Die Früherkennung des Zervixkarzinoms stellt eine einzigartige Erfolgsgeschichte dar. Bei Einführung des zytologischen Screenings Ende der 1960er-Jahre lag die Rate an Zervixkarzinomen in Österreich bei nahezu 2.500 Fällen. Aktuelle Zahlen der epidemiologischen Krebsregister weisen in den letzten Jahren jährlich 500 Neuerkrankungen aus; dieser Rückgang der Inzidenz eines Karzinoms ist in der Humanmedizin einzigartig und konnte bislang für kein anderes Malignom erreicht werden. Eine ähnliche Entwicklung ist bei den Krebssterbefällen zu beobachten, das Krebsregister weist nunmehr aktuell jährlich knapp 200 Zervixkarzinom- Sterbefälle aus.
Im April 2010 wurde in Deutschland ein HTA-Bericht zur Situation der Früherkennung des Zervixkarzinoms publiziert. Dieser Berichte fokussiert auf den medizinischen und ökonomischen Langzeitkonsequenzen bei Einsatz der HPV-DNA-Diagnostik als Primärscreeningverfahren in der Zervixkarzinomfrüherkennung. Es wird insbesondere der Frage nachgegangen, ob durch HPVDiagnostik die Chance für eine weitere Senkung von Inzidenz und Mortalität des Zervixkarzinoms besteht.
Zusatznutzen der jährlichen „Krebsvorsorge“: Im HTA-Bericht und in vorausgegangenen Publikationen einiger Co-Autoren des Berichts wird der Ersatz des derzeitigen jährlichen Vorsorgeprogramms durch ein regelmäßiges HPV-Screening in Abständen von 2 bis 3 Jahre vorgeschlagen. Damit wird allerdings die Beendigung eines in seinem Umfang wesentlich komplexeren Präventionsprogramms empfohlen, das neben der erfolgreichen Sekundärprävention des Zervixkarzinoms in vielfacher Weise auch einen Zusatznutzen mit sich bringt. Der „Krebsvorsorge-Termin“ ist bei den Patientinnen fest etabliert und im Jahresintervall für viele Frauen fester Bestandteil ihres Gesundheitsbewusstseins. Sie sehen darin eine Gelegenheit, für eine umfassende Gesundheits- und Präventionsstrategie, es werden viele Fragen des täglichen Lebens im Rahmen des Ordinationsbesuches erörtert. Zu keinem anderen Arzt gehen Patientinnen in dieser Regelmäßigkeit, in keinem anderen Fach gibt es eine so stabile Arzt-Patienten-Beziehung wie in der Frauenheilkunde. Dieser Zusatznutzen lässt sich in Zahlen schwer beziffern. Die Reduzierung der „Krebsvorsorge“ auf die Früherkennung des Zervixkarzinoms und insbesondere auf die (Kosten-)Effizienz des zytologischen Screenings, wie sie dzt. aktuell stattfindet, blendet diesen zusätzlichen Nutzen zum Nachteil der Patientinnen aus.
Die österreichische Situation: In Österreich, mit seinen opportunistischen Screeningsystem, wird jährlich und ohne Altersbegrenzung die Durchführung eines zervixzytologischen Abstriches empfohlen und von der Sozialversicherung bezahlt. Und obwohl es sich „nur“ um ein opportunistisches System handelt, hat die Einführung des Krebsfrüherkennungsprogramms, wie schon angeführt, zu einer Senkung sowohl der Neuerkrankungsrate als auch der Sterblichkeitsrate bei den Zervixkarzinomen um über 70 % beigetragen.
Dass die Einführung eines Einladungssystems zu einer Erhöhung der Teilnahmerate führt, liegt zwar auf der Hand, allerdings in welcher Größenordnung diese Erhöhung ist, das bleibt dahingestellt. Im österreichischen Modell findet sich auch ohne Einladungssystems bereits eine Teilnehmerinnenrate von über 70 % bezogen auf einen Zeitraum von 3 Jahren. Die durch organisiertes Screening zu erzielende Teilnehmerinnenrate würde, entsprechend Expertenmeinung, nicht viel höher liegen, möglicherweise wären allerdings vor allem sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen durch ein Einladungssystem zu erreichen.
