Trotz verbesserter konservativer Therapiemöglichkeiten sind Operationen bei Arthritispatienten keine Seltenheit. Somit stellt sich im klinischen Alltag regelmäßig die Frage, wie mit der antirheumatischen Therapie im Falle eines elektiven Eingriffes umgegangen werden soll.
Prinzipiell sollte man sich darüber klar sein, dass Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) a priori ein erhöhtes perioperatives Infektionsrisiko haben. In einer Studie von Bongartz et al.1 lag die Hazard Ratio für eine Protheseninfektion bei der Implantation von Hüft- oder Knieendoprothesen bei 4 (im Vergleich zu Arthrosepatienten).
Naturgemäß stellt sich die Frage, ob antirheumatische Medikamente das perioperative Infektionsrisiko erhöhen können bzw. gehäuft zu Wundheilungsstörungen führen.2–4 Allerdings kann ein Aussetzen der Medikation durchaus auch mit Nachteilen verbunden sein. So kann es eher zu einer Schubsymptomatik der Grunderkrankung kommen, die dann erst recht wieder mit antirheumatischen Medikamenten behandelt werden muss. Zudem kann die postoperative Rehabilitation eingeschränkt sein.5, 6
Insbesondere die zunehmende Verbreitung der Biologika mag heutzutage eine Herausforderung darstellen, welches Vorgehen – Pause oder doch nicht? – nun das beste sei. Zwar sind – in absoluten Zahlen gesprochen – postoperative Infektionen seltene Ereignisse, allerdings im Einzelfall gravierend. Sehr große Studien wären nötig, um definitiv klären zu können, wie mit der antirheumatischen Therapie perioperativ umzugehen sei. Allerdings ist es fraglich, ob solche Studien jemals durchgeführt werden.7 Das Ausstehen entsprechender Daten verhindert allerdings nicht, dass der Kliniker sich mit dieser Problematik in seinem Alltag auseinandersetzen und Entscheidung treffen muss. Im Folgenden werden Optionen aufgezeigt, wie aus heutiger Sicht vernünftigerweise mit der antirheumatischen Therapie perioperativ umgegangen werden kann.
Methotrexat (MTX) ist heutzutage das zentrale Basistherapeutikum. Mehrere, überwiegend kleine und retrospektive Studien haben den perioperativen Stellenwert von MTX untersucht. Fasst man die Ergebnisse dieser Studien zusammen, so kommt man zum Schluss, dass in der Regel die perioperative Weitergabe von MTX sinnvoll ist. Ungeklärt ist allerdings, ob dies auch für Patienten mit multiplen Komorbiditäten oder hohen MTX-Dosen gilt. Postoperativ muss auf die Nierenfunktion geachtet werden. Sollte es zu einem postoperativen Nierenversagen kommen, so ist MTX jedenfalls zu pausieren.8
Leflunomid. Das Pausieren von Leflunomid ist auf Grund der langen Halbwertszeit des aktiven Metaboliten in der Praxis nur schwer suffizient durchführbar. Das perioperative Infektionsrisiko unter laufender Leflunomid-Therapie ist unklar: Ein erhöhtes Infektionsrisiko steht im Raum, ist aber unbewiesen. Auf Grund der erwähnten langen Halbwertszeit setzen wir die Therapie perioperativ fort. Eine Auswaschtherapie wäre eine Option, wenn die Sorge hinsichtlich perioperativer Komplikationen überwiegt.
Sulfasalazin (SSZ). Für den perioperativen Einsatz von Sulfasalazin (SSZ) gibt es kaum Daten. Wir setzen die Medikation lediglich am Operationstag aus.
Hydroxychloroquin scheint perioperativ sicher zu sein. Auf Grund eines milden gerinnungshemmenden Effektes wurde die Substanz vor Jahrzehnten zum Teil zur postoperativen Thromboseprophylaxe eingesetzt. Von einer erhöhten Rate an Blutungskomplikationen wurde nicht berichtet.5
Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) haben bekanntlich einen gerinnungshemmenden Effekt. Sollte dieser zwingend vermieden werden, so müsste die Substanz präoperativ 4–5-mal die Halbwertszeit pausiert werden. Allerdings werden NSAR auch bewusst perioperativ eingesetzt, z. B. zur Vermeidung ektoper Ossifikationen bei der Implantation von Hüfttotalendoprothesen. Azetylsalizylsäure (ASS) wird in der Regel nicht in antiinflammatorischen Dosen verabreicht. Allerdings ist die Substanz bei RA-Patienten, die vermehrt kardiovaskuläre Erkrankungen aufweisen, keine Seltenheit. Soll der Effekt von ASS zum Operationszeitpunkt abgeklungen sein, so ist die Substanz zumindest 10 Tage zuvor abzusetzen. Zu bedenken bleibt, dass ein perioperatives Absetzen von ASS das relative Risiko für ein postoperatives kardiales Event auf 1,8 erhöht. Insbesonders relevant ist dies beim Einsatz von ASS in der Sekundärprophylaxe9. Die Diskussion über das beste perioperative Management von ASS ist im Fluss.
