Die First-Love-Ambulanz (FLA) an der Universitätsfrauenklinik Salzburg ist eine von aktuell 11 auf Initiative der Österreichischen Gesellschaft für Familienplanung gegründeten Beratungsstellen für Jugendliche und junge Erwachsene. Unterstützt durch das Land Salzburg und das Bundesministerium für Arbeit, Familie und Jugend bietet die FLA an der Universitätsfrauenklinik Salzburg psychosoziale Beratung und ärztlich-gynäkologische Betreuung an. Zielgruppe sind Mädchen und junge Frauen. Die First-Love-Ambulanz soll einen niederschwelligen Zugang zu hochwertiger Sexualaufklärung und kostenfreien Verhütungsmitteln für Mädchen aus einkommensschwachen Familien gewähren. Es besteht das Angebot, auf Wunsch auch anonym und ohne Versicherung vorstellig zu werden. Zweimal wöchentlich von 16 bis 19 Uhr werden Fragen über Kontrazeption, Sexualität, sexuell übertragbare Erkrankungen und Schwangerschaft von Gynäkolog*innen, Gesundheits- und Krankenpfleger*innen und Sozialarbeiter*innen beantwortet. Eine vorherige Terminvereinbarung ist nicht nötig. Darüber hinaus wurde die FLA am Universitätsklinikum Salzburg in den vergangenen Jahren regelmäßig von Schulklassen besucht, was eine ideale Ergänzung zum schulischen Sexualunterricht darstellte.
Im Jahr 2018 haben sich 125 Mädchen zwischen 13 und 19 Jahren (Durchschnittsalter 16,5 Jahre) an der FLA Salzburg vorgestellt. Der häufigste Grund für die Vorstellung war der Wunsch nach Kontrazeption. Die Mehrheit der Mädchen (75 %) gab bei Erstvorstellung an, entweder mit einem Kondom oder noch überhaupt nicht zu verhüten. Die am häufigsten an der FLA verschriebenen Verhütungsmittel sind mit 64 % kombinierte orale Kontrazeptiva. 14 % der Mädchen waren unter 15 Jahre alt, als sie die FLA 2018 zum ersten Mal besuchten, der Großteil (85 %) war zwischen 15 und 19 Jahre alt.
Im Zuge des Maßnahmenpaketes zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie musste die FLA Salzburg im Jahr 2020 für insgesamt 19 Wochen schließen.
Während der ersten Schließung von 16. 3. 2020 bis 17. 6. 2020 (13 Wochen) konnten ausschließlich bereits verschriebene Kontrazeptiva abgeholt werden. Für Fragen und für Neupatientinnen wurde eine telefonische Beratungsstelle eingeführt, welche allerdings kaum genutzt wurde. Auch die Wiedereröffnung nach dem ersten Lockdown brachte Restriktionen mit sich: Nun war aus Präventionsgründen vor dem Besuch der FLA eine Terminvereinbarung erforderlich.
Während des zweiten Lockdowns wurde die FLA von 18. 11. 2020 bis 1. 1. 2021 (6 Wochen) geschlossen. Im Januar 2021 erfolgte dann die Öffnung 1-mal wöchentlich, nach den Semesterferien wieder 2-mal wöchentlich.
Bedingt durch diese Einschränkungen gab es an der FLA 2020 nur mehr 44 Neuvorstellungen von Mädchen unter 19 Jahren, die Mehrheit war weiterhin zwischen 15 und 19 Jahre alt (66 %), aber der Anteil an unter 15-Jährigen nahm zu (34 %).
Auch andere Autor*innen beschreiben diesen dramatischen Rückgang der Besuche öffentlicher Gesundheitseinrichtungen zur Sexualberatung.1 Ein Grund hierfür könnte die anfängliche Angst der Jugendlichen vor einer Ansteckung mit SARS-CoV-2 sein.1 Eine weitere Ursache könnte in der tatsächlichen Abnahme der sexuellen Kontakte durch die Ausgangs- und Besuchsbeschränkungen liegen.
Soziale Isolation kann Angststörungen und Depressionen fördern und zu einer Abnahme der sexuellen Aktivität führen.2 Dennoch zeigte eine Online-Umfrage unter kalifornischen Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die sich bereits in einer Beziehung befanden, dass 22 % auch während des Lockdowns Sex hatten.3
Eine italienische Arbeitsgruppe, die die Patientinnen ihrer Ambulanz für Familienplanung während des Lockdowns telefonisch kontaktierte, erhob, dass 47 % der Frauen, die mit ihrem Partner nicht im selben Haushalt lebten oder in keiner festen Beziehung standen, weiterhin sexuell aktiv waren. 51 % dieser Frauen hatte das zuvor verschriebene Kontrazeptivum selbstständig aus nicht medizinischen Gründen während des Lockdowns abgesetzt. In 15 % kam es zu einer ungewollten Schwangerschaft.4
Als Folge der Pandemie könnten neben ungewollten Schwangerschaften auch sexuell übertragbare Krankheiten (STD) zunehmen, wenn Jugendliche keine umfassende Aufklärung über deren Prävention erhalten.
Wie aus dem aktuellen Bericht zur Jugendsexualität der Deutschen Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (www.forschung.sexualaufklärung.de) hervorgeht, stellt noch immer der Schulunterricht eine der wichtigsten Quellen der Sexualaufklärung für Jugendliche dar. Die Lehrer*innen zählen dabei neben Eltern und Freund*innen zu den wichtigsten Personen bei der Sexualaufklärung. Daher ist die Zusammenarbeit von medizinischen Einrichtungen wie den First-Love-Ambulanzen und Schulen von großer Wichtigkeit und sollte auch in der Pandemie z. B. durch gemeinsame Online-Veranstaltungen aufrechterhalten werden.
RESÜMEE: Die Auswirkungen der Pandemie auf die psychische und sexuelle Gesundheit von Jugendlichen müssen weiter untersucht werden. Die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie führten zu einer drastischen Einschränkung der Sexual- und Kontrazeptionsberatungen an öffentlichen Gesundheitseinrichtungen wie den First-Love-Ambulanzen. Dadurch wurde für zahlreiche junge Frauen und Mädchen der Zugang zu niederschwelliger Gesundheitsprävention und sicherer Kontrazeption erschwert. Die komplette Schließung solcher Spezialambulanzen ist aus heutiger epidemiologischer Sicht nicht mehr argumentierbar und sollte künftig vermieden werden.