Vielfalt an Symptomen, Entstehungshypothesen und therapeutischen Zugängen – Das prämenstruelle Syndrom

Beschwerdencharakteristik

Der Schweregrad eines PMS ist intraindividuell relativ konstant, interindividuell aber sehr variabel. Von der Mehrzahl der Frauen werden nur geringgradige psychische und physische Veränderungen angegeben, wie z. B. milde Formen von Depressivität, Gereiztheit, Ängstlichkeit, Impulsivität, Stimmungsschwankungen, Kopfschmerzen, Spannungsgefühl in den Brüsten, Gewichtszunahme und das Auftreten von Ödemen im Bereich der unteren Extremitäten. Insgesamt sind bis zu 100 verschiedene Symptome beschrieben worden, wobei diese Beschwerden nicht selten von Zyklusstörungen im Sinne von Tempoanomalien begleitet werden. Bei bis zu 5% der Patientinnen besteht eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Alltagslebens, bedingt durch dysphorische Störungen entsprechend einer PMDD (Premenstrual Dysphoric Disorder). Wichtig ist es festzuhalten, dass die Beschwerden nur im Rahmen von ovulatorischen Zyklen mit anschließender Ausbildung eines Corpus luteum auftreten, bei Anovulation oder vollständiger Unterdrückung der ovariellen Hormonproduktion durch Medikation mit GnRH-Analoga kommt es nicht zu PMS-Symptomen, ebenso nicht nach beidseitiger Ovarektomie, es sei denn, die Patientin steht unter einer Östrogen-Gestagen-Hormonersatztherapie. Oftmals verstärken sich die Beschwerden mit zunehmendem Alter und können bis zum Eintritt der Menopause bestehen bleiben.

Ätiologie

Die Ätiologie des PMS ist bisher weitgehend ungeklärt, man vermutet ein multifaktorielles Geschehen im Sinne von psychoendokrinologischen, biologischen, psychosozialen und ge netischen Komponenten, in Abhängigkeit von der Persönlichkeit. Festzuhalten ist weiters, dass das PMS unabhängig von sozialem Status, Bildungsstand und ethnischer Zugehörigkeit ist. Verschiedentlich konnten genetisch determinierte Verbindungen zwischen PMS und psychiatrischen Erkrankungen aufgezeigt werden. Die Vererbbarkeit des PMS wird auf ca. 35% geschätzt, bei Zwillingen ist dieser Prozentsatz noch deutlich höher.
Es ist eine Reihe von pathogenetischen Hinweisen bezüglich der Auslösungsmechanismen des PMS beschrieben worden, sie alle unterstützen die Hypothese, dass es bei Frauen mit PMS zu veränderten zentralnervösen Regulationsvorgängen bzw. zu verstärkter neurobiologischer Reaktivität auf normale Östradiol- und Progesteron-Serumspiegel kommt. Serotonin ist als Modulator für Stimmung und Befindlichkeit im ZNS bekannt.
Die serotoninerge Transmission im ZNS wird durch Östradiol und Progesteron beeinflusst. Östradiol erhöht die Anzahl zentraler 5-Hydroxy-Tryptamin-(5-HAT)-Rezeptoren, beim PMS ist in folgedessen 5-HT im Serum vermindert. Durch Medikation mit Tryptophan oder Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) ist die zentralnervöse PMS-Symptomatik zu verbessern. Beim PMS findet sich eine verminderte GABA-/Benzodiazepin- Rezeptor-Empfindlichkeit. Der Progesteronmetabolit Pregnanolon bindet an zentrale GABA-Rezeptoren und übt so eine inhibitorische Wirkung auf die Neurotransmission aus. Bei einigen Patientinnen ist außerdem ein erhöhter Prolaktin- (PRL)-Spiegel bzw. eine veränderte Dynamik mit einem veränderten zirkadianen Rhythmus und verschobenem PRL-Peak zu diagnostizieren. Frauen mit PMS weisen überdies eine verminderte zentralnervöse Opioidaktivität auf, zusätzlich werden verminderte Betaendorphin- und ACTH-Serumspiegel gefunden. Und nicht zuletzt ist Melatonin, verantwortlich für den Schlafwach- Rhythmus, bei Frauen mit PMS funktionell verändert. Die nächtliche Melatoninkonzentration ist vermindert, was zu einer Störung der inneren Uhr bzw. zu Störungen der Melatoninabhängigen Kopplungsmechanismen und somit zu Schlafstörungen führt (Abb.).