Glukokortikoide. Bekannt ist, dass es im Rahmen einer Therapie mit Glukokortikoiden zu einer Nebennierenrindeninsuffizienz kommen kann. In den 1950er-Jahren traten erste Bericht über zuvor mit Steroiden behandelte Patienten auf, die postoperativ auf Grund eines iatrogenen Kortisonentzuges mit folgendem irreversiblem zirkulatorischen Schock verstarben.10, 11 Obwohl Steroide das postoperative Infektionsrisiko erhöhen, sollte im klinischen Alltag nicht darauf vergessen werden, dass Patienten mit einer dauerhaften Kortisontherapie unter Umständen nicht adäquat auf den operativen Stress reagieren können.12 Eine kurzfristige Steroidsubstitution kann daher erforderlich sein. Dieser Punkt sollte nicht zuletzt deshalb hervorgehoben werden, da im klinischen Alltag nicht selten bei Patienten mit Stresssituationen (Operation, schwerer Infekt etc.) reflexartig das Steroid abgesetzt wird.
Biologika. Die größten Unsicherheiten bestehen sicherlich hinsichtlich des Vorgehens bei Patienten, die mit Biologika behandelt werden. Ein Blick in die Fachinformation hilft hier wenig weiter. In einem systematischen Review wurden 14 Reports gefunden, die das Infektionsrisiko bei Patienten, die mit TNF-Blockern behandelt wurden, analysierten. Mit einer Ausnahme waren alle diese Studien retrospektiv angelegt. Fünf Reports wurden lediglich als Abstracts publiziert. Im Design unterschieden sich die Studien: 6 Studien verglichen Patienten mit einer TNF-Blocker-Therapie mit Patienten, die diese Therapie nicht erhielten. 3 Studien untersuchten den Effekt einer perioperativen TNF-Blocker-Pause. 3 Studien hatten jeweils drei Gruppen, die beide der oben erwähnten Analysen enthielten. Die in den Studien eingeschlossenen Patienten waren fast ausschließlich RA-Patienten. Meist handelte es sich bei den Operationen um orthopädische Eingriffe. Es ist festzuhalten, dass die Studien sehr heterogen waren. Zusammengefasst fand sich bei 4 der 14 Studien ein erhöhtes Infektionsrisiko bei Patienten unter einer Therapie mit TNF Blockern. Allerdings waren dies allesamt Studien, die Patienten mit TNF-Blockern mit solchen Patienten verglichen, die keine TNF-Blocker-Therapie erhielten. Keine der anderen Studien fand ein erhöhtes Infektionsrisiko in Zusammenhang mit TNF-Blockern. Soweit beurteilbar haben mit TNF-Blockern behandelte Patienten somit eine Neigung zu gehäuften postoperativen Infektionen als Patienten ohne diese Therapie. Das Pausieren hingegen dürfte an der Infektionsrate wenig ändern.13
Eine kleine, retrospektive Studie untersuchte den perioperativen Einfluss von Tocilizumab (TOC). Die Autoren kamen zum Schluss, dass Operationen unter einer laufenden Therapie mit TOC sicher zu sein scheinen. Es wurde darauf hingewiesen, dass postoperativ TOC-behandelte Patienten seltener Fieber hatten und einen abgeflachten postoperativen CRP-Verlauf zeigten. Dies ist bei der Interpretation von möglichen postoperativen Infektionen zu beachten.14
Die British Society for Rheumatology schreibt: „… balancing the risks of postoperative infections against the risk of a peri-operative flare. If treatment is stopped, consideration should be given to stopping at a point before surgery that is 3 to 5 times the half-life of the drug … Treatment should not be restarted after surgery until there is good wound healing and no evidence of infection.“15
Das American College of Rheumatology (ACR) empfiehlt: „… biologic agents not be administered during the perioperative period, for at least 1 week prior to and 1 week after surgery. The pharmacokinetic properties of the drug used and the type of surgery should be taken into account …“16
Die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie empfiehlt, Biologika präoperativ 2-mal die Halbwertszeit auszusetzen.17
Diese Empfehlungen sind relativ heterogen und spiegeln die zugrundeliegenden Unsicherheiten wider. Den publizierten Daten folgend, die sicherlich gewisse Unsicherheiten bestehen lassen, erscheint es mir bis zum Vorliegen weiterer Studienergebnissen vernünftig zu sein, eine elektive OP ans Intervallende der Biologikatherapie zu setzen und präoperativ eine „Extrawoche“ Pause anzuhängen. Diese „Extrawoche“ ist sicherlich nicht wissenschaftlich belegt, ist aber nicht unvernünftig. Der Wiederbeginn der Therapie sollte bei abgeschlossener Wundheilung (in der Regel ca. 1 Woche postoperativ) erfolgen. Dieses Vorgehen deckt sich im Wesentlichen mit den ACR-Empfehlungen.