Zunahme der höhergradigen Vorstufenläsionen: Der deutsche HTA-Bericht kommt zu der Aussage, dass die HPV-DNA-Diagnostik im Primärscreening in der Zervixkarzinomfrüherkennung effektiver bezüglich einer Senkung von Zervixkarzinom-Inzidenz und -Mortalität sei als der Pap. Gleichzeitig sei sowohl eine Verlängerung des Pap-Screeningintervalls auf mindestens 2 Jahre als auch eine Anhebung der unteren Altersgrenzen für den Screeningbeginn auf das 25. Lebensjahr ohne nennenswerten Effektivitätsverlust (?) möglich.
Die Befürworter eines solchen Modells übersehen allerdings, dass der HPV-Test als Virusnachweis nicht die Lösung für ein Screening auf ein Karzinom sein kann. Ein positiver HPV-Test diagnostiziert ja nur eine Infektion und nicht eine Erkrankung. Ebenso unberücksichtigt in der derzeitigen Diskussion sind außerdem die hohen Kosten, die allein die Neuorganisation des Vorsorgeprogramms verursachen würde, wobei diese Kosten in Österreich deutlich höher liegen würden, als sie für ein HPVImpfprogramm anzusetzen sind!
Die psychosozialen Folgen des HPV-Screenings: Nur einige wenige der HPV-positiv getesteten Frauen tragen das Risiko, ein Karzinom (bzw. ein Karzinomvorstadium) zu entwickeln. Daher ist eine HPV-Infektion nicht mit einer Krebserkrankung gleichzusetzen. Die jährliche Krebsvorsorgeuntersuchung sorgt dagegen für das frühzeitige Erkennen eines Vorstadiums, womit rechtzeitig durch Vornahme eines operativen Eingriffes eine definitive Heilung herbeigeführt werden kann. Es hat auch in diesem Kontext die klassische ärztliche Regel zu gelten: Primum nil nocere – Diagnostik von potenziell gesundheitsgefährdenden Erkrankungen ohne adäquates Therapieangebot ist unärztliches Handeln.
Die Feststellung einer HPV-Infektion ohne eine Therapiemöglichkeit bringt vor allem auch Angst und Sorge. Als Folge werden (vereinzelt) auf Druck der Patientinnen bei persistierenden HPV-Infektionen trotz des Fehlens von zytologischen Veränderungen Konisationen durchgeführt. Durch HPV-Screening wird ein weiterer Anstieg der Frequenz von medizinisch unnötigen Konisationen zu erwarten sein. HPV-positive Frauen erfordern im Übrigen eine aufwändige fachliche Betreuung, da es eines erheblichen Beratugnsaufwandes bedarf, die geringe Wahrscheinlichkeit einer Dysplasie bei Vorliegen eines positiven HPV-Befundes zu erklären.
Die Sensitivität des Pap-Tests ist besser als ihr Ruf: Die Angabe der Sensitivität des zytologischen Abstriches von unter 50 % begründet sich auf älteren Arbeiten. Damals wurden nicht zuletzt ungeeignete Geräte zur Abstrichentnahme benutzt. In einer rezenten Metaanalyse mit einem Studienvergleich von 25 Studien findet sich eine durchschnittliche Sensitivität der Zytologie von 72,7 % ± 8,8 % bei einer Spezifität von 94,9 % ± 1,7 %.
Der Zervix-Abstrich ist nicht mehr derselbe wie vor 10 Jahren: Die Abschaffung der Watteträger für den Zervixabstrich und die Einführung von Szalay-Spatel, Cytobrush etc. haben zweifellos dazu beigetragen, die Sensitivität des Screenings zu erhöhen. Hohe Qualitätsanforderungen an die den Abstrich entnehmenden Gynäkologen ebenso wie an die Zytologen haben weiters dazu geführt, dass „Screening-Versager“ seltener wurden.