Diagnostische Kriterien

Da es wegen der umfangreichen Beschwerdesymptomatik bis dato keine einheitlichen diagnostischen Laborparameter gibt, wurde versucht, standardisierte, objektivierbare Kriterien festzulegen, bei deren Vorhandensein die Diagnose PMS gestellt werden kann. Wichtig für die Erfassung der Symptome ist das Führen eines Tagebuchs über zumindest 2-3 Zyklen, in dem alle mit dem Zyklus in Zusammenhang stehenden Beschwerden entsprechend ihrer Dauer und Intensität dokumentiert werden, um den Schweregrad des PMS einschätzen zu können (Tab. 1). Die Definition des American College of Obstetricians and Gynecologists ACOG* ist ein verlässliches Instrument zur Evaluation eines PMS: Es muss mindestens eines der folgenden affektiven oder körperlichen Symptome während der letzten 5 Tage vor der Menstruation in jedem der letzten 3 Zyklen vorliegen: Depressivität, Wutausbrüche, Reizbarkeit, Ängstlichkeit, Verwirrtheit, sozialer Rückzug (affektiv), Brustspannen, aufgeblähtes Abdomen, Kopfschmerzen, Ödembildung im Bereich der Extremitäten (Tab. 2).

Therapie

Die Therapie des PMS ist bei weitgehender Unkenntnis der Ätiologie immer symptomatisch.
Nicht-medikamentöse Therapiemaßnahmen können zunächst bei Patientinnen mit milder Symptomatik vorgeschlagen werden. Dazu zählen eine Änderung des Lebensstils mit erhöhter körperlicher Aktivität, Stressreduktion, Änderung der Ernährungsgewohnheiten, Verzicht oder Reduktion von koffein- und alkoholhaltigen Getränken, Nahrungsergänzungsmittel mit Kalzium und Magnesiumsubstitution und ausreichend Schlaf (Tab. 3). Diätetische Maßnahmen haben in der Behandlung des PMS eine große Bedeutung.
Eine Ernährungsumstellung und die zusätzliche Gabe von Vitaminen zählen neben der körperlichen Betätigung und Sport zu den wirkungsvollsten Maßnahmen. Verschiedene Quellen empfehlen insbesondere die Reduktion der Zufuhr von Fett, Zucker, Salz, Alkohol und Koffein. Bei Patientinnen mit Wasserretentionssymptomatik hat sich der Verzicht auf Koffein bewährt, ebenso soll die hochdosierte Gabe der Vitamine A, B6 und E einen günstigen Einfluss auf die Beschwerden haben. Untersuchungen haben weiters ergeben, dass die tgl. Gabe von 1.200 mg Kalzium positiven Einfluss auf die Beschwerden hat. Aufgrund dieser Ergebnisse wird die Steigerung der Zufuhr von Milchprodukten empfohlen. Auch Nachtkerzen-Öl (Oenothera biennis), das reich an Linolensäure und Vitamin E ist, und Fischölkapseln sollen bei PMS hilfreich sein. Agnus castus enthält nachweislich zahlreiche Substanzen mit dopaminerger Aktivität, woraus eine Prolaktinsenkung resultiert. Des Weiteren wird Agnus castus Progesteronwirkung nachgesagt, es wird deshalb zur Zyklusregulation und zur Stützung der Lutealphase eingesetzt. Tatsächlich scheint Agnus castus durch die dopaminergen Eigenschaften eher eine indirekte Progesteronwirkung zu besitzen, womit eine positive Wirkung auf eine latent ausgeprägte Hyperprolaktinämie mit entsprechend positivem Einfluss auf die Follikelreifung gegeben ist. Durch Agnus castus werden Prolaktinspitzen vermieden, es resultiert eine positive Auswirkung auf die Funktion des Corpus luteum. Zur Klärung der Frage bzgl. der Wirksamkeit von Agnus castus bei Patientinnen mit PMS wurde eine prospektiv-randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie durchgeführt. Die Patientinnen in der Verumgruppe erhielten 20 mg Agnus castus täglich. Die Vorteile konnten in verschiedenen Beschwerdebildern (Stimmungsschwankungen, Wutanfälle, Kopfschmerzen, Mastodynie) signifikant belegt werden. Das Gesamtbefinden änderte sich bei 24% der Teilnehmerinnen in der Placebogruppe und bei 52% der Teilnehmerinnen in der Verumgruppe um mindestens 50%.

