Gyn-Aktiv: Herr Professor Fischer, sie haben im Oktober 2011 das Primariat für die gemeinsame Leitung der Universitätsklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe und der Universitätsklinik für spezielle Gynäkologie übernommen. Waren diese beiden Bereiche denn früher getrennt?
Die beiden Universitätskliniken wurden bis zu meiner Übernahme getrennt geführt – meine beiden Vorgänger, Herr Univ.-Prof. Alfons Staudach und Herr Univ.-Prof. Rainer Menzel, haben die gynäkologischen Universitätskliniken in Salzburg zu einer der größten Frauenkliniken im deutschsprachigen Raum hervorragend entwickelt. Zu meinen Zielen gehört es unter anderem, diese Position weiter auszubauen und die gute Vorarbeit, die meine Vorgänger geleistet haben, durch Anvisierung vieler Ziele fortzusetzen. Diskussionen über die Möglichkeit einer Zusammenlegung gab es bereits seit vielen Jahren. Nach heftiger, z. T. auch öffentlich ausgetragener Diskussion ist glücklicherweise die Klinik am 1. Oktober als Nachfolge von Univ.-Prof. Staudach und Univ.-Prof. Menzel in Form eines gemeinsamen Primariats für beide Universitätskliniken besetzt worden. Die Idee der Zusammenlegung halte ich für eine gute. Die fachliche Kontinuität im Bereich der Senologie wird dabei durch den überregional bekannten ltd. Oberarzt für Senologie, Priv.-Doz. Dr. Roland Reitsamer gewährleistet.
Auf welche Erfahrungen können sie zurückblicken, die ihnen für diese Position zugutekommen?
Nach meiner Dissertation und darauffolgenden Habilitation in Erlangen war ich 6 Jahre als leitender Oberarzt an der Frauenklinik der Technischen Universität München, Klinikum rechts der Isar, tätig. Im Jahr 2007 wurde ich Primar der Frauenklinik in Landshut, wo ich bis 2011 sehr viele wichtige Erfahrungen sammeln konnte, die mir für meine Tätigkeit in Salzburg zugutekommen. Ich kann auf die Gründung eines Level-I-Perinatal- und eines zertifizierten Brustzentrums zurückblicken und verzeichnete in Landshut in allen Bereichen jährlich 2–3-stellige Zuwachsraten. Auch das interdisziplinäre Brustzentrum in Salzburg weist seit vielen Jahren starke Zuwachsraten auf. Dieser Entwicklung möchte ich Rechnung tragen, und es stellt für mich ein Anliegen dar, die kooperative Zusammenarbeit mit anderen Fachgebieten weiter auszubauen, ohne die Eigenständigkeit der Frauenklinik aufzugeben.
Wo liegen denn ihre persönlichen Schwerpunkte innerhalb der Gynäkologie und welche Vorteile sehen sie in der Zusammenlegung der beiden gynäkologischen Universitätskliniken?
Meine persönlichen Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Senologie und der Perinatalmedizin. Diese möchte ich auch wissenschaftlich weiter verfolgen. Glücklicherweise wurde ich in den Universitätskliniken Erlangen und dem Klinikum rechts der Isar umfassend in allen wichtigen Bereichen unseres Faches ausgebildet. Die Schwerpunkte der Salzburger Frauenklinik mit gynäkologischer Onkologie, Senologie, Perinatalmedizin und Reproduktionsmedizin liegen mir sehr am Herzen. Daher strebe ich eine gezielte Förderung und Verknüpfung dieser vier Schwerpunkte an, denn ich halte es für ausgesprochen wichtig, dass alle Teile unserer Frauenklinik „unter einem Dach“ miteinander verbunden sind. Dies bildet die Grundlage für die umfassende Ausbildung der nachfolgenden Generationen, aus der heraus Spezialisierungen stattfinden können. Ich lege sehr viel Wert darauf, dass das spannende und umfangreiche Fach zusammengehalten wird. Wenn wir das Fach in viele Teilbereiche zergliedern würden, würde die Gefahr bestehen, dass der bereits nachweisbare Ärzteschwund noch größer werden würde, da sich angehenden Gynäkologen und Gynäkologinnen in erster Linie aufgrund der breiten Palette an einzelnen Unterdisziplinen für dieses spannende Fach entscheiden. Die umfassende Ausbildung in allen Bereichen stellt die Basis für die zukünftige Versorgung auf dem medizinischen Sektor im Bereich der Gynäkologie und Geburtshilfe dar und wird helfen, Leitungspositionen weiterhin gut zu besetzen.
