Schmerz ist eines der häufigsten Symptome einer gynäkologischen Erkrankung. Ist der Schmerz akut, so findet sich meist im Rahmen der gynäkologischen Untersuchung eine erkennbare und therapierbare Ursache. Kolpitis, Adnexitis, Abszess und (stielgedrehte) Ovarialzyste lassen sich durch Analgetika, Antibiotika und Laparoskopie meist rasch klären und therapieren. Schmerzen aufgrund neoplastischer Prozesse sind langwieriger, aber meist durch tumorspezifische Therapie und umfangreiche Analgesie kontrollierbar. Epidemiologische Studien haben gezeigt, dass bis zu 20 % aller Frauen von chronischen Schmerzsyndromen betroffen sind. Als Begleitsymptom bzw. Erkrankungen finden sich häufig Dyspareunie, Reizblase, chronische Rückenschmerzen, Kopfschmerzen, Fibromyalgie, Reizdarmsyndrom und Depression. Typisch für die chronischen Schmerzsyndrome ist, dass die Stärke der Beschwerden in keiner Korrelation zum klinischen Befund steht.
Chronische Schmerzen im Unterbauch können generalisiert oder lokalisiert sein, treten im Zusammenhang mit dem Mens – truationszyklus, Geschlechtsverkehr oder Stressfaktoren auf, oder können auch konstant ohne offensichtliche Auslöser vorhanden sein. Die Schmerzsymptomatik kann mit zunehmender Intensität zu Einschränkungen in verschiedenen Bereichen des Alltages bis hin zur Berufsunfähigkeit führen. Bei der Entstehung dieses Krankheitsbildes wirkt eine Reihe von Faktoren zusammen. Organisch können Unterbauchschmerzen ihren Ursprung im Urogenitaltrakt, Gastrointestinaltrakt oder Bewegungstrakt haben. Im Rahmen der gynäkologischen Abklärung zeigen sich Endometriose, Uterusmyome, Ovarialzysten, Adhäsionen, Varikosis der Beckenvenen oder – sehr häufig – ein unauffälliger Befund.
Diagnostik: Eine ausführliche Anamnese der Beschwerdesymptomatik (Tab.), der meist langwierigen Krankengeschichte und der subjektiven Krankheitstheorie ist wesentlich. Die Verwendung einer Schmerzskizze bzw. gezielte Fragen nach weiteren Schmerzsyndromen (z. B. Kopf- und Rückenschmerzen) sind sinnvoll. Nach Aufbau einer tragfähigen Arzt-Patientin- Beziehung können eine ausführliche Sexualanamnese sowie Fragen über Gewalterfahrungen oder Substanzabusus erfolgen.
Eine genaue gynäkologische Untersuchung inklusive Speculauntersuchung und vaginale Infektions abstriche sollten ein grundsätzlicher Bestandteil der Diagnostik sein. Bei der pelvinen Palpation ist eine genaue Untersuchung von Schmerzpunkten (Triggerpunkte) mit Ausstrahlung und Evaluierung eventueller Narbengebiete wichtig. Der Tonus der Beckenbodenmuskulatur sollte bestimmt werden, da sowohl ein hypotoner als auch ein hypertoner Beckenboden Schmerzauslöser sein können. Laborchemische Untersuchungen (Leukozyten, CRP, Urinstatus) dienen dem Ausschluss entzündlicher Prozesse.
Eine vaginale Sonografie gehört zur gynäkologischen Basisuntersuchung, ist jedoch für die ätiologische Abklärung oft wenig hilfreich. Diagnostizierte Befunde (Myome, Ovarialzysten) müssen bezüglich ihrer Bedeutung für die Schmerzgenese kritisch hinterfragt werden. Computertomografie, Kernspintomografie bleiben speziellen Fragestellungen vorbehalten und spielen in der Routinediagnostik keine Rolle.