Endokrine Therapieansätze: Da die Beschwerden zyklusabhängig auftreten, empfiehlt sich bei gleichzeitigem Antikonzeptionswunsch der Einsatz von monophasischen Ovulationshemmern im Langzyklus (v. a. Drospirenon als gestagene Komponente) und der Einsatz von Depot-Gestagenen. Die Wirksamkeit dieser Medikation beruht wahrscheinlich auf der Prostaglandin-antagonistischen Wirkung von Progesteron.
Die Gabe von GnRH-Analoga mit Suppression der ovariellen Hormonproduktion ist wohl die effektivste therapeutische Maßnahme. Sie kommt aufgrund des Nebenwirkungsprofils als Langzeittherapie allerdings nur als Ultima Ratio bei Nichtansprechen auf bisher eingesetzte Therapieformen infrage; in jedem Fall ist eine gleichzeitige “Add back”-Therapie mit transdermalem Östradiol und eine Osteoporoseprophylaxe durchzuführen. Bei Patientinnen, bei denen Mastodynie und Ödembildung die Leitsymptome des PMS sind, sind der Einsatz von Spironolacton, diätetischen Maßnahmen, Agnus-castus-hältigen Mischpräparaten und auch die Gabe von Bromocryptin hilfreich. Dominieren psychische Beschwerden mit den Leitsymptomen Reizbarkeit, Affektlabilität oder auch schwerer Depressivität ist der intermittierende Einsatz von niedrig dosierten selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) Erfolg versprechend.
In jeden einzelnen Fall ist sowohl in Bezug auf die Diagnostik als auch im Rahmen der Therapie eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Frauenärzten, Psychotherapeuten und Psychiatern wünschenswert.

Zusammenfassung: Der Symptomenkomplex des prämenstruellen Syndroms (PMS) besteht charakteristischerweise aus psychischen und/oder körperlichen Beschwerden, die auf die zweite Zyklushälfte beschränkt sind, regelmäßig auftreten und in unterschiedlicher Qualität und Intensität den Alltag der betroffenen Frauen beeinträchtigen. Sinnvoll für die Diagnosefindung erscheint daher das Ausfüllen eines Zyklustagebuches, welches über 2-3 Zyklen durchgeführt werden sollte. In Abhängigkeit des Beschwerdebildes der betroffenen Patientin steht neben einer “Lifestyle”-Änderung eine Vielfalt von Therapiestrategien zur Verfügung. Dabei ist der subjektive Leidensdruck ein wichtiger Wegweiser für jeweils benötigte Therapieform.

* American College of Obstetricians and Gynecologists (ACOG). Premenstrualsyndrome. Washington (DC): American College of Obstetricians and Gynecologists (ACOG) 2000 (Apr. 9 [ACOG practice bulletin; no. 15]). Int J Gynecol Obstet 2001; 73:183-91