Die heute vorliegenden Daten zur Impfung gegen das humane Papilloma-Virus (HPV) zeigen eine hohe Wirksamkeit. Die Anwendungssicherheit – bis Ende 2011 wurden bereits weltweit 100 Mio. Dosen der HPV-Impfstoffe verabreicht – wird durch die amerikanische FDA und europäische Gesundheitsbehörde EMA bestätigt.
Australien kann in gewisser Weise als groß angelegter „Feldversuch“ herhalten: seit 2007 gibt es dort ein konsequentes Impfprogramm mit einer Durchimpfungsrate von 80 % bei der weiblichen Bevölkerung zwischen 11 und 26 Jahren. Mittlerweile ist eine Verringerung von Zellveränderungen um 38 % zu verzeichnen und nicht nur bei Frauen eine Reduktion von Genitalwarzen (Kondylome) um 50 %, sondern als indirekter Benefit auch bei heterosexuellen Männern um 20 %.
Die australischen Wirksamkeitsdaten seien von spezifisch österreichischem Interesse, erklärt Univ.-Prof. Dr. Alain Gustave Zeimet, Präsident der Arbeitsgemeinschaft für gynäkologische Onkologie (AGO) der Österreichischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (OEGGG), weil sie nachträglich eine positive Kosteneffektivitätsanalyse zur HPV-Impfung für Österreich von M. Kundi (2009) unterstützten, der im Berechnungsmodell von einem ähnlichen Outcome ausgegangen war. Die zweite Österreich- Analyse, die vom Ministerium in Auftrag gegebene und in der Beurteilung negative HTA-Studie (Ludwig-Boltzmann-Institut für Health Technology Assessment), sei hingegen zu kritisieren: weil darin mit der Fokussierung auf das Zervixkarzinom wichtige Einsparpotenziale, wie die Reduktion von Konisationen, nicht berücksichtigt wären. In eine seriöse Kosteneffektivitätsanalyse müsse das Gesamtpaket der Belastungen im Gefolge einer persistierenden HPV-Infektion eingehen, argumentiert auch OEGGG-Präsident Univ.-Prof. Dr. Christian Marth. Die Zahlen zum Gebärmutterhalskrebs als einer der häufigsten krebsbedingten Todesursachen bei jungen Frauen in Österreich – laut Statistik Austria erhalten rund 400 Frauen jährlich die Diagnose invasives Zervixkarzinom, ca. 160 der Patientinnen sterben daran – beleuchten nur den „Worst Case“-Aspekt. Dazu kommen 5.000 bis 6.000 Österreicherinnen, die an den Krebsvorstufen erkranken, mit der Notwendigkeit einer Konisation, und rund 60.000 unklare und zu wiederholende Krebsabstriche. Marth: „Das bedeutet 60.000-mal Angst, konsekutiv Arztbesuche, ein 2–3-mal höheres Frühgeburtsrisiko nach Konisation und eine 3-mal so hohe Kaiserschnittrate. Den ausgedehnten Krebsoperationen folgen häufig Harninkontinenz, Probleme beim Geschlechtsleben. Auch Vaginal-, Vulva-, Oropharynx-, Larynx- oder Analkarzinome werden zu 90 % durch HPV ausgelöst. Nicht zu vernachlässigen die gutartigen HPV-Erkrankungen wie Feigwarzen, die deutlich zunehmen und häufig rezidivieren.“
„Obwohl wir als erstes Land in Europa die HPV-Impfung eingeführt und auch empfohlen haben, sind wir heute trauriges Schlusslicht mit einer Durchimpfungsrate von weniger als 5 % jährlich“, kritisiert Marth. Alle Länder außer Österreich haben andere Schlussfolgerungen gezogen und stellen staatlich finanzierte Impfprogramme zur Verfügung. „Ich gehe davon aus, dass vor allem der finanzielle Aspekt Grund für die geringe Durchimpfungsrate in Österreich ist. Daher fordert die OEGGG ein staatlich gefördertes oder finanziertes HPV-Impfprogramm“, so Zeimet. „Wir empfehlen die Verabreichung der HPV-Impfung bei Mädchen ab dem 9. Lebensjahr. Primäre Zielgruppe sind junge Mädchen und Frauen, die HPV-naiv sind und noch nie Geschlechtsverkehr hatten. Laut Studien ist die Impfung bei dieser Zielgruppe am wirksamsten. Aber auch ältere Frauen profitieren in hohem Ausmaß davon, da eine natürliche Infektion im Gegensatz zu einer Impfung nicht vor einer neuerlichen Infektion schützt“, präzisiert Marth. Den österreichischen Patientinnen würde damit das Schicksal einer unfreiwilligen „Kontrollgruppe ohne Prävention“ im internationalen Vergleich erspart bleiben.