Tatsächlich reagiert der Urogenitaltrakt besonders empfindlich auf den postmenopausalen Östrogenabfall, so ist bei etwa der Hälfte aller postmenopausalen Frauen mit einer vulvovaginalen Atrophie zu rechnen, wobei diese etwa 4-5 Jahre nach der Menopause klinisch manifest wird. Während in der Prämenopause, bedingt durch die Produktion von Milchsäure durch die Laktobazillen der Scheide, der vaginale pH-Wert zwischen 3,5-5 liegt, steigt der pH-Wert bei postmenopausalen Frauen, als Folge einer verminderten Kolonisierung der Scheide mit Laktobazillen, auf über 6 an. Außerdem kommt es zur Abnahme der Superfizialzellen und zur Verminderung des Glykogengehaltes der Zellen.
Das Vaginalepithel wird dünn und verletzlich, woraus Trockenheit, vaginaler Juckreiz, Ausfluss und Schmerzen resultieren. Außerdem ist eine Verschiebung des Keimspektrums der Vaginalflora hin zu mehr koliformen Bakterien zu beobachten. Daraus resultieren erhöhte Anfälligkeit für Infektionen und unangenehme Geruchsbilder sowie nicht selten traumatischen Blutungen beim Geschlechtsverkehr. Bei sexuell aktiven Frauen ist bei vulvovaginaler Atrophie die sexuelle Lebensqualität oft durch Dyspareunie, Abnahme des sexuellen Verlangens sowie ungenügende Erregbarkeit und Orgasmusfähigkeit stark eingeschränkt, bei sexuell nicht aktiven Frauen kann die Atrophie außerdem zu einer Verengung, zur Verkürzung bzw. sogar zur Obliteration der Scheide führen.
Diese aus dem Östrogenabfall resultierenden Veränderungen im Bereich des Genitaltraktes korrelieren mit Beschwerden im Bereich der Blase und der Urethra. Häufig wird über Pollakisurie, Drangsymptomatik, Nykturie, Dysurie und Inkontinenz sowie über postkoitale Infekte berichtet, mit nachhaltigem Einfluss auf die Lebensqualität.
In diesem Kontext ist allerdings festzuhalten, dass es nicht nur in der Postmenopause zu diesen Beschwerden kommen kann, sondern auch durch eine Reihe anderer Umstände der Östrogenmangel bedingt sein kann, wie z. B. durch lang andauerndes Stillen sowie durch hormonelle Therapieformen, so u. a. durch Medikation mit selektiven Östrogenrezeptormodulatoren (SERMs), Aromatasehemmern und Langzeittherapie mit Gestagenen. Auch Frauen mit Diabetes mellitus leiden nicht selten unter verminderter vaginaler Lubrikation, wahrscheinlich bedingt durch Neuropathie und diabetische Mikroangiopathie.
Ungerechtfertigte Vorbehalte gegen Goldstandard: Die Diagnose einer vulvovaginalen Atrophie lässt sich anhand einer entsprechenden Anamnese und der klinischen Untersuchung im Rahmen der gynäkologischen Routine stellen. Obwohl bis zu 40% aller postmenopausalen Frauen über die typischen Beschwerden berichten, nimmt nur eine von 4 Frauen medizinische Hilfe in Anspruch. Tatsächlich haben viele Frauen Vorbehalte gegen eine Hormontherapie, nicht zuletzt wegen der Vielzahl von negativen Berichten mit Hinweisen auf ein möglicherweise erhöhtes Risiko für Brustkrebs, für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Schlaganfall. Allerdings besteht kein Zusammenhang zwischen einer lokalen Hormonbehandlung bei vaginaler Atrophie und den potenziellen Risiken einer systemischen HRT. Es ist deshalb unsere Aufgabe, der Patientin mit Beschwerden sowohl die Vorteile als auch die Sicherheit einer topischen Östrogenbehandlung näher zu bringen und sie außerdem darüber zu informieren, dass es sich um eine Langzeitbehandlung handelt.
Eine lokale vaginale Östrogenbehandlung ist bei Frauen mit Urogenitalatrophie und Beschwerden der Goldstandard. Sie ist bei dieser Indikation nicht nur sicherer als eine systemische Hormonersatztherapie, sondern auch wirksamer.
