Die Bevölkerung in Österreich ist beispielsweise sehr gut gegen FSME-Infektionen durch Impfung geschützt – Durchimpfungsrate etwa 90 %. Hätten wir diese Impfung nicht, müssten wir pro Jahr mit 800 stationären Aufnahmen durch Infektion rechnen und mit etwa 8 FSME-Todesfällen.
Zum Vergleich gab es in Österreich 2009/10 bei der neuen H1N1-Pandemie 41gemeldete laborbestätigte Todesfälle durch H1N1-Infektionen, noch dazu in recht jungen Jahren – und die Durchimpfungsrate liegt bei maximal 4 %. Dies erscheint unlogisch, gegen ein kleines Risiko gibt es eine auch international beachtete hohe Durchimpfungsrate, gegen ein mehrfach höheres fatales H1N1-Infektionsrisiko eine international beschämend niedrige Durchimpfungsrate.
Der weitere Verlauf der „Schweineinfluenza“ als saisonale Influenza ist nicht vorherzusehen. Untersuchungen an schweren und tödlichen Verläufen der Pandemie 2009/2010 konnten zeigen, dass bei einer Punkt-Mutation an der Receptor-binding Site des Hämagglutinins (Asp222Gly) schwere Verläufe häufiger sind und ziliierte Epithelien eher infiziert werden. Für eine Aggravierung einer H1N1-Infektion ist also wahrscheinlich nur ein einziger Austausch einer Aminosäure eines ohnehin mutationsfreudigen Virus erforderlich.
Es hat sich letztes Jahr gezeigt, dass Schwangere bei H1N1-Infektion besonders gefährdet sind. Diese sollen daher vor Influenza- Infektionen geschützt werden. In der Saison 2010/2011 enthält der Impfstoff auch das H1N1-Antigen und schützt daher auch vor der „Schweineinfluenza“.
Auch Nestschutz fürs Neugeborene: In Impfplan Österreichs wird empfohlen, dass Schwangere im 2./3. Trimenon geimpft werden sollen, in den USA ist man mutiger und empfiehlt generell, Schwangeren Impfschutz mit inaktiviertem Influenza-Impfstoff anzubieten, egal in welchem Stadium der Schwangerschaft. Davon profitiert nicht nur die Schwangere, sondern auch das Kind nach Geburt. Es bekommt in den letzten Wochen der Schwangerschaft mütterliche Antikörper über die Plazenta mit (Nestschutz) und diese schützen das Neugeborene durch einige Wochen hindurch – wie bei einer passiven Immunisierung. In einer Studie von Influenza-geimpften Frauen zeigte sich, dass in den ersten 6 Lebensmonaten des Säuglings die Impfung der Mutter während der Schwangerschaft auch das Kind mit einer Wirksamkeit von 63 % vor laborbestätigten Influenza-Infektionen geschützt hat.
Zu überlegen wäre es, ob es nicht weit sinnvoller wäre, bereits bei Kinderwunsch beiden späteren Eltern Influenza-Impfungen anzubieten, und dann auch bei Schwangerschaft. Wenn der spätere Vater auch geimpft ist, gibt es weniger Impfdurchbrüche, da ja der Impfschutz maximal 80 % beträgt.
Teratogenes Risiko durch hohes Fieber: Ein Leitsymptom der Influenza ist hohes Fieber. Und hohes Fieber ist ein bekanntes Teratogen bei Mensch und Tier.
Im Tierversuch verursacht hohes Fieber eine Anzahl von strukturellen und funktionellen Defekten, vor allem des Neuralrohres, Mikroophthalmie, Katarakt und anderen Schäden. Nahezu alle diese Defekte wurden in epidemiologischen Studien auch beim Menschen gefunden, wenn Schwangere Fieber hatten oder einer Hyperthermie ausgesetzt waren. Einige, jedoch nicht alle Studien an schwangeren Frauen zeigen, dass eine pränatale Influenza-Infektion das Risiko für das Kind, später an Schizophrenie zu erkranken, etwa 8-fach erhöht. Eine rezente Metaanalyse konnte jedoch die Verbindung Influenza und Schizophrenie nicht bestätigen. Trotzdem schätzen Psychiater, dass etwa 30 % des späteren Schizophrenie-Risikos pränatalen Infektionen zuzuschreiben sind, von denen Influenza die häufigste ist – und wo ein Impfstoff verfügbar ist.
Leider werden Influenza-Impfstoffe in Österreich nicht generell kostenfrei angeboten, wodurch erforderliche Durchimpfungsraten besonders bei > 65 jährigen, zu denen wir uns vor der WHO verpflichtet haben, weit verfehlt werden – dadurch ist der Seuchendruck generell noch hoch. Selbst die Durchimpfungsrate bei medizinischem Personal ist beschämend niedrig. Es kann jedoch angenommen werden, dass vor/bei Schwangerschaft, im Sinne der Gesundheit der Schwangeren und des Kindes, die zukünftigen Eltern motiviert werden können, für die Kosten der Impfung aufzukommen. Eine sehr geeignete Ansprechstelle ist die gynäkologische Ordination – mit geimpftem Personal. Die Kolleginnen und Kollegen müssen nur die Influenza-Impfung breit und nachhaltig anbieten.
Literatur beim Verfasser