Endokrine Resistenzmechanismen und Behandlungsstrategien


Endokrine Therapieformen werden bei Patientinnen mit Östrogenrezeptor-positiven Tumoren seit über 40 Jahren erfolgreich eingesetzt. Allerdings wird die Effektivität dieser Therapie einerseits durch primäre, andererseits durch erworbene Resistenzen eingeschränkt. Das Verständnis der molekularen Mechanismen, welche diesen Resistenzformen zugrunde liegen, ermöglicht die Entwicklung neuer Behandlungsstrategien, um die Entstehung derartiger Resistenzen zu verhindern bzw. zu überwinden.
Etwa 70 % aller Mammakarzinome exprimieren Östrogenrezeptoren (ER). Bei der Behandlung des ER-positiven Mammakarzinoms kommen vorwiegend Mittel aus drei verschiedenen Wirkstoffklassen zum Einsatz. Dabei handelt es sich um die so genannten selektiven Östrogenrezeptormodulatoren (SERMs; z. B. Tamoxifen), Östrogensynthese-Inhibitoren (z. B. Aromataseinhibitoren) und selektive Östrogenrezeptor-Downregulatoren (SERDs; z. B. Fulvestrant). Im Folgenden werden nun Grundlagen endokriner Resistenzmechanismen und mögliche Behandlungsstrategien dargestellt.

ER-vermittelte Signaltransduktionskaskaden: Hauptziele der endokrinen Therapie sind der ER und die damit verbundenen Signaltransduktionskaskaden. Beim ER-Si­gnalling unterscheidet man den genomischen vom nicht-genomischen Pathway, wobei beim genomischen Weg noch zwischen klassischem und indirekten Weg unterschieden wird. Im klassischen Modell des genomischen Pathways ändert der ER nach Ligandenbindung seine Konformation, worauf es zur Rezeptordimerisierung und zur Translokation in den Nukleus kommt, wo er an Östrogen-responsive Elemente (ERE) in der DNA bindet und in Kombination mit Koaktivatoren und anderen Faktoren die Expression von ER-Zielgenen fördert. Der indirekte Weg erfolgt ohne initiale Ligandenbindung. Der ER bindet dabei auch nicht direkt an die DNA, sondern an DNA-gebundene Transkriptionsfaktoren (z. B. Ap1, Sp1, NF-κB). Im Gegensatz dazu werden beim nicht-genomischen Pathway über eine Gruppierung von funktionellen Proteinkomplexen intrazelluläre Signaltransduktionskaskaden aktiviert, was in weiterer Folge zur Aktivierung von Transkriptionsfaktoren führt. 


Endokrine Resistenzformen: Bei der endokrinen Therapie unterscheidet man zwischen primärer Resistenz (intrinsisch oder de novo) und sekundären oder erworbenen Resistenzen.

Als Beispiel für eine primäre Resistenz gilt klassischerweise eine Resistenz gegen Tamoxifen. Tamoxifen ist eine so genannte Prodrug, die in einer ersten Reaktion durch das Enzym CYP2D6 (Cytochrom P450 2D6) in das aktive Endoxifen umgewandelt wird. Auf Grund genetischer Polymorphismen des CYP2D6-Gens, die bei ca. 6–10 % der Bevölkerung auftreten, kommt es zur Produktion von nur teilweise aktiven oder komplett inaktiven CYP2D6-Enzymen, wodurch die Tamoxifen-Konversion zu Endoxifen inhibiert wird. Diese Patientinnen werden als „poor metabolizer“ bezeichnet. In den letzten Jahren wurde dieses Konzept aufgrund einer sehr heterogenen Datenlage allerdings äußerst kontroversiell diskutiert.1
Erworbenen Resistenzen verlaufen über eine verstärkte Aktivierung nicht-ER-abhängiger Signalwege. In den letzten Jahren wurden mehrere Mechanismen, die zu erworbener, endokriner Resistenz führen, beschrieben. So ist ein möglicher Mechanismus der ER-Expressionsverlust, der bei ca. 20 % der Patientinnen während der Therapie auftritt. Dabei spielen vor allem eine gestörte Genregulation und veränderte posttranslationale Modifikationen eine Rolle.
Veränderungen im ER-Transkriptionskomplex wie etwa durch eine Herunterregulation von Korepressoren wie beispielsweise NCoR, durch Überexpression von Koaktivatoren (z. B. AIB1) oder durch eine verstärkte Expression von Transkriptionsfaktoren tragen ebenfalls zur Entwicklung endokriner Resistenzen bei.2, 3
Rezeptor-Tyrosinkinasen und ihre Downstream-Signaltransduktionswege können alternativ ebenfalls das Krebswachstum stimulieren, entweder gemeinsam mit dem ER-Signalling oder durch Umgehung dieses Wegs. So wurde in vielen endokrin resistenten Mammakarzinomzellen eine verstärkte Expression von Wachstumsfaktorrezeptoren wie EGFR, HER2 oder IGFR beobachtet. Auch weitere Proteine, die in der Signaltransduktionskette stehen, können verändert exprimiert vorliegen. Einige präklinische Studie zeigen, dass die Aktivität von positiven und negativen Zellzyklusregulatoren auch einen Einfluss auf das Ansprechen auf die endokrine Therapie haben kann.4, 5

