In Ländern der industrialisierten Welt mit gutem Arztzugang und breiter antibiotischer Therapie ist rheumatisches Fieber deutlich seltener geworden.
Im frühen 20. Jahrhundert erkrankten 100–200 von 100.000 Amerikanern an rheumatischem Fieber, diese Rate sank kontinuierlich auf 0,5–3 auf 100.000 Amerikaner und wird nun in industrialisierten Ländern mit gutem Zugang zu Antibiotika mit weniger als 2 auf 100.000 Einwohner angenommen. Weniger als 2–3 % der Menschen entwickeln nach einer Streptokokkeninfektion ein rheumatisches Fieber, es gibt kein experimentelles Modell für die Genese der Erkrankung.
Das rheumatische Fieber ist eine Streptokokken-Folgekrankheit, die einer Gruppe-A-Streptokokkeninfektion der Serotypen M3 und M18 nachfolgt. Zugrunde liegt eine immunologisch ausgelöste Vaskulitis, die im Rahmen einer Streptokokkeninfektion entsteht – meist, wenn diese nicht antibiotisch behandelt worden ist. Eine Reaktion gegen ein Peptidoglykan der Zellwand und ein Polysaccharid der Zellwand führt zu Arthritis und Knoten der Haut. Eine Reaktion gegen ein Polysaccharid und ein Glykopeptid der Mitralklappe führt zu Karditis. Aus der Streptokokkenwand heraus ragt ein M-Protein, das spezifische Antigen der Streptokokken. Einige Epitope des M-Proteins kreuzreagieren mit menschlichem Myokard, Myosin und Gehirngewebsbestandteilen. In den Geweben stimulieren sie auch unspezifisch die zellmediierte Immunität. An der Gewebeentzündung sind zelluläre und humorale Mechanismen beteiligt.
Die Neigung zu rheumatischem Fieber wird genetisch weitergegeben, tritt also familiär gehäuft auf und ist mit verschiedenen HLA-Klasse-II-Antigenen assoziiert.1
Das rheumatische Fieber wird nach den Jones-Kriterien diagnostiziert. Die Hauptkriterien sind Karditis, wandernde Arthritis, Chorea minor, Erythema marginatum und subkutane Knötchen – die beiden letzten Symptome sind im Kindes- und Jugendalter sehr selten. Nebenkriterien sind Fieber, Arthralgien, verlängertes PR-Intervall im EKG, erhöhte BSG und erhöhtes CRP sowie der Nachweis einer rezenten Streptokokkeninfektion durch hohe oder steigende Streptokokkenantikörper, dem evtl. noch positiven Streptokokkennachweis im Abstrich und die Tatsache eines evtl. vorhergegangenen rheumatischen Schubes. Hinzu kommt die Frage nach einer positiven Familienanamnese.
Das häufigste Jones-Major-Kriterium in unseren Breiten bei Erstauftreten ist eine Arthritis, die durch Rötung und hohe Entzündungsbefunde den Verdacht auf eine eitrige Arthritis nahelegen kann, die auszuschließen ist. Damit im Verein oder später bei neuerlichem Schub entsteht häufig eine Karditis.
Typischerweise ist die Arthritis springend, vor allem bei zurückhaltendem Einsatz von nichtsteroidalen Antirheumatika. Sie spricht sehr gut auf Azetylsalizylsäure in hohen Dosen an. Die Gelenkbeteiligung klingt meist nach 2–3 Wochen ab.
Wichtig ist die Verhütung der Karditis, und so gilt weltweit nach Diagnose eines rheumatischen Fiebers eine Sekundärprävention neuer Schübe durch Gabe von Depotpenicillinen oder durch orale tägliche Penicillingaben nach erfolgter Streptokokkeneradikation durch orale Penicillintherapie. Bei kardialer Beteiligung sollten Depotpenicilline bevorzugt werden. Als Alternative werden Sulfadiazin und Makrolide angegeben. Makrolide können mit einer Verlängerung des QT-Intervalls einhergehen und sollten nach Möglichkeit nicht mit Inhibitoren von Cytochrom P450 verabreicht werden (z. B. Azole, HIV-Protease-Inhibitoren, einige selektive Serotonin-Reuptake-Hemmer).
Regelmäßige Herzultraschalluntersuchungen im Verlauf erlauben den Rückschluss auf vorliegende oder stattgehabte Karditis.
Die Prophylaxe wird – ohne stattgehabte Herzbeteiligung – über 5 Jahre oder bis zum 21. Lebensjahr – je nachdem was von beiden länger dauert – durchgeführt.
Nach durchgemachter Herzbeteiligung wird eine lebenslange Prophylaxe oder eine Prophylaxe bis ins Erwachsenenalter angestrebt. Bei persistierender Klappenerkrankung wird eine Prophylaxe von 10 Jahren Dauer oder bis zum 40. Lebensjahr mit anschließender neuerlicher Evaluierung und Diskussion vorgeschlagen.2 In Fällen mit guter Compliance der Patienten, ohne stattgehabte Herzbeteiligung und hoher weiterbestehender Vigilanz bei Krankheitszeichen, kann eventuell gemeinsam mit Patienten und Eltern die Dauer der Prophylaxe reduziert werden.
In Ländern mit nicht gutem Arztzugang, schlechten Ernährungsbedingungen und geringem Zugang zu Antibiotika ist das rheumatische Fieber neben angeborenen Herzerkrankungen eine Erkrankung mit hoher Rate an Herzbeteiligung und auch an Todesfällen durch Karditis. Obwohl in unseren Breiten seltener, sehen wir sowohl Kinder aus dem Süden und Osten Europas als auch in Österreich geborene Kinder, die an einem rheumatischen Fieber mit Herzbeteiligung erkranken. Unklar zu diesem Zeitpunkt ist darüber hinaus, ob vor Kurzem gelockerte Kriterien der Endokarditisprophylaxe zukünftig zu höheren Karditisraten führen werden. Einige Zentren nähern sich daher diesen gelockerten Kriterien nur allmählich. Betrachtet man den Verlauf der Herzerkrankung mit möglicher Todesfolge bei Pankarditis und den Verlauf der möglichen Klappenstenosen, so ist auch in unseren Breiten weiterhin Wachsamkeit zur Diagnose eines rheumatischen Fiebers mit anschließender Eradikation und Sekundärprophylaxe gefragt.