Die nachträgliche und jahrelange Nachbearbeitung hatte ja zu deutlichen Relativierungen der damaligen Ergebnisse geführt, und in der Folge schien eine kritische, den Fakten angepasste Hormontherapie wieder rehabilitiert zu sein. Die Art und Weise, wie eine Hormonersatztherapie nach 2002 zu erfolgen habe, ist in diversen Consensus-Papieren, auch der Österreichischen Menopausegesellschaft (April 2016) nachzulesen.
Die rezente Oxford Study (Autoren: Richard Peto/Valerie Beral, vor wenigen Wochen im „Lancet“ publiziert) könnte man folgendermaßen kommentieren: eine neue große Studie, hochrangig publiziert, jetzt ist die Fachwelt wieder an der Reihe, zu analysieren und falls notwendig bestehende Guidelines zu korrigieren. Dieser natürliche Diskurs findet üblicherweise ungestört und medial kaum begleitet auf universitärer Ebene statt. In einigen Bereichen der Medizin werden andere Wege gegangen, und das kann man nur zutiefst bedauern.
Noch bevor die Fachwelt entsprechend reagieren kann, melden sich Gegner einer Sache zu Wort, zitieren ungehemmt aus dem Kontext gerissen die Passagen, die sich für Schlagzeilen eignen, und vergessen absichtlich, weil für sie belanglos, wesentliche Teile einer Publikation. So agieren Menschen, deren Absicht die Einsicht bestimmt.
Eigentlich könnte man auch zynisch formulieren, dass die Laienpresse ein größeres Interesse daran hat, jene zu befragen, die genau die Antworten geben, die von Journalisten gehört und Lesern gelesen werden wollen. Im Ergebnis soll erkennbar sein, dass Hormone schlecht sind und irgendjemand – am besten Gruppierungen, die geschlossene Ärzteschaft oder eine unethisch agierende Pharmaindustrie – Böses im Schilde führt.
Die „Süddeutsche Zeitung“ beispielsweise veröffentlichte nur wenige Tage nach dem Erscheinen der „Lancet“-Publikation einen Beitrag mit dem Titel „Hormon-Propaganda“ , darin angeklagt sind deutsche Frauenärzte und deren standespolitische Vertreter, die „entgegen der eindeutigen Beweislage die Tatsachen immer wieder verharmlosen und auch jetzt behaupten , dass die gerade erschienene Lancet-Studie nichts Neues enthält“. In einem weiteren Zitat werden gleichermaßen anklagend, wenn nicht sogar verurteilend „Geschäftsinteressen“ unterstellt.
Ich kann in der ganzen Sache keine „Geschäftsinteressen“ erkennen, sehe aber ganz klar den neuerlichen Versuch einiger Menschen, das mediale Interesse für die eigene, realitätsabgewandte Sache zu nützen. Ganz im Gegenteil handeln Frauenärzte in Österreich gegen ihre „Geschäftsinteressen“, wenn sie unverhältnismäßig viel Zeit investieren, um vor solchen Hintergründen Überzeugungsarbeit zu leisten!
Ähnliche Kämpfe gegen Windmühlen erleben übrigens Ärzte, die sich einer Impfgegnerschaft im Alltag stellen müssen.
Keine Wirkung ohne Nebenwirkung: Jede Therapie hat ein potenzielles Gesundheitsrisiko, der Nutzen muss den Schaden überwiegen. Das ist in allen Bereichen der Medizin gelebte und zu Recht geforderte Praxis.
Diesen Weg der Mitte sollten sich weder Patientinnen noch Ärzte verbieten lassen.
Mit kollegialen Grüßen, Dr. Michael ElnekheliIch freue mich wie immer über Ihre Kommentare und Anregungen