So ist einerseits eine unbehandelte Hypothyreose nicht selten mit unregelmäßigen Zyklen und konsekutiv Sterilität assoziiert – entsprechend der OEGGG-Leitlinie ist eine TSH-Bestimmung obligater Bestandteile in jeder Infertilitätsabklärung -, andererseits besteht ein erhöhtes Risiko für Fehl- bzw. Frühgeburten, für fetale Retardierung und Präeklampsie und nicht zuletzt kann eine unbehandelte Schilddrüsenunterfunktion der Schwangeren die geistige Entwicklung des Kindes negativ beeinflussen. Eine Hypothyreose in der Schwangerschaft stellt eine besondere Herausforderung dar, gilt es doch eine Balance zwischen effektiver Therapie der Mutter und minimaler Belastung des Feten zu finden; die Behandlung sollte deshalb auch immer interdisziplinär erfolgen.
Physiologische Veränderungen während der Schwangerschaft: Die Beurteilung der Schilddrüsenfunktionen der Schwangerschaft setzt die Kenntnis der gestationsbedingten physiologischen Änderungen der Schilddrüsenfunktion voraus. Diese Veränderungen sind durch einen vergrößerten Jodverteilungsraum, durch die physiologische Hämodilution in der Schwangerschaft und den zusätzlichen Verteilungsraum der fetoplazentaren Einheit, durch vermutlich erhöhte renale Jodverluste bedingt, weiters ist eine Östrogen-bedingte Zunahme des Thyroxin-bindenden Globulins (TBG) und ein durch die zusätzliche Plazentaaktivität bedingter erhöhter Umsatz von T3 und T4 zu beobachten. Dazu ist anzumerken, dass die Plazenta bis zum Ende des ersten Trimenons für T4 recht gut durchgängig und eine ausreichende Versorgung des Feten mit mütterlichem T4 in dieser Phase für die Entwicklung des Kindes besonders wichtig ist. Allerdings erfolgt während der gesamten Schwangerschaft ein diaplazentarer T4-Transport zum Kind, zum Geburtszeitpunkt stammen noch 20-40% des in der Nabelschnur gemessenen T4 von der Mutter. Die fetale Schilddrüse akkumuliert ab der 10.-12. Woche Jod und wird erst ab der 20. Woche durch das eigene fetale TSH (Thyreoidea-stimulierendes Hormon) gesteuert. Zuvor erfolgt die Versorgung des Feten überwiegend durch den plazentaren Transport von mütterlichen Schilddrüsenhormonen. Bereits 8 Wochen nach der Konzeption finden sich beim Feten nukleäre Rezeptoren für Schilddrüsenhormon. Schilddrüsenhormone sind essenzielle Faktoren für die Entwicklung des fetalen Gehirns.
Jodstoffwechsel: Für Erwachsene wird eine tägliche Jodaufnahme von 150 mg empfohlen. In der Frühschwangerschaft muss die Jodaufnahme erhöht werden, um eine notwendige Steigerung der Schilddrüsenhormonproduktion zu ermöglichen. In Gebieten mit ausreichender Jodversorgung sind die intrathyreoidalen Jodspeicher vor der Konzeption gefüllt, aber selbst im recht gut mit Jod versorgten Österreich dürfte ein erklecklicher Teil der Schwangeren nicht ausreichend mit Jod versorgt sein. In Jodmangelgebieten kommt es nicht selten durch den erhöhten Jodbedarf zum vermehrten Auftreten einer euthyreoten Struma und auch Störungen der neuromotorischen Entwicklung. Daher ist auf eine ausreichende Jodzufuhr zu achten, wobei diese aber wegen der Gefahr einer induzierten fetalen Hypothyreose die in der Schwangerschaft notwendige Menge nicht übersteigen soll. Idealerweise sollte die Jodzufuhr möglichst früh starten. Von der WHO wird bei Schwangeren eine tägliche Jodaufnahme von rund 250 mg empfohlen.
