Chronische Entzündungen finden sich häufig in Form von Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises. Dieser umfasst Krankheitsbilder wie die rheumatoide Arthritis (RA), die ankylosierende Spondylitis oder den systemischen Lupus erythematodes. In klinischen Studien konnte nachgewiesen werden, dass ein erhöhtes Risiko für Osteoporose und Frakturen bei diesen autoimmunologisch bedingten Erkrankungen besteht.1, 5 Die Krankheitsaktivität scheint hierbei mit dem Ausmaß der Knochenschädigung zu korrelieren.1
Die im Folgenden dargestellten Faktoren spielen für den engen Zusammenhang zwischen Entzündung und Knochenschwund eine maßgebliche Rolle:
Auf Zytokinebene zeigte sich hierbei, dass die im Zuge der Entzündung vermehrte proinflammatorische Aktivierung eine der pathophysiologischen Hauptursachen der Knochenschädigung darstellt.2, 3 Als wichtigste Vertreter im osteologischen Kontext konnten hierbei Tumornekrosefaktor-(TNF-)α und Interleukin-(IL-)6 identifiziert werden.2, 3 Durch deren Interaktion mit den zellulären Elementen des Knochens kommt es sowohl zu einer vermehrten osteoklastären Knochenresorption als auch zu einer Hemmung der Osteoblastenaktivität. Folgen dieser Dysbalance sind neben lokalen Prozessen, die u.a. Destruktionen mit subchondralem Knochenverlust und gelenksnaher Osteopenie umfassen, auch systemische Knochenstrukturdefekte mit Rarefizierung des trabekulären Knochens sowie kortikale Porosität im Sinne einer generalisierten Osteoporose.7 Dieser Effekt scheint sich am stärksten am proximalen Femur zu manifestieren, einer ohnehin bereits typischen Prädilektionsstelle osteoporotischer Frakturen.5, 19 Strukturelle Veränderungen im Sinne einer Osteoporose treten hierbei bereits in der Frühphase chronisch entzündlicher Erkrankungen auf.5 Am Beispiel der RA konnte bereits zum Zeitpunkt der Diagnose bei 25 % der Betroffenen eine erniedrigte Knochendichte nachgewiesen werden.13 Auch die bei RA vorkommenden Antikörper gegen citrullinierte Proteine (ACPA) konnten als relevante pathophysiologische Faktoren identifiziert werden, nachdem eine direkte Stimulation auf Osteoklasten nachgewiesen werden konnte. Dabei korrelierte die Höhe der Antikörper mit der Osteoklastenaktivität.4 Zudem konnte bei ACPA-positiven PatientInnen noch vor Auftreten klinischer Symptome eine bereits verringerte Knochendichte nachgewiesen werden.
Therapeutische Interventionen von chronisch entzündlichen Erkrankungen sind meist langfristig und umfassen neben Glukokortikoiden auch Basistherapeutika wie Methotrexat oder Biologika, die in die proinflammatorische Zytokinaktivität eingreifen. TNF-α und IL-6 sind dabei häufige Angriffspunkte der Therapien. Da eine erhöhte Knochenresorption durch TNF-α nachgewiesen wurde, wurde diesem Zytokin bereits eine wichtige Rolle in der postmenopausalen Osteoporose zugeschrieben.9 Eine TNF-α-Blockade, wie sie u. a. bei Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis oft verwendet wird, weist aufgrund eines verminderten Knochenabbaus somit einen knochenprotektiven Effekt auf.10 Anfangs nur im Tiermodell, konnte dieser Effekt auch beim Menschen bereits gezeigt werden; Evidenz hinsichtlich Reduktion des Frakturrisikos gibt es jedoch noch nicht.5 IL-6 erfüllt eine weitere Schlüsselrolle der proinflammatorischen Zytokine: Es stimuliert mittels Induktion des „Receptor Activator of NF-κB Ligand“ (RANKL) ebenso die Osteoklastenaktivität. Die Datenlage hinsichtlich Auswirkungen der zur Therapie autoimmunologischer Erkrankungen oft angewandten IL-6-Blockade ist jedoch überschaubar und deutet, ähnlich der TNF-α-Blockade, auf eine Knochenprotektion aufgrund eines vermehrten Knochenanbaus sowie reduzierter Knochenresorption hin.5, 12 Der Einfluss auf das Frakturrisiko ist Gegenstand zukünftiger Untersuchungen.