Da die klinische Untersuchung und Symptomatik selten auf eine definitive Ätiologie hinweisen, wird häufig eine diagnostische laparoskopische Untersuchung durchgeführt. Dies kann wichtig für die Dokumentation sein und dient meist auch der „Beruhigung“ von Patientin und Arzt. Ein weiterer Vorteil dieser Untersuchung ist die Möglichkeit, beim Vorliegen von pathologischen Befunden (z. B. Endometriose, Adhäsionen, Zysten) in derselben Sitzung auch die operative Therapie durchzuführen. Die Literatur zeigt jedoch, dass auch in diesen
Therapie: Die Einbeziehung des biopsychosozialen Modells ist für die Diagnostik und Therapie wesentlich. Im Gespräch mit der Patientin kann die Bedeutung der einzelnen biologischen, psychologischen und sozialen Faktoren für die Entstehung der Beschwerden analysiert werden. Darauf aufbauend kann ein multimodales Therapiekonzept erarbeitet werden, das medikamentöse, operative, physikalische und psychologische Therapien beinhalten kann. Das Ausmaß der Beschwerden kann eine vorübergehende an – algetische Therapie notwendig machen. Zum Einsatz kommen nicht-steroidale Analgetika, Paracetamol, Metamizol sowie in schweren Fällen Morphinderivate. Es liegen jedoch keine kontrollierten Studien zur Wirksamkeit dieser Substanzgruppen bei chronischen Unterbauchschmerzen vor, und eine langfris – tige Therapie sollte vermieden werden.
In der Behandlung der CPP können Antidepressiva hilfreich sein, vor allem bei Komorbidität mit Angst und Depression, Somatisierungsstörung und Überlagerung durch psychische Faktoren. Signifikante Schmerzreduktionen unter Amitryptilin und Gabapentin konnten in Studien gezeigt werden.
Endometriose-assoziierte Beschwerden können durch eine hormonelle Therapie positiv beeinflusst werden. Durch die Unterdrückung der ovariellen Funktion durch GnRH-Analoga oder Antikonzeptiva kann eine Regression von Endometrioseimplantaten erreicht werden. Die Applikation eines Levonorgestrelfreisetzenden IUPs kann die Schmerzsymptomatik ebenfalls günstig beeinflussen.
Bei Kinderwunsch und starker Beschwerdesymptomatik ist die möglichst komplette chirurgische Entfernung der Endometrioseherde die Therapie der Wahl.
Zu den operativen Therapien der chronischen Unterbauchschmerzen zählen unter anderem die Adhäsiolyse und Hysterektomie. Die ätiologische Bedeutung von Adhäsionen sowie der therapeutische Effekt einer laparoskopischen Adhäsiolyse werden jedoch sehr kontoversiell beurteilt. Eine Hysterektomie ist nur bei deutlichen Organveränderungen – wie zum Beispiel Deszensus, symptomatischem Uterus myomatosus oder Adenomyosis uteri – erfolgversprechend.
Ein wesentlicher Bestandteil der Therapie ist eine physiotherapeutische Behandlung. Intra- und extrapelvine Triggerpunkt – massage, Beckenbodenstärkung und Entspannung mittels Biofeedback können langfristige Besserungen erzielen. Bei hypertonem Be ckenboden können lokale Injektionen mit Botulinumtoxin eine deutliche Schmerzreduktion bewirken. Akupunktur, TENS und andere komplementäre Therapien können ebenfalls hilfreich sein. Wenn die klinische Repräsentation der Schmerzsymptomatik mit den erhobenen Befunden nicht übereinstimmt, sollte eine psychologische Betreuung erfolgen. Dies sollte zu einem Zeitpunkt erfolgen, bevor die Patientin durch wiederholte diagnos – tische Eingriffe und Therapieversuche auf die organische Genese der Problematik fixiert ist. Wenn die Behandlung über einen längeren Zeitraum organmedizinisch determiniert ist, stößt das Angebot, psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen, von Seiten der Patientin meist auf Ablehnung. Um das zu verhindern, sollten Patientinnen bereits in der Diagnostikphase informiert werden, dass für die Behandlung dieser komp – lexen Symptomatik unterschiedliche Spezialisten erforderlich sind.
Unter Vulvodynie versteht man Schmerzen im Bereich der Vulva bzw. Vagina, die durch infektiöse, entzündliche, neoplas tische oder neurologische Ursachen nicht erklärt werden können. Auch hier ist die Diskrepanz zwischen unauffälligem Untersuchungsbefund und Stärke der Beschwerden typisch. Aufgrund des geringen Bekanntheitsgrades dieser Erkrankung haben die betroffenen Frauen meist eine lange Krankheitsgeschichte mit zahlreichen topischen – und zum Teil selbstindizierten – Medikationen hinter sich.
