Sobald der Patentschutz von Originalpräparaten ausläuft, können die pharmakologisch-toxikologischen und klinischen Zulassungsdaten eines Originalpräparates von anderen Pharmaunternehmen für die Erzeugung und Zulassung eines Folgepräparates genutzt werden. Das gilt nicht nur für chemisch synthetisierte Substanzen (klassische Generika), sondern auch für Biologika, also komplexe Moleküle mit Protein- bzw. Glykoproteinstruktur, die biotechnologisch hergestellt werden.
Generika als Nachfolgepräparate von chemisch synthetisierten Arzneimitteln werden bereits breit eingesetzt, für ihre Zulassung ist lediglich der Nachweis der Bioäquivalenz gefordert; eigene klinische Studien zur Wirksamkeit oder zu den Nebenwirkungen sind dafür nicht Voraussetzung. Dies liegt daran, dass Wirkstoffe in generischen Produkten strukturell klar definiert und als identische Kopien der Originalsubstanz von dieser kaum zu unterscheiden sind. Da demnach auch eine idente Wirkung von Generikum und Originalpräparat postuliert wird, ist nur der Nachweis der Bioäquivalenz gefordert. Anders ist es bei den weit komplexeren Biosimilars, bei denen es sich definitionsgemäß um Arzneimittel handelt, die den Originalpräparaten, also den so genannten Biologika, ähnlich sind. Die Biologika werden in diesem Kontext als „Referenzarzneimittel“, im allgemeinen Sprachgebrauch auch als „Originalpräparate“ bezeichnet. Die in den USA gängige Bezeichnung für ein Biosimilar ist „follow- on biologic“, also Folgeprodukt eines Biologikums. Biologika – und damit auch Biosimilars – unterscheiden sich von chemischen Arzneimitteln unter anderem durch ihr großes Molekulargewicht und die Tatsache, dass sie aus einer eigenen Zelllinie entwickelt werden. Nicht nur der wirksame Bestandteil, sondern auch der Herstellungsprozess ist sehr komplex und heterogen. Daher ist es unmöglich, identische Kopien von biologischen Arzneimitteln herzustellen. Auch wenn verschiedene Hersteller ein und denselben biologischen Wirkstoff erzeugen, unterscheiden sich die Herstellungsprozesse. Die EMA hält in ihrer Leitlinie zu Biosimilars (CHMP/437/04) entsprechend fest, dass einerseits zwischen biologisch ähnlichen Arzneimitteln verschiedener Hersteller und andererseits dem Referenzarzneimittel (Biologikum) geringfügige Unterschiede bestehen können.
Für die Herstellung von Biosimilars gelten prinzipiell dieselben Qualitätsstandards wie für alle anderen gentechnologisch hergestellten Arzneimittel. Die Europäische Arzneimittelagentur EMA hat eigene Guidelines für die Zulassung von Biosimilars verabschiede (http://www.emea.eu.int/pdfs/human/biosimilar/0437 04en.pdf). Neben dem kompletten pharmazeutischen Dossier sowie den Details zum Herstellungsprozess und zu den Herstellungsanlagen wird auch die Vorlage der Ergebnisse von präklinischen und klinischen Vergleichsstudien gefordert. Damit müssen nicht nur die pharmazeutische Qualität des Arzneimittels, die präklinische Sicherheit und die pharmakologische Wirkung, sondern auch die klinische Wirksamkeit und Sicherheit belegt werden.
Besonderes Augenmerk liegt wie bei den Biologika auch bei Biosimilars auf der möglichen Immunogenität, da die Bildung von Antikörpern gegen das biologische Arzneimittel ein großes Risiko ist. Weil der Herstellungsprozess einen so wesentlichen Einfluss auf die Eigenschaften des Biosimilars hat, darf dieser im Verlauf der klinischen Prüfung und auch danach nicht ohne entsprechende Begründungen und nicht ohne Beleg bzgl. der klinischen Vergleichbarkeit verändert werden.
Informationen über die eingereichten Zulassungsdaten finden sich im Europäischen Bewertungsbericht (European Pub lic Assessment Report, EPAR) auf der EMA-Website. Dieser gibt einen Überblick über die Erkenntnisse aus den direkten Vergleichsstudien und dient dem Nachweis der Gleichwertigkeit mit den jeweiligen Referenzsubstanzen.
Die Sicherheit eines Biosimilars muss aber nicht nur im Rahmen des Zulassungsverfahrens durch präklinische und klinische Daten belegt werden, auch nach der Zulassung sind weitere Sicherheitsstudien verpflichtend vorgeschrieben; der entsprechende Pharmakovigilanzplan muss vor der Zulassung genehmigt sein. Das Monitoring beginnt gleich nach der Zulassung und fokussiert bei jedem Biosimilar in erster Linie auf immunologische Reaktionen.
Der Risk-Management-Plan enthält darüber hinaus für jedes Biosimilar speziell definierte Schwerpunkte, diese richten sich nach dem potenziellen Nebenwirkungsprofil, das sich von Substanz zu Substanz unterscheidet. Generell gelten für die Anwendung von Biosimilars dieselben spezifischen Sicherheitsvorkehrungen wie für das Referenzbiologikum.
Bei der Ersteinstellung können Biosimilars in gleicher Weise eingesetzt werden wie Originalpräparate, bei der Umstellung von einem Biologikum auf das entsprechende Biosimilar können eine Dosisumstellung oder ein geändertes Dosierintervall notwendig werden. Deshalb ist bei der Umstellung wie bei einer Neueinstellung vorzugehen
Der Vorteil von Biosimilars liegt allerdings nicht in einer zu erwartenden überlegenen Wirkung – bei Vergleich mit den Biologika –, sondern ist in erster Linie ökonomischer Natur; Biosimilars bieten wie Generika die Möglichkeit, Therapie – kosten einzusparen. Allerdings bedingen die umfangreichen Anforderungen von Seiten der EMA in Bezug auf präklinische und klinische Studien vor der Zulassung von Biosimilars von den Herstellern deutlich höhere Investitionen als von Generika- Herstellern. So liegen die Kosten für Forschung & Entwicklung pro Biosmiliar zischen 80 und 120 Mio. Euro und sind damit 10-fach höher als die Kosten für die Entwicklung eines klassischen Generikums. Weiters ist festzuhalten, dass bei traditionellen Arzneimitteln die Preise nach Ende der Patentlaufzeit auf das Niveau der Generikapreise fallen. Demgegenüber werden mit Biosimilars nur etwa 15 bis 30 % der Biologika-Kosten eingespart. Eine vom IGES-Institut in Berlin, dem größten privatwirtschaftlichen Forschungsund Beratungsunternehmen im Gesundheitswesen in Deutschland für Österreich erstellte Berechnung geht allerdings von einen Einsparungspotenzial bis zum Jahre 2020 von 850 Mio. Euro aus. Verantwortlich für diese erfreulichen ökonomischen Aspekte ist, dass im Jahre 2020 neben den derzeit auf dem Markt befindlichen Biologika mehr als 20 Biosimilars verfügbar sein werden. Relevant für die Onkologie werden neben den Biosimilars für Erythropoese-stimulierende Wirkstoffe und G-CSF auch Biosimilars von monoklonalen Antikörpern (z. B. Trastuzumab, Rituximab) sein, deren Patente in den kommenden Jahren ab laufen (2012 bzw. 2013). Allerdings müsste dazu der Marktanteil von Biosimilars in Österreich deutlich steigen, derzeit liegt er noch weit unter dem Niveau in Deutschland. Hier ist also auch heute schon durchaus Einsparungspotenzial gegeben.