Serie: Virusinfektionen in der Schwangerschaft – Teil 1 – CMV-Infektion in der Schwangerschaft

Eine Erstinfektion mit diesem Virus während der Schwangerschaft bedeutet für den Fetus ein Infektionsrisiko von 30-40%. Bei rekurrierender CMV-Infektion (Reinfektion und Reaktivierung) während der Schwangerschaft kommt es – soweit das auf der Basis der verfügbaren Daten beurteilbar ist – in 1,4% der Fälle zu einer fetalen Infektion. Das Risiko sowohl für Schäden, die schon bei der Geburt manifest sind, als auch für Spätfolgen ist bei der rekurrierenden Infektion insgesamt wesentlich geringer.1

Anlass zur Hoffnung, einer CMV-Infektion bei werdenden Müttern nicht mehr ganz hilflos gegenüberzustehen, gab eine 2005 im “New England Journal of Medicine” veröffentlichte Studie. Die Ergebnisse zeigten, dass durch die prophylaktische oder therapeutische Gabe von CMV-Hyperimmunglobulin bei Schwangeren mit einer CMV-Erstinfektion das Risiko für die Kinder, eine kongenitale CMV-Infektion beziehungsweise CMV-Erkrankung zu entwickeln, signifikant reduziert werden konnte.2 Allerdings sind die Ergebnisse dieser Studie, vor allem aufgrund des Studiendesigns, nach wie vor umstritten und ihre Bestätigung durch Folgestudien eine absolute Notwendigkeit. In einer derzeit in Europa laufenden multizentrischen Studie, an der auch die Klinik für Frauenheilkunde der Medizinischen Universität Wien teilnimmt, wird die Effizienz und Sicherheit der Gabe von CMV-Hyperimmunglobulin bei einer CMV-Erstinfektion in der Schwangerschaft weiter evaluiert (H. Kiss und W. Dietrich, Gyn-Aktiv 1/2011).
Da jedoch die Wirksamkeit des CMV-Hyperimmunglobulins noch nicht gesichert ist und eine spezifische Prophylaxe durch eine Impfung nicht zur Verfügung steht, möchten wir in diesem Beitrag auf die derzeit schon verfügbaren Maßnahmen eingehen, die das Risiko einer CMV-Erstinfektion in der Schwangerschaft mit ihren möglichen schwerwiegenden Folgen für das Kind3 effizient verringern können.

CMV-Seroprävalenz und Erstinfektionsrisiko

Welche Frauen sind für eine Erstinfektion mit CMV besonders gefährdet? Das Fehlen von CMV-spezifischen IgG-Antikörpern und damit das Risiko für eine CMV-Erstinfektion ist von verschiedenen Faktoren abhängig: dem Alter der Frauen, der Anzahl der vorangegangenen Schwangerschaften, der Ethnizität und dem sozialem Status. Die Seroprävalenzen bei Frauen im gebärfähigen Alter liegen je nach untersuchter Bevölkerungsgruppe zwischen 45% und 100%.4 Daten für den Raum Wien werden in der derzeit laufenden Studie an der Klinik für Frauenheilkunde der Medizinischen Universität Wien erhoben. Eine von uns durchgeführte retrospektive Analyse der CMV-IgG-Antikörperbestimmungen bei Patientinnen, die in den Jahren 2007-2010 (n = 1.419) an der Klinik für Frauenheilkunde der Medizinischen Universität Wien betreut wurden, zeigte eine mediane Seroprävalenz von knapp 70%. Das bedeutet, dass im Raum Wien circa 30% der untersuchten Frauen für eine Erstinfektion mit CMV empfänglich sind.