Ein Knochenmasseverlust mit erhöhtem Frakturrisiko durch eine Glukokortikoidtherapie, die bei entzündlichen Erkrankungen oft und teils auch langfristig Anwendung findet, ist eine seit langem bekannte unerwünschte Wirkung und die häufigste Ursache einer sekundären Osteoporose.15 Diese Nebenwirkung ist prinzipiell dosisabhängig: So liegt die Frakturinzidenzrate für eine Prednisondosis < 1 mg täglich bei 5/1.000 PatientInnenjahren, während diese bei > 15 mg täglich auf über 16/1.000 PatientInnenjahre steigt.14, 15 Nach Absetzen einer Glukokortikoidtherapie reduziert sich das Frakturrisiko allmählich und ist nach einem Jahr wieder vergleichbar mit einem knochenmetabolischen Zustand wie vor Beginn der Glukokortikoideinnahme.14
Interessanterweise – jedoch mit spärlicher Evidenz – gibt es Hinweise, dass im Falle einer chronisch entzündlichen Erkrankung dieser negative Effekt auf den Knochenstoffwechsel bei niedriger Dosis stärker ausgeprägt ist, da bei höherer Dosis der protektive Effekt durch verstärkte Hemmung der Krankheitsaktivität dem knochenschädigenden Effekt überwiegt.5 Auf eine Glukokortikoidtherapie aufgrund eines begleitenden Knochenmasseverlustes jedoch zu verzichten, ist nicht gerechtfertigt, da die Remission einer chronisch entzündlichen Erkrankung zu einer Stabilisierung und sogar Verbesserung der Knochenmasse führen kann.6
Die im Rahmen chronisch entzündlicher Erkrankungen, insbesondere des rheumatischen Formenkreises, auftretenden Gelenkdestruktionen und daraus resultierenden Schmerzen führen häufig zu reduzierter Bewegung bis hin zur Immobilität, welche aufgrund eines fehlenden mechanischen Stimulus in einem reduzierten Knochenaufbau und dadurch in einem Knochenmineralverlust resultiert.20 Der Nutzen einer gezielten regelmäßigen körperlichen Aktivierung oder adäquaten Physiotherapie ist gut belegt, wird jedoch im therapeutischen Spektrum oft nicht ausreichend beachtet.21
Das Fracture Risk Assessment Tool (FRAX) ist ein computergestützter Algorithmus zur Abschätzung des individuellen Frakturrisikos. Aufgrund zahlreicher Studien, welche eine Assoziation zwischen chronisch entzündlichen Erkrankungen und erhöhtem Frakturrisiko belegen, wurde die RA als binäre Variable (Vorhandensein oder Absenz) bereits in die Berechnung des FRAX miteinbezogen.8 Nicht berücksichtigt werden jedoch dabei Faktoren wie Dauer der Krankheitsaktivität, angewandte Therapien (ausgenommen laufende Glukokortikoidtherapie als eigenständiger Risikofaktor) oder Dauer der Remission.
HR-pQCT. In einigen Zentren steht die „high-resolution peripheral quantitative computed tomography“ (HR-pQCT) zur Verfügung, welche nicht invasiv die Mikroarchitektur des Knochens darstellt. Ergebnisse einiger Studien zeigen einen Zusammenhang zwischen mit RA assoziierten vorkommenden Knochenerosionen und lokalem sowie systemischem Verlust von Knochenmineraldichte, sodass die HR-pQCT als diagnostische Ergänzung sowie Verlaufsbeurteilung bei RA herangezogen werden kann.17 Eine gelenknahe Osteopenie/-porose ist oft bereits vor Auftreten von Knochenerosionen nachweisbar und stellt meist die erste radiologisch fassbare Veränderung dar.18
Zusammenfassend findet sich ein verzweigter Zusammenhang zwischen chronisch entzündlichen Erkrankungen und Osteoporose im Rahmen eines multifaktoriellen Krankheitsgeschehens. Das optimale osteologische Management sowie die optimale Therapie bei chronisch entzündlichen Erkrankungen sind derzeit noch nicht ausreichend etabliert, unterscheidet sich aber generell nicht von Maßnahmen, welche bei Osteoporosen anderer Genese angewandt werden können. Das wichtigste Ziel bleibt die Vermeidung osteoporotischer Frakturen, welche mit erhöhter Morbi-Mortalität assoziiert sind.16 Um im Zuge einer osteologischen Abklärung das Frakturrisiko nicht zu unterschätzen, wird gemäß Empfehlungen des Dachverbandes Osteologie (DVO) das Vorliegen einer RA als eigenständiger Risikofaktor angesehen. Ein hohes Maß an Aufmerksamkeit bei PatientInnen mit chronisch entzündlichen Erkrankungen ist essenziell, um bei dieser Population frühzeitig eine adäquate knochenprotektive Therapie einleiten zu können.