Welche Maßnahmen können sie sich vorstellen, um die Zukunft des Faches sicherzustellen?
Einerseits müssen Maßnahmen entwickelt werden, um dem großen Auswanderungsdruck ins benachbarte und ins ferne Ausland Einhalt zu gebieten – aufgrund der z. T. besseren Arbeitsbedingungen stellt es für viele Mediziner einen hohen Anreiz dar, im Ausland tätig zu sein. Gemeinsam mit den Sozialversicherungsträgern und der Politik sollen Strukturen entwickelt werden, um attraktive Arbeits- und Karrierebedingungen in den österreichischen Krankenhäusern zu schaffen. Andererseits ist es wichtig, dass Möglichkeiten entwickelt werden, damit Frauen Beruf und Familie auf zufriedenstellende Weise miteinander verbinden können: In Österreich sind bereits über 70 % der Facharztanwärter/-innen weiblich, in Deutschland beträgt dieser prozentuelle Anteil in der Frauenheilkunde sogar 84 %. Ich lege besonderen Wert auf eine gezielte Frauenförderung, im Rahmen derer die Ärztinnen motiviert werden, gezielt Karrierewege einzuschlagen. Das beinhaltet jedoch auch, dass seitens der jungen Gynäkologinnen die Bereitschaft besteht, Verantwortung zu übernehmen und die schwierigen Herausforderungen auf dem Karriereweg zu meistern. Dazu gehört nicht nur eine fundierte Facharztausbildung, sondern auch die zeitliche Investition in Forschung und Studienbetreuung. Im Rahmen der OEGGG (Österreichische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe) habe ich den Eindruck, dass die Problematik von den Mitgliedern zunehmend erkannt wird und die Bereitschaft gegeben ist, konstruktive Lösungen zu entwickeln.
Österreich ist auf dem medizinischen Sektor sehr erfolgreich – sowohl die medizinischen Universitäten als auch die Landeskrankenhäuser sind gut miteinander vernetzt. Die Gesundheitsmärkte entwickeln sich jedoch supranational; unsere Patientinnen kommen zunehmend auch aus dem benachbarten Ausland. Ich würde es deshalb als erstrebenswert erachten, dass aus dieser starken Position Österreichs unter Wahrung der Autarkie weitere Vernetzungen mit dem deutschsprachigen Ausland forciert werden, was beispielsweise im Rahmen der gemeinsamen Erstellung von Leitlinien oder Adaptierung dieser erfolgen könnte.
Wie sehen sie demnach die zukünftige Positionierung des Fachs, welche Fragen sind noch offen?
In erster Linie erachte ich es als essenziell, dass die Eigenständigkeit des Fachs erhalten bleibt. Gleichzeitig ist es aber auch wichtig, sinnvolle Kooperationen mit anderen Fachgebieten einzugehen. Beispielsweise besteht in unserer Klinik bereits eine vertrauensvolle und erfolgreiche Zusammenarbeit u. a. mit der Radioonkologie, Radiologie, Nuklearmedizin, Urologie, Viszeralchirurgie und natürlich mit unserer Pädiatrie.
