Die WHO definiert Gesundheitskompetenz (Health Literacy) als Gesamtheit aller kognitiven und sozialen Fähigkeiten, die Menschen motivieren und befähigen, ihre Lebensweise gesundheitsförderlich zu gestalten. Zu diesen Fähigkeiten gehören der Zugang zu, das Verstehen von und ein konstruktiver Umgang mit gesundheitsrelevanten Informationen. Eine limitierte GK wirkt sich nicht nur nachteilig auf die individuelle Gesundheit aus, sondern hat auch Einfluss auf Nutzung und Kosten der Gesundheitsversorgung.
HLS-EU 20111: Die ersten Daten zur Gesundheitskompetenz der österreichischen Bevölkerung wurden 2011 im Rahmen des European Health Literacy Survey erhoben (HLS-EU 2011). Neben dem internationalen Bericht wurde damals auch ein Österreich-Bericht (HLS-AT 2011) erstellt.
Die Ergebnisse haben gezeigt, dass Österreich in Sachen Gesundheitskompetenz, verglichen mit anderen europäischen Ländern, einen großen Nachholbedarf hat. Mit rund 56 % ist eine „limitierte“ Gesundheitskompetenz (inadäquate oder problematische GK) in Österreich auch häufiger als im EU-Durchschnitt (rund 48 %) (Abb.).
Basierend auf diesen Ergebnissen wurde GK als operatives Ziel im Bundeszielsteuerungsvertrag verankert.2
HLS19-AT: Zur Bewertung aktueller Entwicklungen wurde im Jahr 2020 eine neuerliche GK-Erhebung durchgeführt (HLS19-AT), sie ist Teil des aktuellen internationalen Health Literacy Survey (HLS19-EU). Neben der allgemeinen GK wurden erstmals auch Daten zur digitalen GK, zur kommunikativen GK im Rahmen ärztlicher Gespräche, zur Navigationskompetenz im Gesundheitswesen und zur GK in Zusammenhang mit Impfen erhoben. Der Bericht und ein Factsheet zur HLS19-AT-Erhebung wurden mit Beschluss der Bundeszielsteuerungskommission im Juli 2021 veröffentlicht. In Hinblick auf die allgemeine GK bestätigt die österreichische GK-Erhebung im Jahre 2020 weitgehend die Ergebnisse der ersten Österreichischen GK-Befragung; ein näherungsweiser Vergleich zwischen HLS-AT 2011 und HLS19-AT lässt für Österreich nur einen leichten Anstieg in der selbst eingeschätzten allgemeinen Gesundheitskompetenz vermuten.
Im Vergleich zur allgemeinen GK zeigt die aktuelle Erhebung, dass die größten Herausforderungen im Bereich der Navigationskompetenz (Orientierung im Gesundheitssystem) und bei der digitalen Gesundheitskompetenz (Umgang mit Online-Informationen) bestehen. In puncto Impf-Informationen fällt die GK der Bevölkerung noch geringer aus als bei der allgemeinen GK; vergleichsweise stark ausgeprägt ist hingegen die kommunikative GK im Rahmen ärztlicher Gespräche. Auf Grundlage der HLS19-AT-Ergebnisse werden derzeit Empfehlungen zur Stärkung der GK abgeleitet.
Die impfbezogene GK spielt eine besonders wichtige Rolle, da kompetente Informationen zum Thema Impfen oft sehr komplex, nicht immer leicht verständlich und außerdem schwer zugänglich sind; nicht zuletzt stehen sie einer Fülle verzerrter und einseitig dargestellter Informationen gegenüber, die vor allem in den digitalen Medien Verbreitung finden. Internet und soziale Netzwerke bieten Impfgegnern eine Bühne, um Fehl- und Falschinformationen und Skepsis zu streuen; Menschen, die im Alltag häufiger digitale Informationsquellen nutzen, kommen zweifellos auch stärker mit Fehl- und Falschmeldungen in Kontakt. Da die GK in puncto Corona-Impfentscheidungen mit der allgemeinen Einstellung zum Thema Impfen und dem Impfwissen korreliert, sind qualitätsgesicherte Impfinformationen besonders wichtig. Es ist essenziell, dass Menschen die jeweilige Situation verstehen und ausreichend motiviert sind, verantwortungsvolle Entscheidungen für sich und andere zu treffen. Die (positive) Entscheidung zur Impfung ist im Speziellen von 5 Faktoren abhängig; sie ist nicht zuletzt aber auch „Impfstoff-spezifisch“.
Das „5-C-Modell“ der WHO:
Das Vertrauen in Impfungen wird international mit dem Vaccine Confidence Index erfasst.
Die COVID-19-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig GK gerade in Zeiten einer Gesundheitskrise ist; leicht zugängliche, gut verständliche, transparente, faktenbasierte und alltagsnahe Informationen tragen zweifellos zur Verbesserung der GK, nicht zuletzt auch in Sachen Impfentscheidungen bei. Die Vertrauenswürdigkeit und die Anwendbarkeit von Impfinformationen wird dabei insbesondere durch die Einbindung der Nutzergruppen in die Erstellung der Informationsmaterialien und -kampagnen unterstützt.
Die WHO zählt Vaccine Hersitancy zu den 10 größten Bedrohungen für die globale Gesundheit! Dazu Heidi Larson (Prof.in für Anthropology, Risk and Decision Science an der London School of Hygiene and Tropical Medicine).
„The Biggest Pandemic Risk? Viral Misinformation!“
„Offensichtlich lässt die derzeitige Impfdebatte in Österreich exemplarisch einige Grundzüge der geistig-politischen Verfasstheit unseres Landes erkennen!“4