entsprechende HBV-Therapie indiziert.
Patienten nach Organtransplantation: Bei HbsAg-positiven Patienten, die sich einer Organtransplantation (außer Lebertransplantation) unterziehen müssen, besteht die Indikation zu einer Nukleos(tid)-Prophylaxe bzw. -Therapie ab Transplantation als Dauertherapie.
Bei Patienten nach Lebertransplantation ist wegen der hohen Reinfektionsrate mit sehr negativer Auswirkung auf das Organ- und Patientenüberleben eine Kombinationstherapie mit Anti-HBs-Immunglobulin (HBIg) und einen Nukleos(tid)-Analogon indiziert. Bei niedriger Viruslast und fehlender Resistenz kann hier grundsätzlich auch noch Lamivudin angewandt werden (es gibt die meisten Daten für LAM), bei hoher Viruslast (> 2-mal 106 IU/ml) sollte jedoch ein Nukleos(tid)-Analogon mit höherer antiviraler Potenz und geringerer Resistenzrate angewandt werden. Obwohl ein Absetzen von HBIg nach 6 oder 12 Monaten nicht generell empfohlen wird, so kann dies vermutlich v. a. bei Patienten mit günstigem Risikoprofil grundsätzlich in Erwägung gezogen werden.
Bei HBcAk-positiven (mit oder ohne HBsAk) Patienten (außer Lebertransplantation) ist eine Prophylaxe nicht unbedingt indiziert, da die Reaktivierungsrate nur bei rund 3 % liegt. Empfohlen sind allerdings regelmäßige Kontrollen des HBV-DNA-Titers im Abstand von 3 Monaten.
Bei isoliert HBcAk-positiven Spendern ist das Risiko einer HBV-Infektion bei Transplantation mit Ausnahme der Lebertransplantation mit < 5 % gering. Daher gibt es keine generelle Empfehlung für eine Prophylaxe, wohl aber für regelmäßige Kontrollen von HBsAg und HBV-DNA im Abstand von drei Monaten.
Eine Ausnahme bildet die Lebertransplantation, da hier das Risiko für eine HBV-Infektion bei HBcAk-positiven Spendern bei 30–100 % liegt. Für Patienten nach Lebertransplantation gibt es keine kontrollierten Studiendaten, eine Kombinationstherapie aus HBIg und LAM funktionierte jedoch in mehreren kleinen Serien gut. Falls HBcAk und HBsAk positiv sind, so ist auch eine alleinige LAM-Prophylaxe ausreichend.
Therapie: Zur Therapie der HBV-Infektion aktuell zugelassen sind Lamivudin, Adefovir, Entecavir, Telbivudin und Tenofovir. Emtricitabin ist zwar gegen HBV wirksam, aber nur gegen HIV zugelassen.
Zur initialen Therapie der chronischen Hepatitis B werden die Nukleos(tid)-Analoga Entecavir und Tenofovir, mit gewissen Einschränkungen auch Telbivudin empfohlen.
Prophylaxe: Grundsätzlich kann jedes Nukleos(tid)-Analogon zur Prophylaxe eingesetzt werden. Eine entsprechende Datenlage in Form von prospektiven, retrospektiven und Case-Control-Studien ist nur für Lamivudin vorhanden. Alle Studien weisen eine zuverlässige Wirkung von Lamivudin nach, in keiner der publizierten Untersuchungen traten behandlungsassoziierte Todesfälle auf.
Gemäß ÖGGH-Konsensus 2008 ist Lamivudin nur noch in der Prophylaxe bei Immunsuppression/Chemo/Tx Therapiestandard.
Bei Auftreten von Resistenzen sollte wie bei Resistenzen im Rahmen der Standardtherapie der chronischen Hepatitis B vorgegangen werden.
Bei der chronischen Hepatitis C gilt zumindest die hochdosierte Steroidtherapie als Auslöser für einen deutlichen Anstieg des Virustiters und in der Folge mitunter auch für einen hepatitischen Schub. Daten dazu gibt es vor allem aus dem Post-Lebertransplantations-Setting, allerdings werden solche Fälle auch als Folge von Steroidtherapien in anderen Indikationen beobachtet.
Zum Risiko einer Biologikatherapie bei chronischer Hepatitis C gibt es Daten vor allem zu TNF-α-Blockern und Rituximab. In einem systematischen Review von 37 Publikationen, die insgesamt 153 Patienten umfassten, zeigte sich nur in einem Fall eine sicher durch das Biologikum bedingte Verschlechterung der HCV-assoziierten Lebererkrankung, in fünf anderen Fällen war der Zusammenhang fraglich. Das Risiko einer HCV-assoziierten Aggravierung der Lebererkrankung unter Biologika dürfte also – bei Fehlen kontrollierter Studien – als akzeptabel zu bezeichnen sein. Eine Ausnahme bilden Antithymozytenglobulin (ATG) sowie der Anti-CD3-Antikörper OKT3 – im weiteren Sinne ebenfalls Biologika –, die hauptsächlich bei Patienten nach Lebertransplantation angewandt werden und deren Anwendung zu einem erhöhten Risiko des Transplantatverlusts durch HCV-Reaktivierung führt.
Eine prophylaktische Therapie von Patienten mit chronischer Hepatitis C und geplanter Biologika-Therapie wird derzeit nicht empfohlen und ist auch praktisch kaum möglich. Allerdings werden die derzeit entwickelten interferonfreien Therapieregime vermutlich auch bei der chronischen Hepatitis C eine prophylaktische Therapie in der Zukunft möglich machen, was dann mitunter in individuellen Fällen zu einer Neubewertung des Vorgehens führen könnte.