Worauf die Zunahme von Fällen mit ungewollter Kinderlosigkeit zurückzuführen ist, ist zwar nicht völlig geklärt, es gibt aber einige Hinweise. Immer mehr Frauen verschieben ihre erste Schwangerschaft auf einen späteren Zeitpunkt im Leben, wobei die Ursachen dafür vielfältig sind: So spielt u. a. die Karriere in unserer Gesellschaft eine wichtige Rolle. Während früher eine 35-jährige Frau, die ihr erstes Kind bekommen hat, bereits als alte Erstgebärende bezeichnet wurde, ist eine späte Erstschwangerschaft heute absolut keine Seltenheit mehr. Diese Entwicklung ist nicht spezifisch für Österreich, sondern sie ist in allen Industrieländern zu beobachten. Weiters gibt es Hinweise, dass sich die Samenqualität der Männer generell verschlechtert hat.
Im Prinzip können aber nicht einzelne Faktoren als Ursache für die Zunahme von Infertilität und Sterilität verantwortlich gemacht werden, sondern die verschiedensten Lebensumstände, die gemeinsam eine spontane Konzeption erschweren. Das Bewusstsein der Bevölkerung wird nur langsam sensibel für diese Problematik. Insbesondere fehlt es an Aufklärungsarbeit. Derzeit sind wir im Bereich “Reproductive Health” jedenfalls mehr mit therapeutischen Maßnahmen beschäftigt als mit Prophylaxe.
Häufig wird die Frage nach geeigneten Nahrungsmitteln zur Verbesserung der Fertilität bei Frauen und Männern sehr gestellt. Die wissenschaftliche Datenlage in Bezug auf die Ernährung ist sehr bescheiden, eindeutig belegt ist jedoch die Auswirkung des Body Mass Index (BMI) auf die Reproduktion. Im Folgenden soll deshalb versucht werden, an Hand der vorliegenden wissenschaftlichen Daten den Einfluss des BMI auf die Reproduktion näher zu beleuchten.
Was versteht man unter BMI (Body Mass Index)? Der BMI ist eine Maßzahl für die Bewertung des Körpergewichtes in Relation zur Körpergröße und wird wie folgt berechnet: Körpermasse (in Kilogramm) dividiert durch das Quadrat der Körpergröße (in Meter).
Gemäß der Adipositas-Klassifikation der WHO (Tab.) weisen normalgewichtige Personen BMI-Werte zwischen 18,5 kg/m2 und 24,99 kg/m2 auf, bei einem BMI von mehr als 30 kg/m2 spricht man von Adipositas, Personen mit einem BMI unter 18,5 kg/m2 werden als untergewichtig definiert. Es ist allerdings zu beachten, dass der BMI lediglich einen groben Richtwert darstellt und nicht auf die Zusammensetzung von Körperfett und Muskeln eingeht. Im Übrigen ist der BMI alters- und geschlechtsspezifisch.
Tab.: WHO-Klassifikation von Unter-, Normal- und Übergewicht | |
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Klassifikation | BMI |
– starkes Untergewicht | <16,00 |
– mäßiges Untergewicht | 16,00-16,99 |
– leichtes Untergewicht | 17,00-18,49 |
Untergewicht | <18,50 |
Normalgewicht | 18,50-24,99 |
Übergewicht | ≥ 25,00 |
– Präadipositas | 25,00-29,99 |
– Adipositas Grad 1 | 30,00-34,99 |
– Adipositas Grad 2 | 35,00-39,99 |
– Adipositas Grad 3 | ≥ 40,00 |
Über- und Untergewicht mit ungewollter Kinderlosigkeit assoziiert: Es ist allgemein bekannt, dass Adipositas mit einer Reihe von gesundheitlichen Problemen wie beispielsweise Herz- Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, bestimmten Malignomen und Hypertonie assoziiert ist. Weniger bekannt ist allerdings die Tatsache, dass sowohl ein zu hoher wie auch ein zu niedriger BMI zu einer Beeinträchtigung der Fertilität führen können. Es konnte gezeigt werden, dass Frauen, die einen BMI von 25 aufweisen, eine längere TTC (Time To Conceive) haben als jene mit einem BMI zwischen 19 und 25. Die Ursache dafür ist in einem gestörten Hormonhaushalt und anovulatorischen Zyklen zu sehen.
Bei einer im Jahr 2004 durchgeführten Studie wurden insgesamt 2.112 schwangere Frauen nach ihrem Gewicht vor Eintritt der Konzeption befragt. Es zeigte sich, dass Frauen mit einem BMI von 25 ein relatives Risiko von 2,2 hatten, länger als 12 Monate auf den Eintritt einer Schwangerschaft zu warten, verglichen mit Frauen mit BMI zwischen 19 und 22.
Die Rolle von Übergewicht als negativer Faktor für die Konzeption wird vor allem an Hand der ART-Patientinnen noch deutlicher: Bei Sterilitäts-Patientinnen mit einem BMI von > 35, die sich einer IVF/ICSI-Therapie unterzogen hatten, betrug die Schwangerschaftsrate nur 50% verglichen mit der von normalgewichtigen Frauen.
Nach der Publikation der ersten wissenschaftlichen Arbeiten über die negative Auswirkung von Adipositas auf die Reproduktion wurde nach Möglichkeiten der Intervention gesucht. So wurden im Rahmen einer Studie 6 Monate lang 87 Frauen mit einem BMI von > 30, die zu einem großen Teil anovulatorische Zyklen aufwiesen, betreut. Diese Betreuung bestand aus “physical exercise”, Ernährungsberatung, aber auch psychologischer Unterstützung. Nach Ablauf der 6 Monate hatten die Frauen im Schnitt rund 10 Kilogramm abgenommen und 90% wiesen wieder spontane Zyklen auf; die Schwangerschaftsrate betrug 77% mit einer LBR (Life Birth Rate) von 76%. Andererseits haben jedoch auch ein Zuviel an Sport und körperlicher Aktivität negative Auswirkungen auf die Reproduktion. Dies betrifft nicht nur Profisportlerinnen, sondern auch Frauen, die z. B. im Fitnessstudio täglich ein sportliches Programm bis zur Erschöpfung betreiben. Auch sie sind häufiger mit Fertilitätsproblemen konfrontiert.
Zusammenfassung: Daten wissenschaftlicher Arbeiten belegen, dass der Lebensführung eine besondere Bedeutung auf die Reproduktion zukommt, vielfach auch in negativer Richtung. Für einige dieser Faktoren sind wir nicht verantwortlich, einige Gewohnheiten können wir aber ändern. In diesem Kontext bedeutend ist die Ernährung, wobei allerdings nicht restlos geklärt ist, welche Nahrungsmittel eine positive Wirkung auf die Fruchtbarkeit einer Frau oder das Spermiogramm eines Mannes haben. Wohl aber ist es eine Tatsache, dass ein BMI 30 (und somit das Ergebnis einer falschen Ernährung) die Fruchtbarkeit beeinträchtigen.
Wir GynäkologInnen haben als “Hausärzte der Frauen” die Aufgabe, auf diesem Gebiet Aufklärungsarbeit zu leisten. Insbesondere besteht die Verpflichtung, unsere Patientinnen zu informieren, dass eine falsche Ernährungsweise nicht nur Folgen für das kardiovaskuläre System und den Bewegungsapparat haben kann, sondern außerdem sowohl die spontane Konzeption als auch die Erfolgsaussichten einer IVF/ICSI-Therapie nachhaltig beeinträchtigt.
Literatur beim Verfasser