Unterschiedliche Applikationsoptionen: Die lokale Östrogenbehandlung kann in Form von Tabletten, Vaginalzäpfchen/Ovula, Cremen oder Vaginalring durchgeführt werden. Verwendung finden konjugierte equine Östrogene, Östradiol, Östriol oder Östron. Erwähnenswert ist allerdings, dass die Östrogene vor allem zu Beginn der Therapie, wenn also das Vaginalepithel noch atroph ist, durch die Vaginalwand resorbiert werden, womit von einer systemischen Partialwirkung auszugehen ist. Wird das Epithel als Folge der Behandlung reifer, so nimmt die Resorptionsrate ab. Ab diesem Zeitpunkt sind außerdem niedrigere Hormondosierungen (zur Vermeidung eines Rezidivs der Atrophie) notwendig. Zum Einsatz sollte vor allem ein Östrogen mit geringer Östrogenpotenz, so in erster Linie Östriol kommen. Östriol hat eine exzellente Wirkung im Bereich der Scheide mit trotz Resorption nur begrenztem systemischem Effekt. Da Östriol ein schwaches Östrogen ist, das nicht zu Östron oder Östradiol konvertiert wird, ist die systemische Wirkung zu vernachlässigen. Zäpfchen, Tabletten und der Östradiol-Vaginalring scheinen nach einem Review hinsichtlich einer Besserung von Symptomen der vaginalen Atrophie gleich wirksam und im Vergleich zu Placebo und nichthormonellen Gelen signifikant wirksamer zu sein, wobei der Vaginalring und die Tabletten im Gegensatz zu Zäpfchen und Cremen weniger Ausfluss verursachen. Wenn allerdings das Beschwerdebild einer sexuellen Dysfunktion im Vordergrund steht, kann die zusätzliche Lubrikation durch Zäpfchen und Cremen von Vorteil sein. Die individuelle Präferenz der Patientin entscheidet über die Wahl des Präparates.
Gestagenzusatz notwendig? Da topische Östriolpräparate des Endometrium nicht stimulieren, ist keine Notwendigkeit für eine gleichzeitige Gestagengabe gegeben. Weder die International Menopause Society noch die North American Menopause Society befürworten die additive Gabe von Gestagenen bei Frauen unter Östrioltherapie. Hingegen kann sowohl bei Präparaten mit konjugierten Östrogenen als auch unter Östradiolmedikation eine Stimulierung des Endometriums nicht ausgeschlossen werden.
Therapiedauer: Die Mehrzahl der behandelten Frauen berichtet bereits ungefähr nach 3-4 Wochen Behandlungsdauer über eine substanzielle Linderung der Beschwerden, obschon es bei einigen Patientinnen auch etwas länger dauern kann, bis eine adäquate Besserung einsetzt. Insgesamt ist davon auszugehen, dass es unter längerfristiger Anwendung von niedrig dosierten, vaginalen Östriolpräparaten bei ungefähr 80-90% der Frauen zu einer subjektiven Verbesserung kommt.
Lokale Östrogenbehandlung nach gynäkologischen Malignomen und Mammakarzinom: Plattenepithelkarzinome der Cervix uteri sind nicht hormonsensibel. Eine topische Östradioltherapie ist demnach möglich, doch kann eine lokale Radiotherapie die Östrogenrezeptorendichte und in der Folge das Ansprechen auf eine topische Östrogentherapie vermindern. Eine wichtige Frage ist, ob Östrogene vaginal bei Frauen mit hormonsensitiven Karzinomen, insbesondere Brust-, Ovar- und Endometriumkarzinom sowie Adenokarzinomen der Zervix, eingesetzt werden dürfen. Dazu liegen allerdings nur wenige Studienergebnisse vor, die eine evidenzbasierte Vorgehensweise empfehlen.