Schilddrüsendiagnostik: Bei entsprechender Anamnese bzw. klinischem Verdacht auf Hypothyreose, wie z. B. Müdigkeit, Kältegefühl oder Antriebslosigkeit, aber auch bei Frauen mit Typ-1-Diabetes mellitus, positiver Familienanamnese, mit rheumatoider Arthritis, Morbus Bechterew, Morbus Crohn, Colitis ulcerosa bzw. multipler Sklerose, sollte bereits vor der geplanten Schwangerschaft ein Schilddrüsenkompetenzzentrum konsultiert werden. Besteht kein Hinweis auf Schilddrüsenerkrankung, so wird laut österreichischer Leitlinie bis zur 12. Schwangerschaftswoche ein generelles TSH-Screening empfohlen. Zu diesem Kontext sind schwangerschaftsspezifische Veränderungen in Bezug auf den TSH-Spiegel zu berücksichtigen: Unter anderem stimuliert -HCG durch seine TSH-ähnliche Wirkung auch die Thyreozyten. Durch den deutlichen physiologischen Anstieg der β-HCG-Konzentration im ersten Trimenon kommt es in der Frühschwangerschaft zu einer vermehrten Produktion der Schilddrüsenhormone und konsekutiv zu einer TSH-Erniedrigung, der Referenzbereich liegt daher auch etwas niedriger. TSH-Norm- und Zielwerte: Bis vor einigen Jahren galten für Schwangere TSH-Werte von 4-5 mU/l als normal, insbesondere wenn keine Schilddrüsenantikörper bekannt waren. Aktuelle Untersuchungen an schilddrüsengesunden Frauen haben gezeigt, dass allerdings bereits TSH-Werten von über 2,5 mU/l in der Frühschwangerschaft außerhalb des schwangerschaftsspezifischen Normbereichs liegen und eine negative Beeinflussung des Feten, v. a. bei weiterer Verschlechterung der Schilddrüsenfunktion, möglich ist. Häufig ist als Ursache eine Autoimmunthyreoiditis (Hashimoto) zu diagnostizieren, womit (bei erhöhtem TSH) eine Substitution zum Schutz des Feten unbedingt erforderlich ist.
Angestrebt wird in der Schwangerschaft ein TSH-Zielwert zwischen 0,5-2,5 mU/l, in der Praxis gilt ein Wert von 1 mU/l als ideal. Ein “normaler” TSH-Wert schließt eine Schilddrüsenfunktionsstörung praktisch aus, ab einem TSH-Wert von über 2,5 mU/l sollte eine Substitution angestrebt werden. Im 2. und 3. Trimenon wird ein TSH-Wert von bis zu 3 mU/l als normal angesehen. Die Labordiagnostik ist gegebenenfalls durch Schilddrüsen-Sonographie zur Beurteilung der morphologischen Struktur der Schilddrüse zu ergänzen, für die korrekte Diagnosestellung ist die Zusammenschau von Anamnese, Klinik, Laborbefunden und Morphologie/Struktur erforderlich, die konsekutiv einer adäquaten Therapie zugeführt werden muss.
Schwangerschaftshyperthyreose und Morbus Basedow: Etwa zwei von 1.000 Schwangeren entwickeln eine durch -HCG induzierte, klinisch manifeste Hyperthyreose. Diese ist allerdings meist transient und erfordert nur selten eine Behandlung. Differenzialdiagnostisch ist eine Schwangerschafts-bedingte Hyperthyreose gegen eine Morbus Basedow (Immunhyperthyreose) abzugrenzen, der bei manifester Hyperthyreose behandlungspflichtig ist. Ist eine thyreostatische Therapie erforderlich, so sollte diese mit der geringstmöglichen Dosis erfolgen, da alle Thyreostatika plazentagängig sind. Insbesondere auch bei Hyperemesis gravidarum ist die Abklärung der Schilddrüsenfunktion essenziell, weil sie häufig mit einer Schwangerschaftshyperthyreose auftritt.
Medikamentöse Therapie: Die Substitution der Hypothyreose wird heute ausschließlich mit reinen T4-Präparaten durchgeführt. Mittlerweise stehen zahlreiche feine Abstufungen der Dosierung zur Verfügung, wodurch die Compliance wesentlich verbessert wurde. Bei bereits vor einer Schwangerschaft mit Thyroxin behandelten Patientinnen ist die T4-Dosis meist um 30-50%, und zwar bereits sehr früh in der Schwangerschaft zu erhöhen. Wichtig ist hier (bei geplanter Schwangerschaft) die präkonzeptionelle Einstellung des TSH auf niedrig-normale Werte (z. B. kleiner 1,2), damit nicht früh in der Schwangerschaft eine latente Hypothyreose auftritt.
Schilddrüsenmedikation und Laktation: Thyreostatika treten in die Muttermilch über und haben eine blockierende Wirkung auf die Schilddrüse des Säuglings. In den meisten Empfehlungen wird zwar eine niedrig dosierte Thyreostatika-Therapie als unbedenklich angesehen, allerdings ist eine entsprechende Observanz angezeigt; empfohlen wird die Tabletteneinnahme jeweils nach dem Stillen. An die seltene Möglichkeit eines Thyreostatika-induzierten Exanthems oder einer Leukopenie beim Säugling sollte gedacht werden.
Zusammenfassung
Jodsubstitution
Therapeutika während der Schwangerschaft
Kontrollintervalle