Diagnostik: Die Diagnose erfolgt in erster Linie klinisch: Das Ves tibulum vaginae ist diffus gerötet oder auch optisch unauffällig, zeigt jedoch meist eine erhöhte Sensibilität bzw. Schmerzen bei leichter Berührung. Zum differenzialdiagnostischen Ausschluss von vulvären Schmerzen anderer Genese (z. B. vulväre intraepitheliale Neoplasie, Lichen sclerosus) ist eine Stanzbiopsie hilfreich. Klinisch können zwei Formen der Vulvodynie unterschieden werden: Bei der nicht-provozierten oder auch dysästhetischen Vulvodynie sind die Schmerzen konstant ohne bestimmte Auslöser und treten diffus im Bereich der gesamten Scheide auf. Bei der provozierten Vulvodynie oder auch Vestibulodynie sind die Beschwerden auf den Introitus begrenzt und treten nur bei Druck und Berührung auf.
Eine umfangreiche Anamnese ist auch hier bereits der erste Schritt zur Therapie. Besonderes Augenmerk sollte auf die Intimhygiene gelegt werden, da durch zu häufiges Waschen und Verwendung von Cremen eine zunehmende Reizung und Sensibilisierung der Vaginalschleimhaut erfolgen kann. Eine – am besten schriftliche – Aufklärung über richtige Intimhygiene und das Weglassen aller verwendeten topischen Substanzen kann schon eine erste Besserung erzielen. Die Verwendung einer hypoallergen fetthaltigen Pflegesalbe wirkt sich meist günstig aus.
Therapie: Die Therapie dieses komplexen Krankheitsbildes erfolgt ebenfalls idealerweise multimodal, und eine Kombination aus medikamentöser, physikalischer, psychologischer und eventuell operativer Therapie ist am erfolgversprechendsten. Zur Behandlung der provozierten Vulvodynie werden häufig Lokalanästhetika verwendet. Diese Behandlung kann vorübergehend zu einer deutlichen Schmerzbesserung, langfristig aber zu Hautirritationen führen. Mit subkutanen Injektionen mit Prednisolon, Lidocain oder Botulinumtoxin können bei dieser Patientinnengruppe manchmal gute therapeutische Erfolge erzielt werden. Niedrig dosierte Antidepressiva (z. B. Amitryptilin) werden seit langem zur Behandlung von neuropathischen Schmerzen verwendet und haben sich vor allem bei der Behandlung der dysästhetischen Vulvodynie bewährt. Die Verwendung dieser Substanzgruppen ist jedoch durch die oft unangenehmen Nebenwirkungen eingeschränkt.
Eine Betreuung durch spezialisierte Physiotherapeutinnen mit Biofeedback, TENs und Triggerpunktmassage ist ein wichtiger Therapiebestandteil, da auch bei diesen Patientinnen häufig eine Veränderungen der Beckenmuskulatur an der Schmerzentstehung beteiligt sind. Eine psychologische – sexualtherapeutische – Betreuung ist meist wünschenswert, da die Schmerzen und Dyspareunie häufig zu psychosozialen Konflikten führen.
Bei therapierefraktären Formen von provozierter Vestibulodynie besteht die Möglichkeit einer chirurgischen Therapie. Bei der Ves – tibulektomie wird ein schmaler U-förmiger Schleimhautbezirk im Bereich des Vestibulum vaginae oberflächig exzidiert. Eine randomisierte Studie hat gezeigt, dass durch diesen Eingriff eine deutliche, langfristige Schmerzreduktion erzielt werden kann. Signifikante Therapieerfolge sind auch für kognitive Verhaltenstherapie, Biofeedback, Antidepressiva, Lokalanästhetika, aber auch Placebotherapien beschrieben.
FAZIT: Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie von chronischen Schmerzzuständen ist immer eine tragfähige und haltgebende Arzt-Patienten-Beziehung. Schmerzpatientinnen sind einer psychologischen Behandlung oft nur schwer zugänglich, da sie der Überzeugung sind, dass ihre Schmerzen nur organisch bedingt sind. Durch die behutsame Vermittlung des biopsychosozialen Krankheitsmodells können Patientinnen erstmals eine Vorstellung über die beteiligten Hintergründe entwickeln. Die erfolgreiche Etablierung multidisziplinärer Behandlungs – konzepte kann sich unter diesen Voraussetzungen deutlich verbessern.
Literatur:
– Chronischer Unterbauchschmerz der Frau. Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG), 2009
– Guidelines for the management of vulvodynia British Society for the Study of Vulval Disease (BSSVD) Guideline Group, 2010
Weitere Literatur bei der Autorin