Behandlung der Arthrose der großen Gelenke aus orthopädischer Sicht: Wenn Tabletten versagen…

Während die symptomlose Arthrose eine Domäne der sportorthopädischen Beratung ist, führt der allmählich einsetzende Schmerz den Patienten in die Arztpraxis. Nach mehreren Wochen Einnahme von NSAR stellt sich wegen der zu erwartenden Nebenwirkungen die Frage nach weiteren Behandlungsoptionen.

Die konservative Therapie der Arthrose

Lebensstilmodifikation, Bewegung, Physiotherapie. Grund pfeiler jeder Arthrosetherapie sollte eine entsprechende Lebensstiladaption sein. Eine Gewichtsoptimierung scheint selbstverständlich, stellt meist aber das größte Hindernis dar. Aus unzähligen Untersuchungen ist auch der positive Einfluss der Bewegung auf den Knorpel bekannt (Salter 2004). Sportliche Aktivität ist maßgeblich für die Erhaltung der Gelenkfunktion verantwortlich, einzig die Verletzungsanfälligkeit muss dabei vermindert werden. Ebenso hat sich neben rein physikalischen Maßnahmen vor allem die Physiotherapie als wirksam erwiesen (Fransen 2001). Hier können mit einfachsten Mitteln die Beweglichkeit des Gelenkes verbessert, Schwellungen und Schmerzen reduziert werden. Orthesen. Im Bereich der unteren Extremitäten kommen orthopädisch häufig Orthesen und Einlagen zum Einsatz.
Orthesen werden einerseits zur Gelenksführung und Stabilisierung aber auch zur Beinachsenlenkung verwendet. Orthesen mit speziellen Pelottensystemen können ein primär varisches Bein leicht valgisieren (Brouwer, 2005). Ein ähnliches Prinzip sollten sich auch Einlagen mit Pronationsleisten und Schuhaußenranderhöhungen zu Nutze machen. Allerdings sind deren Effekte nicht unumstritten (Bennell, 2011).

Slow Acting Drugs in Osteoarthritis

Neben diesen klassischen Therapien werden auch sog. Slow Acting Drugs in Osteoarthritis (SADOA) ins Spiel gebracht. Deren uneingeschränkte symptom- und strukturmodifizierenden Wirkungen müssen hinterfragt und im Einzelnen beurteilt werden.
Chondroitinsulfat (CS) wird mehrfach aus Rindertracheen oder Haifischknorpel gewonnen. Die Resorptionsfähigkeit im GI-Trakt ist unterschiedlich und bei Rindertracheaprodukten höher. Ursprünglich wurde CS auch krankheitsmodifizierende Wirkungen im Sinne eines verlangsamten Abbaus von Knorpel nachgesagt. Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es allerdings keinen schlüssigen Beweis dafür, nicht zuletzt auch deshalb, weil die vielen Studien, die die Knorpeldicke anhand von posttherapeutischen Nativröntgen feststellten, methodische Fehler hatten. Nichtsdestotrotz wurden präklinisch antiphlogistische Wirkungen festgestellt. Die klinischen Daten sind allerdings widersprüchlich, so liegen Metaanalysen mit Nachweis über positive Effekte vor (Leeb, 2000), ebenso eine aktuelle Pilotstudie (Wildi, 2011), die eine im MRT gemessene Verlangsamung des Knorpelabbaus zeigte. Allerdings sah eine rezente Untersuchung mit Einschluss von mehr als 1.500 Personen die Wirkung von CS nur minimal besser als Placebo (Clegg, 2006 + 2008). Auch konnte eine aktuelle Metaanalyse (Wandel, 2010) keinen wesentlichen Therapieeffekt beschreiben. Eine endgültige Aussage über die Wirksamkeit dieses Wirkstoffes kann noch nicht getätigt werden. Die fehlenden Nebenwirkungen lassen aber den Einsatz von CS aus Rindertracheen bei Knorpelschäden bedingt sinnvoll erscheinen, insbesondere auch, wenn man an die hohen Raten von fatalen Komplikationen bei NSAR denkt.

Glucosamin. Ähnlich wie bei Chondroitinsulfat werden auch Glucosamin struktur- und symptommodifizierende Effekte nach gesagt. In rezenten Metaanalysen konnten aber diese Wirkungen nicht bestätigt werden (Towheed, 2009; Wandel, 2010), auch Kombinationspräparate CS/Glucosamin sind einen Beweis ihrer Wirkung noch schuldig. Lediglich für Glucosaminsulfat konnte in älteren Vergleichsstudien ein geringer klinischer Effekt gezeigt werden.

Diacerein. In präklinischen Studien führt Diacerein zu einer Kollagenase- und IL-1-Hemmung. Als abführendes Pflanzenprodukt kann es aber auch unangenehme Durchfälle verursachen. Die leicht schmerzstillende Wirkung von Diacerein ist bei Arthrosen klinisch gut dokumentiert, es verfügt auch über einen Cross-over-Effekt, das heißt, seine Wirkung hält auch noch bis drei Monate nach Absetzen an (Fidelix, 2009; Rintelen, 2006).

Phytopharmaka. Die Gruppe der Phytopharmaka umfasst Pflanzenstoffe, deren Wirkung noch nicht gänzlich geklärt ist, wie z. B. Weidenrindenextrakte, wilde Hagebutte und unverseifbare Soja- und Avocadoöle. Die höchste Evidenz für die Wirksamkeit liegt für die unverseifbaren Soja- und Avocadoöle vor (Little, 2009). Bei mehrwöchiger Einnahme dieses de facto nebenwirkungslosen Mittels konnte der Analgetikabedarf signifikant reduziert werden. Bei vielen anderen Stoffen ist die Datenlage aus großen Studien noch viel zu dünn, bei einigen liegt keine einzige seriöse Untersuchung vor.

