Ernährung in der Schwangerschaft – Praxisnahe Empfehlungen

Die Empfehlungen der Deutschen, Österreichischen und Schweizer Fachgesellschaften für Ernährung stellen mit den „Referenzwerten zur Nährstoffzufuhr für Schwangere und Stillende“ die Basis für die Ernährungsempfehlungen in der Praxis dar.2 Spezielle Ernährungskonzepte wie Veganismus, ovolaktovegetabile Kostformen und die makrobiotische Ernährung sollen ebenso die ausreichende Makro- und Mikronährstoffzufuhr gewährleisten. Anwenderinnen dieser Kostformen weisen meist überdurchschnittlich gute Ernährungskenntnisse auf. In diesem Artikel soll gezeigt werden, dass Nährstoffempfehlungen allein nicht ausreichen, um eine Schwangere gut zu informieren. Wissen über die Zusammensetzung von Lebensmitteln und gute Kenntnisse über küchentechnische Herstellungsverfahren machen eine umfassende, praktikable Ernährungsinformation aus. Die Information, dass eine werdende Mutter während der Schwangerschaft durchschnittlich 250–300 Kilokalorien pro Tag zusätzlich benötigt, ist korrekt. Diese Informationen müssen jedoch praxisnahe vermittelt werden. Dies kann durch die Zusatzinformation, dass sich diese Kalorienangaben in einem Bereich von einem Becher Joghurt oder einem kleinen Käsebrot bewegen, erreicht werden.

Timing der Beratung

Wahrgenommen wird von der Schwangeren der zusätzliche Nährstoffbedarf in der Regel erst nach dem 3. Schwangerschaftsmonat. Die Ernährungsfachgesellschaften empfehlen eine gleichbleibende Erhöhung der Energiezufuhr über die gesamte Dauer der Schwangerschaft.2 Laut Österreichischem Ernährungsbericht 2008 ist die Energiezufuhr der Schwangeren gegenüber früheren Ernährungserhebungen gesunken.3 Dies lässt den Schluss zu, dass Schwangere aktuell ihre Gewichtszunahme mehr beachten und besser unter Kontrolle halten. Das vermehrte Angebot von Fertigwaren im Lebensmittelhandel, die Berufstätigkeit der Frau und die damit verbundenen knappen Zeitressourcen machen Basisinformationen über eine gesunde Ernährung in der Schwangerschaft wieder dringend notwendig. Der Zeitpunkt, das persönliche Ernährungsverhalten zu verändern, ist während der Schwangerschaft ideal. Hohe Motivation und Verantwortung veranlassen Schwangere, ihre liebgewonnenen „Fehler“ wie z. B. den Genuss von viel Fastfood, unregelmäßiges Essen, geringen Obst- und Gemüsekonsum oder vermehrten Alkoholkonsum zu korrigieren. Der Zeitpunkt einer Ernährungsinformation sollte deshalb unmittelbar nach der Adaptionsphase, in der Übelkeit und Erbrechen ein ungeordnetes Ernährungsmuster bewirken, durchgeführt werden. Einzelne Nährstoffe werden dargestellt, um darauf das tägliche Ernährungsverhalten abzustimmen.

Praxisnahe Empfehlungen

Proteine: Aminosäuren sind wesentlich an der Organogenese und besonders an der Gehirnentwicklung des Fetus beteiligt. Die Auswahl der Proteinquellen ist von Bedeutung, um die Zufuhr essenzieller Aminosäuren zu gewährleisten. Proteine aus tierischer Herkunft wie Fleisch, Fisch, Geflügel, Eier,  Milch- und Milchprodukte sind von hoher biologischer Wertigkeit. Pflanzliche Eiweißlieferanten wie Kartoffeln, Getreide, Hülsenfrüchte und Soja sind in der biologischen Wertigkeit geringer. Durch die Kombination von tierischen und pflanzlichen Proteinquellen kann die Wertigkeit des Eiweißes erhöht werden (siehe Tab.). Damit kann der Fleischkonsum reduziert werden.4

 

 

Fette: Es ist auf eine ausreichende Zufuhr von mehrfach ungesättigten Fettsäuren zu achten. Raps- und Olivenöle sind bevorzugt. Omega-3-Fettsäuren, so genannten Docosahexaensäuren (DHA), die in fetten Meeresfischen enthalten sind, kommt besondere Bedeutung zu. Sie werden im Gehirn und in der Retina des Fetus in großen Mengen eingebaut. Durch die zunehmende Meeresverschmutzung mit Schwermetallen ist die Empfehlung, 2-mal pro Woche Fisch zu konsumieren, zu hinterfragen.5 Anstelle des Fischkonsums können Leinsamen bzw. daraus hergestelltes Leinöl empfohlen werden.

