Gyn-Aktiv: Der Begriff Phytoöstrogen im Zusammenhang mit Isoflavonen und der vor allem bei leichten Menopausebeschwerden empfohlene Einsatz ist – vor allem in der Laienkommunikation – nicht unverfänglich, weil er das Bild von Isoflavonen als einfach nur schwächer wirksamen Östrogenen nahelegt. Wie muss man differenzieren?
Univ.-Prof. DDr. Johannes Huber: Ein ganz wichtiger Unterschied zwischen Isoflavonen und Östrogenen bezieht sich auf die Wirkung auf die körpereigenen Östrogenrezeptoren. Das native 17β-Östradiol des Eierstocks und auch das Ethinylestradiol der Pille besetzen vor allem den Östrogenrezeptor a (ER-α), der ein starkes proliferatives, den Zellzyklus stimulierendes und expressionsförderndes Signal weitergibt. Die Isoflavone binden präferenziell an den ER-β, z. B. im Knochen, Darm, aber auch in der Lunge, der eine wichtige regulatorische Funktion im Östrogenstoffwechsel innehat, und vermitteln damit eine völlig andere Wirkung. Zum Zweiten verändern Isoflavone die Aktivität bestimmter Enzyme, fungieren also als Enzymmodulatoren: etwa auch jener Enzyme, die für den Abbau des 17β-Östradiols verantwortlich sind, das in sehr unterschiedlich wirksame Metaboliten abgebaut werden kann. Isoflavone lenken damit den Östrogenmetabolismus in eine Richtung, die den weiblichen Organismus entlastet. Das ist sowohl der Wissenschaft wie auch in der Bevölkerung weitgehend unbekannt bzw. wird nicht wahrgenommen. Abgesehen davon haben Isoflavone einen günstigen Einfluss auf den Vit.-D-Stoffwechsel, indem der Vit.-D-Abbau gehemmt wird. Von Bedeutung ist auch der positive Einfluss auf Darmflora durch Stimulation der Laktobazillen. Isoflavone sind also ist ein völlig eigenes Kapitel, das leider allzu oft mit den nativen Hormonen in einem Topf abgehandelt wird.
Das impliziert bei zusätzlicher Gabe zu einem Hormonpräparat eine Schutzfunktion gegenüber unerwünschten Nebenwirkungen?
Die gleichzeitige Gabe fokussiert eigentlich den Östrogenabbau, bei dem ja Metaboliten entstehen, die speziell im Kontext der Schwangerschaft wichtig sind, aber im Alter oder bei der nicht-schwangeren Frau den Organismus belasten, weil sie angiogenetisch und mitotisch wirken. Hier können die Isoflavone, wie schon erwähnt, gegensteuern, indem sie gewebe- bzw. körperbelastende Metaboliten reduzieren – die bei jeder Östrogenbildung und -einnahme entstehen –, und damit den weiblichen Körper schützen. Einen zentralen biochemischen Hintergrund bildet die enzymatische Hydroxylierung von Östradiol an der Position 4 und 16, die durch Isoflavone reduziert wird. Insofern ist es nicht uninteressant, wenn man kombiniert. Abgesehen von den Interaktionen mit dem Östrogenmetabolismus trägt zur Schutzfunktion auch die direkte Beeinflussung des Vitamin-D-Stoffwechsels, mit einer Hemmung des Vit.-D-Abbaus, bei.
Was hat Sie zur Patentanmeldung für die Kombination von Isoflavonen und Hormoneinnahme bewogen?
Der Patentierung dieses Konzepts als schützenswerte Idee liegt die Entdeckung zugrunde, dass die Umwandlung der Hormone in andere hormonell aktive Metaboliten für die unerwünschten Effekte einer Hormonmedikation – als Pille oder HRT – wichtiger ist, als man in der Vergangenheit gedacht hat. Für die Patentanmeldung bildeten vor allem Laboruntersuchungen zum Stoffwechsel des Isoflavons Genistein die Grundlage. In der Vergangenheit konnten etwa neben den vielen epidemiologischen Arbeiten zur schützenden Wirkung von Soja und damit Isoflavonen vor Brustkrebs und anderen Karzinomen auch gute prospektive Arbeiten eine inverse Relation der Höhe des Genistein-Spiegels zur Mammakarzinominzidenz zeigen. Was hier als Patent angemeldet wurde, bedarf natürlich noch weiterer wissenschaftlicher und klinischer Untersuchungen – vor allem ob und in welchem Ausmaß damit ein klinischer Benefit zur erzielen ist.
Welche konkreten Benefits sind theoretisch durch eine Pillen-Kombination mit Isoflavonen zu erreichen?
Wenn etwa eine Frau trotz Vitamin-D-Einnahme weiterhin niedrige Spiegel hat, wenn eine Frau unter Pilleneinnahme mit ihrem Darm chronisch Probleme hat, auf die Pille mit Brustspannen, Wassereinlagerungen reagiert oder andere Zeichen einer starken Östrogenwirkung zeigt, wäre natürlich überlegenswert, ob man mit einer Isoflavongabe gegensteuern kann – den Isoflavon-Schutzschild also im Sinne einer Therapieindividualisierung einsetzt. Das wahrscheinlich Entscheidende ist, dass damit der Östrogenmetabolismus auf eine günstigere Schiene gelenkt wird.
Vielen Dank für das Gespräch!