Das zytologiegestützte Screening lebt von der jährlichen Wiederholung: Die Sensitivität der Methode steigt mit der jährlichen Wiederholung (s. Abb.) und liegt bereits im dritten Jahr bei über 90 %. Die Qualität der Früherkennung des Zervixkarzinoms steht und fällt daher mit der jährlichen Wiederholung.
Sensitivität ist nicht dasselbe wie Vorhersagewert (Positive Predictive Value – PPV). Einen Infektionsnachweis als Präkanzerose- Screening einzusetzen, ist nur dann zulässig, wenn der positive prädiktive Wert des Tests entsprechend hoch ist. Bei dem Nachweis eines Zervixkarzinoms mittels HC-2-Test liegt der PPV jedoch unter 0,1 %! Insofern gibt die reine Angabe der Spezifität und Sensitivität die Realität in der Praxis nur ungenügend wieder, denn nur wenige HPV-Infektionen führen zu Zellveränderungen an der Zervix uteri. „Infection is not equal to disease and disease is not equal to infection.“ Auch die derzeit in Testung befindlichen Untersuchungsverfahren auf Genprodukte der HP-Viren haben ihren PPV noch nicht unter Beweis gestellt.
Teilnahmerate der Zytologie bei Risikogruppen erhöhen: Die Restinzidenz an Zervixkarzinomen rekrutiert sich zu etwa 60 % aus Nichtteilnehmerinnen. Deshalb ist eine weitere Verbesserung der Inanspruchnahme der zytologischen Vorsorge, insbesondere durch diese Risikogruppen, ein wichtiges Anliegen.
Aktive Therapie statt „wait and see“: Statt dem bisherigen „Nichtstun“ beim Auftreten von Dysplasien – Kontrolle in 3 Monaten – bedarf es einerseits der Entwicklung zusätzlicher Konzepte z. B. im Sinne von konservativen Therapiemodalitäten und andererseits der Vermittlung von sekundärpräventiven Ansätzen als Alternative zur Operation. In diesem Kontext wurde bislang z. B. noch zu wenig berücksichtigt, dass Nikotinabstinenz zu einer deutlichen Verbesserung der Ausheilungsrate von zervikalen HPV-Infektionen und Dysplasien führt. Hier sind wir Gynäkologen aufgefordert, statt „wait and see“ eine aktive Sekundärprävention zu betreiben.
Schlussbemerkung: Zur jährlichen zytologisch gestützten Früherkennung gibt es keine Alternative: Die meisten Zervixkarzinome treten bei gar nicht oder nur in unregelmäßigen Intervallen untersuchten Patientinnen auf. Aus diesem Grund wäre eine Erhöhung der Teilnahmerate die wichtigste Maßnahme zur Senkung von Restinzidenz und Restmortalität des Zervixkarzinoms. Auch neue, kostenintensive Screening-Verfahren können weder Inzidenz noch Mortalität wirksam reduzieren, wenn die Gruppe der „Vorsorgemuffel“ nicht erreicht wird.
ZUSAMMENFASSEND ist also festzustellen, dass Fortschritte in der Reduktion von Zervixkarzinom-Inzidenz und -Mortalität nicht in einer Änderung des bewährten Screeningprogramms für diejenigen zu sehen sind, die das bisherige Screeningprogramm ohnehin in Anspruch nehmen, sondern vor allem in einer verbesserten Motivation zur Teilnahme an der Vorsorge. Dies ist allerdings ein schwieriges Unterfangen. So haben Ergebnisse organisierter Brustkrebs-Früherkennungsprogramme gezeigt, dass von einem bestimmten Prozentsatz der Frauen auch mehrmaligen Aufforderungen zur Untersuchung nicht Folge geleistet wird.
Quelle: Frauenarzt 2011; 52 (5):432