Ballaststoffe: Durch die veränderte Hormonsituation (v. a. Progesteronanstieg) in der Schwangerschaft kommt es oft zu einer Verlangsamung der Darmperistaltik. Eine ausreichende Ballaststoffzufuhr sollte deshalb in der Schwangerschaft gewährleistet werden. Der Richtwert von mindestens 30 g/Tag wurde laut Österreichischem Ernährungsbericht 2008 von 85 % der Schwangeren nicht erreicht.3 Effektive Ballaststoffquellen sind Gemüse wie Endivien, Spinat, Brokkoli, Wirsingkohl, Karfiol und Kopfsalat. Alle genannten Gemüsesorten sind auch wichtige Folsäurelieferanten. In der Winterzeit oder bei Zeitmangel ist die Verwendung von Tiefkühlgemüse durchaus sinnvoll. Bei der Zufuhr von Obst ist zu beachten, dass ab einer Menge von 2 Stück Bananen pro Tag eine obstipierende Wirkung eintreten kann. Ballaststoffquellen mit hohem Folsäuregehalt sind Orangen, Erdbeeren, Kirschen und die Honigmelone. Ballaststoffe können auch in Form von Vollkornbrot, -nudeln, -reis und -mehl konsumiert werden. Diese Produkte stellen auch eine gute Quelle für Mineralstoffe dar. Erhöhte Ballaststoffzufuhr kann v. a. anfangs zu vermehrter Flatulenzbildung führen.

Vitamine und Mineralstoffe: Der österreichische Ernährungsbericht 2008 zeigte bei Schwangeren einen suboptimalen Versorgungszustand bei Vitamin B6, Vitamin D und Folsäure auf. Nur etwa ein Drittel der Schwangeren nahm Folsäuresupplemente ein.6 Hier sollte in Zukunft die Ernährungsinformation bessere praktische Hinweise liefern. Grüne Gemüse und Salate sollten möglichst frisch verzehrt werden bzw. dunkel gelagert werden. Gemüsesorten wie Brokkoli, Karfiol, Grünkohl, Spinat oder Fenchel sollten „al dente“ gedünstet und nicht zerkocht werden. Als Zwischenmahlzeit sollte eine Obstportion mit jahreszeitengerechter Auswahl dienen. Es eignen sich z. B. Erdbeeren, Weintrauben, Orangen und Kirschen. So kann häufig das Bedürfnis nach süßen Speisen gemildert werden. Diese Obstsorten sind auch sinnvolle Folsäurequellen aus der Natur.

Getränke: Die Menge von 2–3 Tassen Kaffee pro Tag sollte von Schwangeren nicht überschritten werden, um den Schlaf- und Wachrhythmus des Fetus nicht negativ zu beeinflussen. Colagetränke, Energydrinks wie „Red Bull“ u. Ä. enthalten ebenfalls Koffein. Folgende Mineralwässer sind kalziumreich, was besonders für Frauen, die sich milch- und milchproduktefrei ernähren, wichtig ist: Juvina, Long life, Sicheldorfer, Römerquelle, Peterquelle, Astoria und Waldquelle. Die folgenden Mineralwässer sind eisenhältig, was für Schwangere, die sich vegan ernähren oder kein Fleisch essen, von Bedeutung ist: Gleichenberger Johannisbrunnen, Peterquelle, Juvina und Astoria.

Das Vermeiden von Infektionen, die durch Lebensmittel verursacht werden können, ist insbesondere in der Schwangerschaft wichtig. Das Vermeiden folgender Lebensmittel und Zubereitungen wird empfohlen:

  • Fleisch und Wurst: Beef tartare, Carpaccio, Roastbeef, Steak medium, Rohschinken, Selchwürste, Rohwurst wie Salami, Mettwurst
  • roher Fisch: z. B. geräucherter Lachs oder Sushi, Austern
  • rohe Eiergerichte: wie Tiramisu, Tortencremes mit rohen Eiern, selbst hergestellte Mayonnaise, Minutenei
  • Frischmilch direkt vom Bauernhof
  • Käse aus Rohmilch, Ziegenkäse aus Rohmilch vom Bauernmarkt, Rot- und Gelbschmierkäse wie Romadur oder Limburger, Weichkäse aus Rohmilch wie Brie oder Camembert7

FAZIT FÜR DIE PRAXIS: Ernährungsinformationen sind in der Schwangerschaftsbetreuung besonders relevant. Das Wissen über die Zusammensetzung von Lebensmitteln und gute Kenntnisse über küchentechnische Herstellungsverfahren machen eine qualitativ hochwertige Ernährungsinformation aus. Jede Schwangere sollte die Möglichkeit erhalten, eine diätologische Beratung in Anspruch zu nehmen.

 

1 Grasshoff K. et al., Ernährungs-Umschau 2003; 50:496-499

2 Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE), Österreichische Gesellschaft für Ernährung (ÖGR), Schweizerische Gesellschaft für Ernährung (SGE), Schweizerische Vereinigung für Ernährung (SVE) (Hrsg): Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr, 1. Aufl. Braus, Frankfurt

3 Elmadfa I., Österreichischer Ernährungsbericht 2008, 77

4 Gehrmann-Gödde S. et al, Der Gynäkologe 2001; 229-243

5 Sioen I. et al., Public health Nutr 2008; 1-10 6 Elmadfa I., Österreichischer Ernährungsbericht 2008; 78 7 Petru C. et al.: Leitfaden zur Ernährung Schwangerer, Universitätsfrauenklinik Graz,2006