Das Thema “Notfallkontrazeption” verlange standardmäßig auch die Beschäftigung mit den Mankos der Beratung und Aufklärung der Jugend zu Verhütungsfragen, es sei von außerordentlicher Wichtigkeit, in diesen Bereich zu investieren, fordert die Gynäkologin Univ.-Prof. Dr. Christine Kurz, Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Wien, einleitend zu einem Referat im Rahmen der Tagung “50 Jahre Pille, 45 Jahre ÖGF – wo stehen wir heute?” der Österreichischen Gesellschaft für Familienplanung.
Zum einen sind es Anwendungsfehler der verwendeten Verhütungsmethoden, die den Einsatz einer postkoitalen Verhütung notwendig erscheinen lassen: wenn etwa die Pille vergessen wurde, auch eine Zeitüberschreitung beim Nachinjizieren der 3-Monats-Spritze um mehr als 14 Tage komme relativ häufig vor, Anwendungsfehler bei der Portiokappe oder beim Vaginalring – den man laut Hersteller allerdings ohne Gefärdung des Verhütungschutzes 2 Stunden entfernen und dann wieder einsetzen könne – und nicht zuletzt eine Beschädigung des verwendeten Kondoms. Zum anderen wurde von den Nachfragenden überhaupt keine Methode angewandt, weil man nicht geplant hatte, Geschlechtsverkehr zu haben. Als selbsterklärende Indikation eine stattgehabte Vergewaltigung.
Historische Yuzpe-Methode: Das von Yuzpe Mitte der 1970er-Jahre beschriebene Regime zur Verzögerung bzw. Verhinderung des Eisprungs beinhaltet die Einnahme einer Östrogen-Gestagen-Kombination nach dem ungeschützten Geschlechtsver kehr. Diese Methode wurde von den mindestens ebenso wirksamen, aber ungleich nebenwirkungsärmeren reinen Gestagen-Pillen abgelöst.
Reine Gestagen-Pillen (z. B. Vikela®, Postinor®) haben sich aufgrund des vorteilhaften Nebenwirkungsprofils und der einfachen 1-maligen Einnahme am stärksten durchgesetzt. In Österreich ist nach jahrelangen Diskussionen seit Dezember 2009 die reine Levonorgestrel-Pille Vikela® rezeptfrei in der Apotheke erhältlich. Der Wirkmechanismus besteht in der Ovulationshemmung. Die Wirksamkeit von Levonorgestrel ist abhängig vom Zeitpunkt der Einnahme, die bis spätestens 72 Stunden (3 Tage) nach dem Geschlechtsverkehr folgen muss. Eine mögliche Schwangerschaft wird umso sicherer verhindert, je früher die Einnahme erfolgt.
Selektive Progesteronrezeptor-Modulatoren: Im Jänner 2010 erfolgte die Marktzulassung von Ulipristalacetat (ellaOne®) aus der Stoffgruppe der selektiven Progesteronrezeptor-Modulatoren (SPRMs). Der Hauptmechanismus ist auch bei ellaOne® ist die Hemmung bzw. Verzögerung der Ovulation. Die allerdings rezeptpflichtige Notfall-Pille ellaOne® zeigt als wesentlichen Vorteil gegenüber den bisherigen verfügbaren Hormonderivaten eine längere und annähernd gleich bleibende Wirksamkeit bis zum 5. Tag nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr und damit eine deutliche Erweiterung des “Windows of Action”. Das Risiko, schwanger zu werden, ist nach Studiendaten unter Levonorgestrel höher als unter ellaOne® (Glacier et al., Lancet 2010). Die Verträglichkeit (Kopfschmerzen, Übelkeit, Bauchschmerzen etc., keine gravierenden Nebenwirkungen) ist jener unter Levonorgestrel vergleichbar.
Spirale danach: Als – allerdings invasive – Alternative ist auch an das Einsetzen einer Kupferspirale (bis zu 5 Tage nach Ovulation) zu denken. Kurz: “Die Kupferspirale wäre an sich ideal. Aber man muss jemand zur Hand haben, der sie in dieser Situation und auch richtig einsetzt.” Die Wirksamkeit betrage rund 99% und sie löse das Problem der Kontrazeption auf längere Dauer.
Eine Notfallkontrazeption mit einer Pille danach bedeutet nicht, für den Rest des Zyklus geschützt zu sein. Es muss bis zum Eintritt der nächsten Regel eine verlässliche Barrieremethode verwendet werden. Die angesichts des erweiterten Zeitfensters derzeit verlässlichste “Pille danach” ellaOne® bedarf aufgrund der Rezeptpflicht der ärztlichen Konsultation. Dabei sind auch mögliche Arzneimittelinteraktionen – gleichzeitige Einnahme von Magenschutz, Antibiotika und Antidepressiva – abzuklären. Wiewohl der seit kurzem rezeptfrei und damit barrierefrei mögliche Zugang zur Levonorgestrel-Pille zu begrüßen wäre, rät Kurz in jedem Fall zur Interaktion der Betroffenen mit ihrer Gynäkologin bzw. ihrem Gynäkologen. Da eine Notfallkontrazeption nur fallweise angewendet werden sollte, stehe in vielen Fällen auch das längerfristige Verhütungsverhalten zur – kompetent geleiteten – Diskussion.
Quelle: Vortrag von Univ.-Prof. Dr. Christine Kurz: “Notfallkontrazeption” im Rahmen der ÖGF-Tagung “50 Jahre Pille – 45 Jahre ÖGF – wo stehen wir heute?”, 28. 1. 2011, Semmelweis-Frauenklinik, Wien