Begrenztes Wissen über die kongenitale CMV-Infektion

Mehrere Studien haben gezeigt, dass trotz der Häufigkeit der kongenitalen CMV-Infektion nur wenige Frauen jemals von diesem Virus gehört haben. Das Wissen über die möglichen Folgen einer CMV-Infektion in der Schwangerschaft, über die Übertragungswege und die Maßnahmen zur Prävention ist noch geringer.5, 6 Jeon et al.7 etwa befragten in ihrer 2006 publizierten Studie 643 Frauen in 7 verschiedenen Zentren in den USA zu diesem Thema und konnten zeigen, dass die kongenitale CMV-Infektion weniger bekannt war als alle anderen Erkrankungen, nach denen in dieser Untersuchung gefragt wurde (Abb.).
Die Ursache dafür liegt wohl darin, dass Aufklärung über die Übertragungswege und Bewusstseinsbildung über diese Virusinfektion sowie die Bestimmung von CMV-spezifischen IgG-Antikörpern bei werdenden Müttern oder im Rahmen von Beratungsgesprächen für “Prepare for Pregnancy” in der gynäkologischen Praxis noch nicht etabliert sind. Das American College of Obstetricians and Gynecologists (ACOG) etwa empfiehlt die Beratung schwangerer Frauen über die Möglichkeiten, eine Infektion mit CMV zu vermeiden. Studienergebnisse zeigen aber, dass leider weniger als die Hälfte der amerikanischen Gynäkologen diese Beratung auch tatsächlich durchführen.5
Um in Europa der CMV-Infektion in der Schwangerschaft den entsprechenden Stellenwert einzuräumen, wurde die European Congenital CMV Initiative (ECCI) gegründet. Auf der Homepage der Initiative (http://www.ecci.ac.uk/Home.asp) sind die aktuellen Empfehlungen publiziert: “Recommendations from the Second Meeting of the ECCI” (revised June 20th, 2006)8. Unter anderem wird empfohlen, Frauen über die Möglichkeit der Bestimmung ihres CMV-IgG-Antikörperstatus zu informieren, um CMV-seronegative Frauen mit einem Risiko einer Erstinfektion zu identifizieren.

Empfehlungen bei Kinderwunsch und für werdende Mütter

Übertragungswege: CMV wird durch direkten Kontakt mit Speichel, Urin, Muttermilch und Genitalsekrete übertragen. Die wichtigste Ansteckungsquelle für Schwangere sind Kleinkinder, die, ohne klinische Zeichen einer Erkrankung, CMV in hohen Konzentrationen im Harn und im Speichel über Monate bis Jahre ausscheiden können. CMV-seronegative Frauen können durch Expositionsprophylaxe und durch einfache hygienische Maßnahmen das Risiko einer CMV-Primärinfektion deutlich reduzieren: In einer großen Interventionsstudie in Frankreich konnte eindeutig gezeigt werden, dass Beratung von werdenden Müttern über Hygienemaßnahmen die Rate von CMV-Erstinfektionen in der Schwangerschaft effizient senken konnte (Serokonversionsrate von 0,19% im Vergleich zu 0,9-1,4%).9

Maßnahmen für die Vermeidung der Virusübertragung: Folgende Maßnahmen werden einheitlich von der European Congenital CMV Initiative, den Centers for Disease Control and Prevention (CDC) und dem Amerikanischen College of Obstetricians and Gynecologists (ACOG) empfohlen und haben sich als sehr wirksam erwiesen:3, 8

  • gründliches Händewaschen mit Seife und warmem Wasser nach folgenden Tätigkeiten:
    – nach dem Wechseln der Windeln
    – nach dem Füttern oder Baden eines Kindes
    – nach dem Naseputzen oder Speichelwegwischen
    – nach dem Hantieren mit Kinderspielzeug
  • kein gemeinsames Verwenden von Gläsern, Tellern, Besteck, Essen, Zahnbürsten, Handtüchern oder Waschlappen
  • kein Küssen auf den Mund/nahe beim Mund
  • sorgfältige Reinigung von Spielsachen und alle anderen Oberflächen, die mit Harn oder Speichel in Berührung Kommen

