Das bedeutet nicht zuletzt, dass es auf die z. T. mit öffentlichen Mitteln entwickelten Vakzine keine Patente und auch keine Vorrechte bei der Zuteilung geben dürfe, wie 19 angesehene Bioethiker unlängst in „Science“1 forderten. Bei ihrem Fair Priority Model handelt es sich um einen 3-Phasen-Plan, dessen Ziel es ist, irreversible Gesundheitsfolgen und vorzeitige Todesfälle zu vermeiden, aber nicht nur!
Der 3-Phasen-Plan: Phase 1 zielt darauf ab, irreversible direkte und indirekte Auswirkungen auf die Gesundheit zu vermeiden.
Phase 2 zielt zusätzlich darauf ab, schwerwiegende wirtschaftliche und soziale Benachteiligungen zu verringern, die Arbeitslosigkeit zu senken, der Armut entgegenzusteuern und die Gesundheit insgesamt zu verbessern.
Phase 3 zielt darauf ab, die COVID-19-Ausbreitung zu verringern, nicht zuletzt um die Wiederherstellung von „Freiheiten“, wie sie vor der Pandemie bestanden, also vor allem soziale Aktivitäten wieder zu ermöglichen.
Die Implementierung jeder dieser Phasen erfordert die Bestimmung der Menge von Impfstoffdosen, die das Land erhalten sollte. Das bedeutet, dass zunächst Länder mit höheren Übertragungsraten zu priorisieren sind, aber schließlich allen Ländern eine ausreichende Impfstoffmenge zugeteilt werden sollte, um Neuinfektionen zu vermeiden; das setzt voraus, dass 60–70 % der Bevölkerung immun sind.
Das Fair Priority Model richtet sich insbesondere an drei Institutionen/Gruppen:
Mehrere Nationalstaaten sind allerdings gegen eine faire Impfstoff-Verteilung, man spricht deshalb von Impfstoffnationalismus. So geht in einigen Ländern die öffentliche Meinung in Richtung Beibehaltung von Impfstoffen, die innerhalb ihrer Grenzen entwickelt wurden; diese nationale Parteilichkeit wird auch als ethisch verteidigt. Es reicht in diesem Kontext allerdings, eine klare Obergrenze zu identifizieren, also nicht mehr Impfstoff als jene Menge beizubehalten, die erforderlich ist, um die Übertragungsrate (Rt) unter 1 zu drücken.
Neben dem Fair Priority Model gibt es u. a. noch zwei weitere Vorschläge für die internationale Verteilung von COVID-19-Impfstoffen:
Erstens schlägt die WHO vor, dass die Länder initial Impfstoffmengen erhalten sollten, die proportional zur Bevölkerungszahl sind, und zwar vorerst für 3 % der Bevölkerung; im Weiteren würde die Zuteilung fortgesetzt werden, bis jedes Land 20 % seiner Bevölkerung geimpft hat. Dagegen spricht allerdings, dass bevölkerungsreiche Länder in deutlich unterschiedlichem Ausmaß von vorzeitigem Tod und von wirtschaftlicher Zerstörung betroffen sind. Gegen diese Regelung spricht auch, dass z. B. Länder, die die Virusübertragung ohne Impfstoff wirksam unterdrückt haben, benachteiligt und diejenigen belohnt werden, die ineffektiv reagiert haben.
Der zweite Vorschlag geht von einer Impfstoffzuteilung nach der Anzahl der Beschäftigten im Gesundheitswesen sowie dem Anteil der Bevölkerung über 65 Lj. und der Menschen mit Komorbiditäten aus. Auch dieser Vorschlag ist problematisch. Länder mit niedrigem Einkommen haben weniger Beschäftigte im Gesundheitswesen und auch weniger ältere Einwohner.
Die EU schloss mit Pharmafirmen bereits Vorverträge für 1,5 Mrd. Impfdosen ab, für 447 Mio. EU-Bürger sollte damit, auch bei eventuell benötigten 2 Impfdosen, genug Impfstoff zur Verfügung stehen; der Rest soll aus „globaler Verantwortung“ an volkswirtschaftlich ärmere Länder gehen.