Kortisoninfiltrationen direkt ins Gelenk haben bei Arthrosen einen nachgewiesen stark schmerzstillenden und entzündungshemmenden Effekt (Bellamy, 2006). Die Wirkung hält bis zu drei Wochen an. Aufgrund der Nebenwirkungen ist eine Dauertherapie nicht zu empfehlen. Das Haupteinsatzgebiet der Kortisoninfiltrationen ist deshalb die akute, aktivierte Arthrose, bei der eine rasche Beendigung des Reizzustandes gewünscht wird. Ebenfalls können damit begleitende Enthesiopathien gut behandelt werden,

Intraartikuläre Hyaluronsäure (HA) war hinsichtlich ihrer klinischen Wirkung immer umstritten. 2005 wurde von einer österreichischen Gruppe eine Metaanalyse vorgestellt, die einen reinen Placeboeffekt der HA aufzeigte (Arrich, 2005). Sowohl Ärzte als auch Patienten waren danach stark verunsichert und die HA wurde als nicht wirksam abgetan.
2006 wurde dann als bisher unabhängigste Stellungnahme eine 76 Studien umfassende Metaanalyse der Cochrane-Datenbank vorgestellt. Dabei wurde eine Wirksamkeit der HATherapie gegenüber Placebo festgestellt. Im Vergleich zu Kortisoninjektionen war die Wirkung der HA ähnlich, mit einem deutlich sicheren Nebenwirkungsprofil. Außerdem hielt der Crossover-Effekt durchschnittlich bis 3 Monate nach Therapieende an. Aufgrund der Datenlage konnte keine Empfehlung für ein bestimmtes Produkt gegeben werde. Tendenziell war der Therapieeffekt umso größer, je niedriger der Schweregrad der Arthrose war. Prinzipiell sollte die HA nur bei symptomatischen Arthrosen intraartikulär angewendet werden. Eine Verwendung bei Enthesiopathien ist aufgrund des fehlenden Wirkungsnachweises nicht zu empfehlen.

Die operative Therapie der Arthrose

Biologische Verfahren wie Knorpelzelltransplantationen sind zum derzeitigen Zeitpunkt für die Behandlung von Arthrosen ungeeignet. Ihre Anwendung ist auf die Behandlung umschriebener Knorpeldefekte des jüngeren Patienten beschränkt.
Umstellungsosteotomien
. Bei Vorliegen einer Varusfehlstellung mit arthrotisch verändertem medialen aber unauffälligem lateralen Gelenkkompartiment sind bis etwa zum 60. Lebensjahr valgisierende Umstellungsosteotomien an der proximalen Tibia zu empfehlen. Durch diesen Eingriff verlagert sich bei korrekter Durchführung die Belastungslinie vom geschädigten medialen Kompartiment in Richtung des gesunden lateralen Kompartiments. Durchschnittlich wird eine Verzögerung der Notwendigkeit einer Endoprothesenversorgung von 10 Jahren erreicht (Trieb, 2003).

Teil- oder Totalendoprothesen. Bei Vorliegen von Arthrosen und frustraner konservativer Therapie ist die Implantation einer Endoprothese zu empfehlen. Es gibt keine Altersobergrenze, die Indikation ist dabei im Sinne einer Nutzen-Risiko- Rechnung für Patienten mehr von ihrem Allgemeinzustand und Zusatzerkrankungen abhängig. Endoprothesen werden für alle Gelenke angeboten, die Ergebnisse bei Knie- und Hüftendoprothesen sind dabei am längsten nachuntersucht. Nach 20 Jahren ist im Schnitt nur bei etwa 20 % der Patienten mit einer Revisionsoperation zu rechnen. Trotz der orthopädischen Routine bei Implantationen muss immer mit sehr seltenen, aber manchmal sehr schwerwiegenden Komplikationen und Folgen gerechnet werden. Streng muss auch die Indikation zu Teilprothesen wie Halbschlitten oder femoropatellarem Ersatz gestellt werden, da sonst mit hohen Revisionsraten gerechnet werden muss. In den letzten Jahren haben sich mehr und mehr minimal- bzw. weniginvasive Methoden etabliert. Der Benefit für Patienten ist bei muskelschonenden Techniken in der unmittelbaren postoperativen Zeit mehrmals aufgezeigt worden, allerdings scheint dieser Vorteil nach 6 Wochen wieder ausgeglichen.

Zusammenfassung

Für Patienten mit Arthrosen steht heute eine Fülle von konservativen Möglichkeiten zur Verfügung. Für jeden Patienten kann ein individuelles Schema zur Schmerzreduktion und Verbesserung der Mobilität führen. Vorzugsweise sollten Therapien mit einer höheren Evidenz Anwendung finden oder zumindest dem Patienten im Sinne einer ehrlichen Arzt-Patient-Beziehung erläutert werden, dass einzelne Produkte aus Therapeutenerfahrung gut wirken, auf größere Patientenkollektive umgelegt sich aber oftmals nicht mehr als ein Placeboeffekt nachweisen ließ. Bei Versagen der konservativen Therapie und entsprechender Beeinträchtigung der Lebensqualität sollte aufgrund der ausgezeichneten Langzeitergebnisse bei Cox- und Gonarthrosen mit der Indikation zur operativen Therapie nicht gezögert werden.