Gesundheitskompetenz im Sinne von „Health Literacy“ definiert sich als Fähigkeit, Gesundheitsinformationen zu beschaffen, zu verstehen und zu verwenden. Der Konsument von Gesundheitsinformationen („Laie“) muss selbst in der Lage sein, Informationen auf deren Qualität und Vertrauenswürdigkeit hin beurteilen zu können, den jeweiligen Nutzen und Schaden zu erkennen, Testergebnisse zu verstehen und gewünschte Informationen unter Zuhilfenahme von verschiedenen Quellen zu finden. Ziel ist es, Informationen kritisch zu hinterfragen und diese dann dazu zu nützen, eine größere Kontrolle über die eigene Lebenssituation zu erreichen.
Der Begriff „Health Literacy“ wurde in den 1970er-Jahren geprägt und gewinnt seither im Gesundheits- und Public-Health-Bereich laufend an Bedeutung.
Mangelhafte Gesundheitskompetenz der ÖsterreicherInnen: Von der Executive Agency for Health and Consumers (EAHRC) der EU-Kommission wurde im Jahre 2008 der sog. European Health Literacy Survey (HLS-EU)* in Auftrag gegeben und unter der Leitung der Universität Maastricht zwischen 2009 und 2012 in acht europäischen Staaten durchgeführt, nämlich Bulgarien, Deutschland, Griechenland, Holland, Irland, Polen, Spanien und auch Österreich.
In den einzelnen EU-Ländern wurden jeweils 1.000 Menschen in die Studie einbezogen und mittels Fragebogen Daten zur Gesundheitskompetenz betreffend Krankheitsbewältigung, Krankheitsprävention und Gesundheitsförderung erhoben. Die Ergebnisse dieser Studie waren insbesondere in Bezug auf die Gesundheitskompetenz der Österreicherinnen und Österreicher betrifft wenig erfreulich.
Zum Ergebnis: Während im Durchschnitt der 8 untersuchten Länder 47 % der Menschen eine unzureichende oder problematische Gesundheitskompetenz haben, also Empfehlungen für die eigene Gesundheit nicht oder nur schwer verstehen und demnach auch keine entsprechenden Konsequenzen daraus ziehen können, liegt die Gesundheitsinkompetenz der österreichischen Bevölkerung mit 56,4 % noch um einiges über dem EU-Durchschnitt – nur Bulgarien und Spanien schneiden noch schlechter ab.
Von mangelnder Gesundheitskompetenz betroffen sind insbesondere Risikogruppen: Dazu zählen Menschen mit niedrigem Bildungsstatus, mit Langzeiterkrankungen und mit einem Alter von über 75 Lebensjahren. Tatsache ist allerdings, dass eine entsprechende Gesundheitskompetenz als Basis für Chancengleichheit innerhalb der Bevölkerung anzusehen ist.
Auffällig ist, dass es beträchtliche Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern gibt: Während 63,3 % der steirischen Bevölkerung über eine schlechte „Health Literacy“ verfügt, weisen nur 36 % der VorarlbergerInnen Schwierigkeiten auf, Gesundheitsinformationen zu finden, zu verstehen, zu beurteilen und anzuwenden.
Nicht zuletzt erhöhen sich als Folge von Gesundheitsinkompetenz auch die Kosten im Gesundheitswesen. Ganz abgesehen von rechtlichen Konsequenzen für medizinische Fachkreise, wenn PatientInnen Anweisungen und z. B. auch Aufklärungen vor der Operation nicht verstehen. Immerhin zeigt die Statistik, dass bis 60 % Schwierigkeiten beim Ausfüllen und Verstehen von Aufklärungsbögen haben.
„Gesundheitskompetenz der Bevölkerung stärken“ – Rahmengesundheitsziel 3: Als Konsequenz aus den für Österreich so schlechten Umfrageergebnissen ist abzuleiten, dass alles getan werden muss, um die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung zu verbessern. Tatsächlich ist dies auch das Ziel 3 der Rahmengesundheitsziele für Österreich, die vom Bundesministerium für Gesundheit aktuell artikuliert wurden:
Wichtig erscheint vor allem, dass für die Bevölkerung ein niederschwelliger Zugang zur Beschaffung von Informationen zur Gesundheit gewährleistet ist und bei der Information eines Laienpublikums strukturiert vorgegangen wird. Im Besonderen sollte eine einfache Sprache, sog. „plain language“, das Verständnis von Gesundheitstexten bzw. Vorträgen für ein Laienpublikum erleichtern, um eine „Barrierefreiheit“ zu erreichen.
Wichtiger Beitrag durch das MINI MED Studium: Eine spezielle Art der Gesundheitsfortbildung für ein Laienpublikum erfolgt seit der Gründung des MINI MED Studiums im Jahr 2000 durch Professor Georg Bartsch/Universitätsklinik für Urologie in Innsbruck. Vorerst handelte es sich um eine auf Tirol fokussierte Initiative. Als Präsident der Gesellschaft der Ärzte in Wien hat Professor Sepp Leodolter im Jahre 2006 das Minimed-Studium nach Wien geholt. Nach Änderung der Gesellschaftsstatuten der Gesellschaft der Ärzte (es waren nur Fortbildungsveranstaltungen für Ärzte vorgesehen) konnte im Herbst des Jahres 2006 die erste MINI MED-Veranstaltung im Wiener Billrothhaus durchgeführt werden. Das Interesse der Bevölkerung ist seither groß, die Veranstaltungsabende werden jeweils von bis zu über 300 TeilnehmerInnen besucht, einige der Abende mussten sogar wiederholt werden. Insgesamt wurden in Wien die 158 Vortragsabende von bislang über 40.000 Interessierten besucht, die ihre „Health Literacy“ erweitern wollten.
Mit seiner Emeritierung hat nun Professor Leodolter die Studienleitung in Wien an ein 3-köpfiges Board übergeben. Seit dem Frühjahr 2012 organisierten Professor Alexandra Kautzky-Willer, Professor Gabriele Fischer und ich selbst die MINI MED-Abende. Auch eine zweite Location wurde mit dem Novomatic-Forum gefunden, wodurch das Angebot auf 16 Vorträge pro Semester erhöht werden konnte.
Wenn uns auch durchaus bewusst ist, dass das MINI MED Studium nur einen (eher kleinen) Teil des Laienpublikums erreicht – es handelt sich außerdem um eine an Gesundheitsthemen besonders interessierte Hörerschaft –, ist wohl jede Aktivität zu unterstützen, die das Gesundheitsbewusstsein der Bevölkerung erhöht. Dazu ist das MINI MED Studium sicherlich ein wichtiger Beitrag. Wir wünschen uns ja gut (und vor allem richtig) informierte PatientInnen, die in der Lage sind, medizinische Informationen zu verstehen und auch zu beurteilen, um Entscheidungen zu Gunsten der eigenen Gesundheit treffen zu können.