Wenn nun das Coronavirus-Drama alles überschattet, die gestern noch üblichen Alltagsbanalitäten zudeckt und uns peinlich vor Augen führt, wie relativ doch die meisten Probleme in Wahrheit sind, lohnt es sich doch, einen Blick auf die Ursachen von Versorgungsengpässen im pharmazeutischen Bereich zu werfen.
Verlagerung der Produktion von Wirkstoffen nach China und Indien: Freilich erleben wir gerade Engpässe der ganz anderen Art, die versorgungsrelevanter sind als die fehlende Verfügbarkeit so mancher Medikamente. Einerseits durch einen global erhöhten Bedarf an medizinischen Hygieneartikeln (Desinfektionsmittel, Schutzkleidung etc.), andererseits auch durch einen großen Produktionsausfall in einer Region Chinas, die den Weltmarkt (zu 80 %!) versorgt, erkennen wir Handlungsbedarf in der Steuerung vieler Prozesse, die in Krisenzeiten bedeutsam für unser medizinisches Versorgungssystem sind.
Versorgungssicherheit bei lebenswichtigen Medikamenten ist eine zentrale Aufgabe: Versorgungsgefährdende Exporte bereits importierter Medikamente werden oftmals als Begründung dafür genannt, dass immer mehr Präparate am heimischen Markt passager, manchmal sogar dauerhaft nicht verfügbar sind. Verschiebungen über Ländergrenzen zu anderen Märkten haben einzig und allein mit einem Preisgefälle zu tun und deren Urheber sind logischerweise jene, die marktübliche Preise nicht zulassen. Es ist, wenn man so will, durchaus verständlich, und dafür braucht es nicht viel betriebswirtschaftliches Fachwissen, dass Waren, die anderenorts bessere Preise erzielen, einen weiten Bogen um Österreich machen.
Faire Preise für generische Arzneimittel: Ein großes Problem stellen natürlich patentgeschützte Neuzulassungen dar, deren Preisgestaltung nur am Rande kontrolliert und gesteuert werden kann. Um diese teils überhöhten Marktpreise bezahlen zu können, findet der Preiskampf zwischen Sozialversicherung und Herstellern auf der Generika-Ebene statt.
Will man unter den gegebenen Umständen noch immer keine fairen Preise bezahlen, muss man wohl noch kräftiger in die Lenkung greifen und heimische Hersteller und Niederlassungen von Pharmafirmen behördlich verpflichten. Derzeit sind viele Maßnahmen angedacht und teilweise auch schon verordnet, wie zum Beispiel eine transparenzfördernde Meldepflicht von Lagerständen, Vertriebseinschränkungen und Produktionsausfällen. Die Offenlegung alleine brächte noch nichts, wenn nicht seitens einer kontrollbefugten Behörde auch ein Exportverbot verhängt werden könnte.
Konkurrenzfähige Produktion in Europa ermöglichen: Es bleibt abzuwarten, ob solche Lenkungsmaßnahmen funktionieren und ob am Ende des Tages nicht EU-weite Preisregelungen, die zu einem fairen Handel führen, vernünftiger wären.
Das tägliche Dilemma in der Praxis: In der Praxis fehlt einem zumeist der Überblick, welches Präparat aktuell nicht mehr verfügbar ist. Das führt zu unnötigen zeitverschwendenden Telefonaten mit Patientinnen und ApothekerInnen, zumal es bereits mehrere Hundert Präparate betreffen soll, und gar nicht so selten existieren auch keine Alternativen am Markt.
Es ist aus meiner Sicht nicht verständlich, warum PraxisbetreiberInnen diesen Beratungsmehraufwand nebst Verantwortung übernehmen sollen – wenigstens sollte die entsprechende Praxis-Arzneimittelsoftware (Medikationsliste und die tagesaktuelle Anzeige aller Spezialitäten mit Lieferunterbrechung und Verfügbarkeit) kostenlos zur Verfügung gestellt werden.
Mit kollegialen Grüßen, Dr. Michael Elnekheli