Eine Studie berichtete bei 1.472 Frauen mit Brustkrebs über die lokale Östrogenbehandlung bei vaginaler Atrophie. Nach einem mittleren Follow-up von 5,5 Jahren wurde zwar keine Zunahme an Rezidiven beobachtet, allerdings erlaubt das Design dieser Studien nicht, das Fehlen jeglichen Risikos zu bestätigen. Deshalb werden bei Frauen mit Brustkrebs zumeist nicht-hormonelle Behandlungen bevorzugt, doch können bei Misserfolg mit nicht-hormonellen Therapieformen und starken Beschwerden, nach entsprechender Beratung der Patientin, topische Östriolpräparate – in der niedrigsten wirksamen Dosis – eingesetzt werden.
Bei Zustand nach Endometriumkarzinom ist die häufigste Rezidivlokalisation das Scheidenblindsackende, sodass möglicherweise ein erhöhtes Risiko bei vaginaler Östrogenbehandlung besteht. Allerdings liegen dazu keine relevanten Daten vor. Nach Ovarialkarzinom gibt es keine Hinweise auf eine erhöhte Rezidivrate, weder unter systemischer noch unter lokaler Östrogentherapie. Abschließend ist noch festzustellen, dass es bei Zustand nach behandeltem Karzinom in jedem Fall angezeigt ist, das relative Risiko einer Östrogenmedikation – sowohl mit dem onkologischen Team als auch mit der Patientin – zu diskutieren.
Auch durch systemische HRT ist ein normaler vaginaler pH-Wert wieder herzustellen, es ist außerdem eine Verdickung und Revaskularisierung des Epithels und eine Verbesserung der vaginalen Lubrikation zu beobachten, womit die atrophiebedingten Beschwerden gelindert werden. Im Übrigen wird auch über eine Abnahme der Inzidenz von Infekten im Bereich der unteren Harnwege berichtet. In Bezug auf diese Aspekte waren auch die Ergebnisse der Women’s Health Initiative durchaus überzeugend: Ungefähr 10% der Frauen im Östrogen+Gestagen-Arm (mittleres Alter 63 Jahre) klagten über vaginale Trockenheit, 74% von ihnen gaben nach einem Jahr HRT eine Besserung an, verglichen mit 54% im Placeboarm. Offene Sicherheitsfragen bei oraler oder transdermaler HRT sprechen allerdings gegen eine systemische Langzeittherapie bei Frauen mit ausschließlich vaginalen Symptomen.
Aktuelle Daten zeigen für Präparate, die Soja- oder Rotklee-Isoflavone enthalten, einen günstigen Effekt im Bereich des Urogenitaltraktes. Allerdings können diese Präparate in strengem Sinn nicht wirklich als “nicht-hormonell” bezeichnet werden, da sie östrogenähnliche Wirkung besitzen. Außerdem gibt es kaum Daten zur Sicherheit dieser Präparate.
Nicht-hormonelle Optionen sind primär bei Frauen indiziert, die eine hormonelle Behandlung vermeiden möchten, oder bei Hochrisikopatientinnen mit hormonabhängigen Malignomen in der Anamnese, wie z. B. Mamma- oder Endometriumkarzinomen. Der Nutzen dieser Präparate ist allerdings limitiert. In erster Linie können Befeuchtungsmittel zum Einsatz kommen. Diese hydrophilen, unlöslichen, vernetzten Polymere sind bioadhäsiv, indem sie sich an Mucin und epitheliale Zellen der Vaginalwand anheften und so Wasser binden. Gleitmittel sind unphysiologisch und bringen ebenfalls nur eine vorübergehende Erleichterung. Ihre Anwendung kann außerdem eine vaginale Reizung hervorrufen.
Schlußbemerkung: Die durch Östrogenmangel in der Peri- und Postmenopause bedingte vulvovaginale Atrophie ist häufig mit starkem Leidensdruck verbunden. Trotzdem wird dies einerseits von Ärzten immer noch zu wenig anerkannt und andererseits zögern viele Frauen, medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Das ist umso bedauerlicher, als eine lokale Östriolbehandlung einfach und sicher durchzuführen ist und die Lebensqualität der Patientin deutlich verbessern kann. Bei Ablehnung bzw. Kontraindikation zu einer Östrogenmedikation können vaginale Gleit- oder Befeuchtungsmittel die Symptome etwas lindern.
Quelle: International Menopause Society