Kleines Impflexikon – Teil 9: Stellenwert von Adjuvantien in Impfstoffen

Die Entwicklung der Adjuvantien begann in den 1920er-Jahren, als Gustave Ramon am französischen Institut Pasteur in Paris zeigte, dass die Zugabe von Aluminiumsalzen die humorale Immunantwort, also die Bildung von Antikörpern verstärkt. Der protektive Nutzen von Aluminiumsalzen in Impfstoffen ist jedoch in Bezug auf zellvermittelte Immunität begrenzt. Neuartige Adjuvantien können nunmehr auch die zelluläre Immunantwort auf Impfantigene verbessern und geben damit Anlass zur Hoffnung, dass es künftig eine Immunisierung auch gegen Erkrankungen geben wird, die bis heute nicht impfpräventabel sind.

Klassische Adjuvantien

Aluminiumsalze werden seit den 1920er-Jahren in vielen Impfstoffen eingesetzt und sind nach wie vor die am weitesten verbreiteten Adjuvantien, ihr Wirkungsmechanismus ist allerdings nicht vollständig geklärt. Man nimmt an, dass er auf einem Depoteffekt (Persistenz des Antigens), der Stimulation von Makrophagen, einer verbesserten Aufnahme des Antigens durch antigenpräsentierende Zellen (APCs – Antigen Presenting Cells) und der vermehrten Sekretion bestimmter Zytokine (z.B. IL-4, IL-5, IL-6) basiert. Dendritische Zellen, die wirksamsten APCs bei der Aktivierung naiver T-Zellen, werden durch Aluminiumsalze allerdings nur unzureichend aktiviert, die zelluläre Immunantwort ist demnach schlecht.

Neue Adjuvantien

Ein wichtiger Schritt bei der Entwicklung neuer, zielgerichteter Adjuvantien war die Entdeckung der so genannten Tolllike-Rezeptoren (TLRs) in den 90er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Mithilfe dieser Rezeptoren erkennen Zellen des Immunsystems molekulare Muster verschiedener Gruppen von Krankheitserregern.
So aktiviert das Adjuvans Monophosphoryl-Lipid A (MPL) den Rezeptor TLR-4, der im Rahmen von Infektionen durch Lipopolysaccharid (LPS), einem Zellwandbestandteil gramnegativer Bakterien, stimuliert wird.
MPL wird in Kombination mit Aluminiumsalzen als ASO4 in Impfstoffen gegen humane Papillomaviren (HPV) (Cervarix®) und das Hepatitis-B-Virus (HBV) eingesetzt und stimuliert vor allem dendritische Zellen, die für die Präsentation von Antigen an T-Zellen und deren Aktivierung und “Prägung” zuständig sind. ASO4 erhöht im Vergleich zu Aluminiumsalzen allein die Immunantwort erheblich.

Sicherheit und Verträglichkeit neuer Adjuvanzsysteme: Die Sicherheit und gute Verträglichkeit klassischer Adjuvantien (Aluminiumsalze) ist durch jahrzehntelange Erfahrung gut belegt. Die neueren Adjuvantien und Adjuvanzsysteme verursachen im Vergleich zu den nicht-adjuvantierten Impfstoffen oft erhöhte Reaktogenität, vor allem am Injektionsort. Der Grund hierfür ist in der durch diese Adjuvantien verstärkten und gewünschten, transienten lokalen Entzündungsreaktion und Aktivierung des Immunsystems zu sehen. Diese Reaktionen sind allerdings in der Regel von milder Intensität und nur kurzer Dauer.
Neue Adjuvantien in Impfstoffen müssen jedoch schon vor Zulassung breit geprüft werden. Es kann in diesem Kontext festgestellt werden, dass moderne Surveillance-Systeme – obgleich immer noch optimierbar – bereits heute Warnsignale bei seltenen unerwünschten Ereignissen generieren können, die dann in weiteren Studien auf Ursächlichkeit oder Koinzidenz geprüft werden müssen. Die Auswertung umfassender Datenbanken von Nebenwirkungsmeldungen nach Markteinführung von Impfstoffen mit neuen Adjuvanzsystemen ermöglicht auch detaillierte Informationen zu sehr seltenen Ereignissen, wie zum Beispiel Autoimmunerkrankungen. Entsprechende Untersuchungen zur Sicherheit von ASO4-adjuventierten Impfstoffen (HPV-Impfstoff, HBV-Impfstoff) ergaben keine Hinweise auf ein vermehrtes Auftreten von Autoimmunerkrankungen nach der Impfung.
Die Modulation und Optimierung der Immunantwort durch Adjuvantien ist jedenfalls eine anspruchsvolle Aufgabe, die unter fortlaufender kritischer Prüfung der Sicherheit vielversprechende Ergebnisse erwarten lässt.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass Adjuvantien es ermöglichen, wirksame Impfstoffe mit geringerem Antigengehalt herzustellen (“Antigen-Einsparung”). Dies ist beispielsweise im Falle einer Pandemie von großer Bedeutung, wenn eine große Zahl von Menschen innerhalb kurzer Zeit geimpft werden muss, der Bedarf die Produktionskapazitäten also weit übersteigt. Ein adjuvierter Grippeimpfstoff induziert auch bei reduziertem Antigengehalt Impfschutz und erst auf diese Weise könnte global eine entsprechende Durchimpfungsrate erreicht werden.
Und nicht zuletzt ein weiterer Effekt, der mithilfe von Adjuvantien angestrebt wird, ist die Kreuzprotektion gegenüber Erregervarianten. Dies ist z.B. bei einer Influenzapandemie essenziell, auch bei den adjuvierten Impfstoffen gegen HPV-Infektionen zeigte sich kreuzprotektives Potenzial. Neue Adjuvantien haben also ein enormes Potenzial, Impfungen einfacher, breiter verfügbar und auch für Risikogruppen immunogener zu machen, ihre Sicherheit muss allerdings auch hinsichtlich sehr seltener unerwünschter Ereignisse abgeklärt werden.



Literatur:
– Mutsch M., Zhou W., Rhodes P., Bopp M., Chen R.T., Linder T., Spyr C., Steffen R.: Use of the inactivated intranasal influenza vaccine and the risk of Bell’s palsy in Switzerland. N Engl J Med 2004 Feb 26; 350 (9):896-903
– Han F., Lin L., Warby S.C., Faraco J., Li J., Dong S.X., An P., Zhao L., Wang L.H., Li Q.Y., Yan H., Gao Z.C., Yuan Y., Strohl K.P., Mignot E.: Narcolepsy onset is seasonal and increased following the 2009 H1N1 pandemic in china. Ann Neurol 2011 Aug 22. doi: 10.1002/ana.22587 [Epub ahead of print]