Kaum sonstwo in der Medizin besteht für die Vorsorgemedizin ein so wirksamer Hebel wie bei uns FrauenärztInnen: Wir sind die einzigen ÄrztInnen, die auf einen regelmäßigen Besuch unserer Patientinnen verweisen können, von Beginn der Kontrazeption bis ins hohe Alter. Wir führen Schwangerenvorsorge durch und die Krebsvorsorge ist bei uns fest etabliert.
Impfungen als wissenschaftlich nachgewiesen beste Gesundheitsprävention sind für uns in unserer genuinen Funktion als VorsorgemedizinerInnen von besonderem Interesse – mit Ausnahme von sauberem Trinkwasser hat keine andere Gesundheitsmaßnahme, nicht einmal Antibiotika, eine derart positive Auswirkung auf Bevölkerungswachstum und den Rückgang von Mortalität gehabt wie Impfungen (Plotkin S.L. et al., Vaccines 1999). In den Empfehlungen des Obersten Sanitätsrates und im Österreichischen Impfplan werden FrauenärztInnen explizit als wichtige Anlaufstellen angeführt, um den Impfstatus zu überprüfen und notwendige Erstimmunisierungen bzw. Auffrischungsimpfungen durchzuführen. Die ESIDOG (European Society for Infectious Diseases in Obstetrics and Gynaecology) hat in Anlehnung an den Österreichischen Impfplan einen Impfplan mit empfohlenen Impfungen speziell für Frauen erarbeitet, der auf der ESIDOG-Website abrufbar ist: www.esidog.at/impfplan-fuer-frauen. Impfen und „Prepare for Pregnancy“ Prinzipiell sollen alle empfohlenen Impfungen bereits vor Beginn einer Schwangerschaft durchgeführt werden. Es gibt aber spezielle Impfungen, die besonders während der Schwangerschaft empfohlen sind, und wir werden von den Schwangeren oder Patientinnen mit Kinderwunsch darauf angesprochen. Die AllgemeinmedizinerInnen überweisen die Patientinnen mit solchen Fragen üblicherweise zu den FrauenärztInnen, welche die Schwangerschaftsvorsorge durchführen.
Totimpfstoffe können auch während der Schwangerschaft problemlos angewandt werden, bei Notwendigkeit sollten Auffrischungen sowie Grundimmunisierungen vorgenommen werden. Prinzipiell sollen Impfungen immer als Kombinationsimpfungen erfolgen – man kann nicht „überimpfen“.
Es gibt 3 Impfungen, die gerade in der Schwangerschaft besonders empfohlen sind:
Influenza–Impfung: Influenza kann eine tödliche Erkrankung in der Schwangerschaft sein. Aus meiner Sicht sind wir verpflichtet, alle Schwangeren darüber aufzuklären, denn man gerät in der Grippesaison unweigerlich in Virenkontakt und gerade in der Schwangerschaft kommt es zu besonders schweren Verläufen (besonders im 2. und 3. Trimenon) mit einem erhöhten Hospitalisierungsrisiko (Mertz D. et al.,Vaccine 2017; 35: 521–8).
Daher wird die gut verträgliche Impfung wegen der besonderen Gefährdung dieser Risikogruppe sowohl Schwangeren als auch Frauen mit Kinderwunsch vor (und ev. auch noch während) der Influenzasaison (Oktober bis März) zum eigenen Schutz und auch zum Schutz des Neugeborenen empfohlen.
Man sollte in der Schwangerschaft den tetravalenten Impfstoff empfehlen – natürlich sind nicht alle aktuell grassierenden Virusstämme damit abgedeckt, aber durch Kreuzreaktivität werden auch bei Impfdurchbrüchen die Verläufe abgemildert und damit Komplikationen und Hospitalisierungen in der geimpften Population reduziert.
Das hohe Risiko bei Erkrankung in der Schwangerschaft ist in internationalen Studien nachgewiesen (z. B. Sperlin et al., Obstet Gynecol 2018; 131: 799–802) – auch in Österreich gab es in den letzten Jahren vereinzelt Todesfälle und jährlich Frühgeburten durch Influenza. Ebenso nachgewiesen ist die Ungefährlichkeit einer Impfung in der Schwangerschaft.
Pertussis–Impfung: Hier geht es um den Schutz des Neugeborenen in der Phase ohne Pertussis-Nestschutz nach der Geburt, da Neugeborene erst im 3. Lebensmonat geimpft werden können und bis dahin ein hohes Risiko der Ansteckung (Kontaktinfektion) mit z. B. beatmungspflichtiger Pneumonie als Komplikation besteht.
Die Tetanus–Impfung ist eine gut akzeptierte Impfung. Ein Impfschutz sollte zum Schutz der Schwangeren und zum Schutz des Neugeborenen (Nestschutz) bestehen. Falls eine Impfung länger als 10 Jahre zurückliegt, sollte nachgeimpft werden – falls die letzte Auffrischung länger als 20 Jahre zurückliegt, mit 2 Dosen im Abstand von 1–2 Monaten.
RESÜMEE: Impfen ist eine wichtige Gesundheitsprävention. Wir haben als FrauenärztInnen generell die Verpflichtung, unsere PatientInnen nach dem Stand des Wissens zu beraten und Impfungen, die durchzuführen sind, lebensbegleitend zu empfehlen – speziell im gebärfähigen Alter stellt eine mögliche Schwangerschaft einen gravierenden Risikokontext für viele impfpräventable Erkrankungen dar.
Literatur beim Verfasser