Was die zukünftige Positionierung betrifft, sind sehr viele medizinische Fragen immer noch unbeantwortet, beispielsweise, wie man eine Reduktion der kontinuierlich zunehmenden Rate an Frühgeburten erzielen kann. Ein anderer Problembereich ist durch die zunehmende Überalterung der Gesellschaft gegeben – im Jahr 2050 werden über 36 % der Österreicher und Österreicherinnen über 60 Jahre alt sein. Viele Themen werden uns durch die demografische Entwicklung vorgegeben. Ebenso werden die onkologischen Patienten immer älter, die onkologischen Therapien immer kostenintensiver und dadurch zunehmend schwerer finanzierbar. Die Überalterung der Bevölkerung und die Therapiefinanzierbarkeit stellen enorme Herausforderungen für das Sozialsystem dar – je früher wir uns mit diesen Problemen auseinandersetzen, umso besser sind wir auf die Zukunft vorbereitet.
Dabei spielt sicher auch die ethische Vertretbarkeit eine Rolle – immerhin sind zunehmend neue Therapien verfügbar, wobei die moderne Therapie mit Biologika wesentlich kostenintensiver ist, als dies für die chemotherapeutischen Substanzen zutrifft. Wie könnte man ihrer Meinung nach bei der Lösungsfindung für diese heikle Frage vorgehen?
Natürlich müssen wir uns darüber klar werden, wie eine optimale Medizin langfristig in unserem System finanzierbar bleibt. Medizin ohne Finanzierung wäre ethisch nicht umsetzbar und vertretbar, aber wir Mediziner können uns in die Diskussion noch mehr einbringen und überlegen, wie wir in den Kliniken die Ressourcen optimaler steuern können. Dazu gehört es, ein Gesamtkonzept für das zu entwickeln, was medizinisch sinnvoll ist. Aus diesem Grund habe ich als erste Frauenklinik Österreichs mit Priv.-Doz. Dr. Volker Jacobs einen international bekannten Arzt und Gesundheitsökonomen engagiert, der damit betraut ist, optimale Antworten für die Realisierbarkeit der Medizin der Zukunft unter Berücksichtigung der ethischen Aspekte zu finden.
Wie sind sie denn in Österreich aufgenommen worden?
Von den Mitgliedern der OEGGG und von nahezu allen Kollegen und Kolleginnen in Salzburg wurde ich ausgesprochen nett und extrem kollegial aufgenommen. Ich bin mir sicher, dass unsere Frauenklinik zukünftig innerhalb unserer Universität mit vielen anderen Kliniken und Forschungsgruppen klinisch und wissenschaftlich erfolgreich zusammenarbeiten wird. Ich bin seit vielen Jahren mit den österreichischen Universitätskliniken gut vernetzt und war im Rahmen meiner Dissertation ein Jahr bei Herrn Prof. Falko Skrabal in Graz in der Forschung tätig. Ganz besonderes habe ich mich über mein Team gefreut, das nach der schwierigen Berufungszeit schnell wieder Fuß gefasst hat. Letztendlich bilden die engagierte und loyale Art und die hervorragende Ausbildung meiner Teammitglieder die Grundlage des Erfolges der Salzburger Klinik. Gleichzeitig war es natürlich günstig, dass ich 8 Stellen besetzen konnte. Dadurch kam ein weiterer frischer Wind in die Klinik, die dadurch profitiert hat. Beispielsweise haben wir die leitenden Oberarztstellen für Endokrinologie und Reproduktionsmedizin mit Dr. Michael Sommergruber und die leitende gynäkologisch operative Oberarztstelle mit Dr. Gerhard Bogner hervorragend besetzt. Die aus Deutschland stammende Oberärztin Dr. Pia Wolfrum-Ristau ist nicht nur Psychoonkologin, sondern steht gleichzeitig unmittelbar vor ihrem Abschluss zum „Master of Oncology“. Aber auch die Karrierewege der übernommenen Kollegen haben sich fortgesetzt. Frau Dr. Gabi Haitzmann wurde Oberärztin für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie und Dr. Horst Koch Oberarzt für gynäkologische Onkologie. Sie sehen, in Salzburg bewegt sich viel und ich freue mich sehr auf die sicherlich spannende und hoffentlich kreative Zeit.
Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg bei der Umsetzung ihrer Vorhaben!