Das humane Mikrobiom ist ein vielfältiges Ökosystem aus Bakterien, Viren, Phagen, Archäen und Pilzen, die ca. 2–2,5 kg Biomasse ausmachen. Medikamente zählen neben der Ernährung zu den wichtigsten Einflussfaktoren auf das Darm-Mikrobiom. Weitere Einflussfaktoren sind der Geburtsmodus, die Art der Säuglingsernährung, unser Immunsystem und genetische Faktoren.
Viele Medikamentenklassen beeinflussen die Zusammensetzung des Mikrobioms: Protonenpumpenhemmer, Statine, Antibiotika, Blutdrucksenker und Antidepressiva gehören laut Analysen großer Kohorten zu den am stärksten Mikrobiom-verändernden Medikamenten. Kürzlich konnte gezeigt werden, dass jedes 4. Medikament einen großen Einfluss auf das Wachstum und die Funktion von wichtige Bakterienstämmen des menschlichen Mikrobioms hat. Ob dieser Einfluss in allen Fällen negativ ist oder vielleicht die Wirksamkeit mancher Medikamente maßgeblich durch die Effekte auf das Mikrobiom mitbestimmt wird, muss noch im Detail untersucht werden. Manche Medikamente können die Diversität (Anzahl der unterschiedlichen Bakterienstämme) des Mikrobioms senken, wodurch die Kolonisationsresistenz des Mikrobioms abnimmt und potenziell pathogene Keime bessere Wachstumsbedingungen vorfinden. Folgen davon können eine Darmbarrierestörung, vermehrte bakterielle Translokation, Inflammation und metabolische Auswirkungen sein. und dadurch eine Dysbiose verursachen.
Klassischerweise erwartet man sich von Antibiotika, dass sie das Darm-Mikrobiom beeinflussen. Antibiotika-assoziierte Durchfallerkrankungen treten in 5–25 % aller Antibiotikabehandlungen und können durch eine verminderte Kolonisationsresistenz gegenüber pathogenen Keimen bedingt sein, da durch das Antibiotikum die Diversität des Darm-Mikrobioms deutlich abnimmt.
Probiotika sind eine gut untersuchte Prophylaxe der Antibiotika-assoziierten Diarrhö: Eine Metaanalyse der Cochrane-Gruppe hat letztes Jahr gezeigt, dass Probiotika wirksam sind, um eine Infektion mit Clostridium difficile vorzubeugen, wenn Antibiotika genommen werden. Die Studienlage ist noch sehr heterogen, vor allem sind die verwendeten Produkte in den Studien sehr unterschiedlich. Dennoch empfiehlt die Cochrane-Gruppe, in Hochrisikosituationen die Verwendung eines Probiotikums in Erwägung zu ziehen.
Welches Probiotikum am besten wirkt, ist noch nicht ganz klar. Metaregressionsanalysen zeigen aber, dass es sinnvoll ist, ein Präparat auszuwählen, das aus mehreren Stämmen mit einer hohen Keimzahl besteht. Die Einnahme sollte 2–3 Stunden zeitversetzt zur Antibiotikagabe erfolgen, am besten ab dem Start des Antibiotikums, aber auf jeden Fall innerhalb von 2 Tagen nach dem Start begonnen werden. Damit kann das Risiko für eine Infektion mit Clostridium difficile um 60 % reduziert werden. Nach einer Antibiotikagabe ist es zu spät, das hat eine aktuelle Arbeit aus Israel gezeigt: Wenn man erst nach einer Antibiotikagabe eine Prophylaxe mit Probiotika beginnt, wird die Regeneration des Darm-Mikrobioms nicht beschleunigt, sondern möglicherweise sogar verzögert.
Protonenpumpenhemmer können über direkte und indirekte Effekte das Darm-Mikrobiom beeinflussen. Durch die Erhöhung des Magen-pH-Wertes können Keime, die wir über die Nahrung aufnehmen und die wir aus dem Mundraum schlucken, nicht mehr abgetötet werden und gelangen in tiefe Darmabschnitte. Des Weiteren beeinflussen Protonenpumpenhemmer auch direkt das Wachstum von verschiedenen Bakterien und können die Funktion neutrophiler Granulozyten verschlechtern. Die Folge ist neben der Reduktion der Diversität des Mikrobioms eine Oralisierung – eine Zunahme von Mundkeimen im Darm –, die wiederum mit vermehrter Inflammation und bakterieller Translokation in Verbindung gebracht wird. Protonenpumpenhemmer sind gehäuft mit dem Auftreten von Infektionen, wie zum Beispiel Clostridium-difficile-Diarrhö, anderen Darminfektionen, Pneumonien oder Pilzinfektionen vergesellschaftet. Eine große Kohortenstudie aus einer Versicherungsdatenbank aus den USA zeigt Hinweise darauf, dass die Langzeit-Einnahme von Protonenpumpenhemmern mit einer erhöhten Mortalität verbunden ist. Eine besonders vulnerable Patientengruppe sind Patienten mit Leberzirrhose, da sie bereits schwerwiegende Mikrobiomveränderungen aufweisen und eine Immundysfunktion haben.
Strategien zur Vermeidung der Nebenwirkungen auf das Mikrobiom – zum Beispiel Probiotika – sind in klinischer Erprobung und erste Ergebnisse sind vielversprechend.
ZUSAMMENFASSEND sind medikamentenbedingte Einflüsse auf das Darm-Mikrobiom ein häufiges Phänomen, und Probiotika sind eine wirksame Strategie, um medikamentenbedingte Schädigungen des Darmmikrobioms durch Antibiotika und möglicherweise auch durch Protonenpumpenhemmer zu verhindern.