Behandlungsstrategien zur Überwindung endokriner Resistenzen: Die Kombination endokriner Therapien mit HER2- und EGFR-Inhibitoren erscheint als innovative Strategie in der Behandlung endokrin resistenter Tumoren, wie zahlreiche klinische Studien zeigen. So wird beispielsweise in einer rezenten Arbeit von Johnson et al. eine Phase-III-Studie mit 219 Patientinnen mit metastasiertem Mammakarzinom beschrieben, in welcher die Kombination des Aromataseinhibitors Letrozol mit dem Tyrosinkinaseinhibitor Lapatinib das progressionsfreie Überleben (PFS) der Patientinnen von 3 auf 8,2 Monate steigerte.6 Lapatinib bindet reversibel an die ATP-Bindungstasche der Kinase und blockiert die Phosphorylierung und Aktivierung des Rezeptors, wodurch die nachgeordnete Signalübermittlung verhindert wird.

Die intrazelluläre Serin-Threonin-Proteinkinase „Mammalian Target of Rapamycin“ (mTOR) liegt im Schnittpunkt vieler entscheidender Signalwege und spielt eine wichtige Rolle bei der Proteinsynthese. In Krebszellen führt die gestörte Steuerung verschiedener Signalwege zu einer erhöhten Aktivität von mTOR, wodurch es zu einer erhöhten Tumorangiogenese, gesteigerten Zellproliferation, erhöhten bioenergetischen Umsetzung und Nährstoffaufnahme sowie höherem Energieverbrauch kommen kann. Aufgrund seiner zentralen Rolle bei der Steuerung wichtiger Zellantworten ist mTOR ein geeignetes Target in der Therapie.
Der niedrigmolekulare mTOR-Inhibitor Everolimus bildet nach dem Eintritt in die Zelle einen Komplex mit dem Bindungsprotein FKBP12 und bindet sich dann an mTOR, wodurch die mTOR-Aktivität unterdrückt und damit die mTOR-vermittelte Proteinsynthese gehemmt wird. Dadurch kommt es zu einer verminderten Zellproliferation und Tumorangiogenese. In der Phase-III-Studie BOLERO-2 wurde Everolimus in Kombination mit dem Aromataseinhibitor Exemestan im Vergleich zu Exemestan und einem Placebo bei 724 postmenopausalen, gegen Anastrozol oder Letrozol resistenten Patientinnen mit Hormonrezeptor-positivem Mammakarzinom untersucht. Bei einer Zwischenauswertung durch die Studienärzte zeigte sich eine Verlängerung des PFS in der Patientengruppe mit Everolimus- und Exemestan-Therapie im Vergleich zur Kontrollgruppe um 4,1 Monate (6,9 versus 2,8 Monate). Eine unabhängige zentrale Auswertung konnte die signifikanten progressionsverzögernden Effekt des mTOR-Inhibitors bestätigen (PFS 10,6 vs. 4,1 Monate).7

ZUSAMMENFASSUNG: Primäre endokrine Resistenzen wie beispielsweise eine verminderte bis fehlende Verstoffwechselung von Tamoxifen zum aktiven Endoxifen aufgrund genetischer Polymorphismen im Cytrochrom CYP2D6 und sekundäre, erworbenen endokrine Resistenzen stellen Herausforderungen in der Behandlung des Mammakarzinoms dar. Im Zuge erworbener endokriner Resistenzen kommt es zu einer Überaktivierung von alternativen Signaltransduktionskaskaden, die es den Tumorzellen ermöglichen, der Wirkung der endokrinen Therapie zu entgehen. Eine vielversprechende Strategie zur Verhinderung bzw. Überwindung endokriner Resistenzen erscheint die Kombination von endokrinen Therapieformen mit Inhibitoren von verschiedenen, zentralen Bestandteilen alternativ aktivierter Signaltransduktionskaskaden. Die Identifikation neuer therapeutischer Targets bzw. spezifischer Biomarker zur Prädiktion und Überwachung des Therapieansprechens stellt eine der anstehenden Herausforderungen in der Behandlung des Mammakarzinoms dar.

1 Higgins M.J., Stearns V., Curr Oncol Rep 2010; 12:7-15
2 Lavinsky R.M. et al., Proc Natl Acad Sci USA 1998; 95: 2920-5
3 Osborne C.K. et al., J Natl Cancer Inst 2003; 95: 353-61
4 Butt A.J. et al., Endocr Relat Cancer 2005; 12:S47-59
5 Chu I.M., Nat Rev Cancer 2008; 8: 253-67
6 Johnston S. et al., J Clin Oncol 2009; 27:5538-46
7 Baselga J. et al., N Engl J Med 2012; 366:520-9