Besonders CMV-seronegative Schwangere, die etwa durch ihren Beruf (Kindergärtnerinnen) oder als Mütter von Kleinkindern einem erhöhten CMV-Übertragungsrisiko ausgesetzt sind, sollten über die Übertragungswege und diese hygienischen Maßnahmen aufgeklärt werden.
Dass die Bereitschaft der Frauen, diese Hygieneempfehlungen einzuhalten, in hohem Maß gegeben ist, konnte in einer rezenten Studie gezeigt werden. Die Mehrheit der werdenden Mütter gab an, dass für sie die empfohlenen Maßnahmen zur CMV-Prävention “sehr leicht” oder “einigermaßen leicht” umzusetzen waren.5
Darüber hinaus sollten werdende Mütter darauf hingewiesen werden, dass CMV auch sexuell übertragen werden kann und es daher sinnvoll ist, ungeschützte sexuelle Kontakte in der Schwangerschaft zu vermeiden.

Zusammenfassung: Solange es keine spezifische Prophylaxe einer CMV-Infektion in der Schwangerschaft gibt, sind die beschriebenen Maßnahmen die einzige Möglichkeit, das Risiko einer CMV-Erstinfektion zu reduzieren.
Es sollte daher aus unserer Sicht alles unternommen werden, allen Frauen in Österreich kompetente Beratung und Aufklärung anzubieten. Nur auf diese Weise kann Wissen auf breiter Basis geschaffen werden, das mit jenem über Röteln und über andere, die Gesundheit des werdenden Kindes bedrohende Infektionen und Erkrankungen vergleichbar ist.
Zum Abschluss möchten wir aus einer Publikation von Gail J. Demmler-Harrison, die als Kinderärztin in Texas mehr als 25 Jahre Erfahrung mit der Diagnose und Behandlung von Babys mit kongenitaler CMV-Infektion hat, zitieren: “The transformation of knowledge into action that can be implemented now to alleviate the human suffering and economic and social burdens associated with congenital cytomegalovirus infection and disease is the topic of this discussion.”10 Das sollte auch unser gemeinsames Thema werden

 

Literatur:
1) Kenesson A., Cannon M.J.: Review and meta-analysisis of the epidemiology of congenital cytomegalovirus (CMV) infection. Rev Med Virol 2007; 17:253-276
2) Nigro G. et al.: Passive Immunization during Pregnancy for Congenital Cytomegalovirus Infection. N Engl J Med 2005; 353:1350-62
3) Centers for Disease Control and Prevention.
http://www.cdc.gov/cmv/index.html
4) Cannon M.J. et al.: Review of cytomegalovirus seroprevalence and demographic characteristics associated with infection. Rev Med Virol 2010 Jul; 20 (4):202-13
5) Cannon M.J.: Congenital cytomegalovirus (CMV) epidemiology and awareness. J Clin Virol 2009 Dec; 46 Suppl 4:S6-10
6) Ross D.S. et al.: Women’s Knowledge of Congenital Cytomegalovirus: Results From the 2005 HealthStylesTM Survey. J Womens Health (Larchmt) 2008 Jun; 17 (5):849-58
7) Jeon J. et al.: Knowledge and awareness of congenital cytomegalovirus among women. Infect Dis Obstet Gynecol 2006; 2006:1-7
8) European Congenital Cytomegalovirus Initiative.
http://www.ecci.ac.uk/Pages/Recommendations. asp
9) Valoup-Fellous C. et al.: Does hygiene counseling have an impact on the rate of CMV primary infection during pregnancy? Results of a 3-year prospective study in a french hospital. J Clin Virol 2009 Dec; 46 Suppl 4:S49-53
10) Demmler-Harrison G.J.: Congenital Cytomegalovirus: Public health action towards awareness, prevention, and treatment. J Clin Virol 2009 Dec; 46 Suppl 4:S1-5