Ein epileptischer Anfall ist definiert als eine plötzlich einsetzende, zeitlich begrenzte Störung der Hirnfunktion mit Bewusstseinstrübung, abnormer motorischer Aktivität, Verhaltensauffälligkeiten und/oder Störungen des sensorischen oder autonomen Nervensystems (Muntau, 2011). Eine Epilepsie ist das chronisch-rezidivierende Auftreten epileptischer Anfälle ohne erkennbare äußere Ursache. Etwa 75 % der Erkrankungen beginnen im Kindesalter (Muntau, 2011), so dass die Epilepsie eine relevante Erkrankung, die bei der Kontrazeptionsberatung berücksichtigt werden muss, darstellt. Katameniale Anfälle während der Menstruation sind seit langem bekannt und gut beschrieben (Herzog, 2008).
Eine sichere Kontrazeption ist aufgrund der Teratogenität der Antiepileptika, insbesondere Carbamazepin und Valproat, von Bedeutung. Hauptproblem ist wie bei erwachsenen Frauen die bilaterale Medikamenteninteraktion zwischen Antiepileptika und Kontrazeptiva. Mädchen benötigen in Relation zum Körpergewicht wegen einer kürzeren Halbwertszeit bei gesteigertem hepatischem Metabolismus eine höhere Dosis Antiepileptika (Zupanc, 2006). Zusatzblutungen (Spottings) können auf eine Interaktion hinweisen. Die hepatische Enzyminduktion über verschiedene Enzyme des Cytochrom-p450-Enzymsystems führen zu einer beschleunigten Inaktivierung der Steroide, vor allem des Ethinylestradiols. Enzyminduzierende Antiepileptika haben deshalb einen Einfluss auf folgende kontrazeptive Verfahren: orale hormonale Kontrazeptiva, transdermale Verabreichungsform (Pflaster), Vaginalring, Gestagenmonopille, Implantate und auf Levonorgestrel und Ulipristal im Rahmen der Notfallkontrazeption (Römer et al., 2017). Nicht alle Antiepileptika haben einen Einfluss auf die Enzyminduktion. Insbesondere Valproinsäure, Vigabatrin, Gabapentin und Levetiracetam beeinflussen die kontrazeptive Sicherheit laut aktueller Datenlage nicht, wohingegen Antiepileptika wie Carbamazepin oder Phenytoin eine ausgeprägte Enzyminduktion verursachen und somit die kontrazeptive Sicherheit gefährden (Römer et al., 2017). Die bilaterale Medikamenteninteraktion hat auf der anderen Seite eine reduzierte Wirksamkeit des Antiepileptikums durch eine beschleunigte Clearance mit verminderten Wirkspiegeln im Serum zur Folge.
Die Datenlage hinsichtlich einer Medikamenteninteraktion zwischen Antiepileptika und Depot-Medroxyprogesteronacetat ist zwar limitiert; es ist aber anzunehmen, dass aufgrund der hohen Dosis kein Einfluss besteht. Auch die Hormonspirale und die Kupferspirale bzw. Kupferkette sollten keine relevanten Interaktionen auf die jeweiligen Wirkspiegel zeigen.
Die Besonderheiten von Lamotrigin und Valproinsäure sollen im Folgenden sollen im Hinblick auf die Kontrazeption skizziert werden.
Eine Einnahme im Langzyklus wird auch bei perimenstruellen Anfällen empfohlen. Die Ethinylestradioldosis sollte nicht weniger als 30 µg betragen. Eine zeitlich versetzte Einnahme von Antiepileptika und oralen hormonellen Kontrazeptiva wird empfohlen.
Eine interdisziplinäre Betreuung mit Neurologen und Neuropädiatern sollte selbstverständlich sein.
Diabetes mellitus Typ 1 ist eine häufige Stoffwechselerkrankung bei Kindern und Jugendlichen, deren Inzidenz in den letzten Jahren enorm angestiegen ist. Es handelt sich um eine Autoimmunerkrankung mit genetischer Prädisposition, die durch einen absoluten oder relativen Insulinmangel gekennzeichnet ist (Muntau, 2011).
Generell gilt, dass die Einnahme hormoneller Kontrazeptiva ohne schwere Begleiterkrankungen unbedenklich ist. Relative Kontraindikationen stellen eine diabetische Nephropathie Stadium III, eine diabetische Retinopathie, arterielle Hypertonie, eine Neuropathie, Nikotinabusus sowie ein Body Mass Index über 35 kg/m² dar. Die Daten über die Auswirkungen von hormonellen Kontrazeptiva auf den Glukose- und Lipidstoffwechsel sind begrenzt; der Einfluss scheint aber gering zu sein (Codner et al., 2012; Kim et al., 2002). Es sollte ein antiandrogenes Gestagen im Kombinationspräparat verwendet werden. Die Hormonspirale und eine reine Gestagenpille können ohne Einschränkungen auch bei den oben genannten Komplikationen empfohlen werden.
Eine große multizentrische Datenbankauswertung bei über 24.000 Mädchen im Alter von 13–18 Jahren analysierte das kardiovaskuläre Risiko mit und ohne die Einnahme hormoneller Kontrazeptiva. Die Art und Dosis des verwendeten Kontrazeptivums wurden nicht differenziert betrachtet. Mädchen, die orale Kontrazeptiva einnahmen, hatten ein schlechteres kardiovaskuläres Profil als Mädchen ohne die Pille. Interessanterweise handelt es sich bei diesen Risikofaktoren vor allem um Lifestyle-Faktoren, die theoretisch durch eine Änderung des Lebensstils veränderbar wären, wie beispielsweise Rauchen, körperliche Aktivität, Alkohol und Dyslipidämie (Bohn et al., 2018). Die Konsequenz aus diesen Daten ist – abgesehen von einer interdisziplinären Zusammenarbeit mit den padiätrischen Endokrinologen – eine Erfassung von kardiovaskulären Risikofaktoren wie Thrombophilie, Dyslipidämie, Blutdruck oder Zeichen einer Makro- oder Mikroangiopathie. Eine Aufklärung der Mädchen über die genannten Lifestyle-Faktoren sollte neben der Aufklärung über Kontrazeption und Fertilität erfolgen.
Als Migräne gelten rezidivierende Kopfschmerzen mit oder ohne Aura, die zwischen 2 h und 48 h andauern. Charakteristisch für eine Migräne sind eine einseitige Lokalisation, ein pulsierender Schmerzcharakter, eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit und eine Verstärkung durch körperliche Belastung. Übelkeit und/oder Erbrechen und Lärm-, Lichtempfindlichkeit können als Begleiterscheinungen auftreten (Muntau, 2011). Eine Aura kann einer solchen Kopfschmerzattacke vorausgehen. Häufig treten visuelle Störungen, aber auch Parästhesien auf.
Vor der Pubertät sind mehr Jungen als Mädchen betroffen, nach der Pubertät allerdings mehr Mädchen, so dass ein hormoneller Einfluss auf die Migräne anzunehmen ist. Über die Hälfte aller Migräneanfälle treten um den Zeitpunkt der Menstruation herum auf (Silberstein et al. 1991).
Migräne ohne Aura: Entsprechend den WHO-Empfehlungen dürfen bei Mädchen mit Migräne ohne Aura alle hormonellen Verhütungspräparate verabreicht werden. Bei zyklusabhängiger Migräne wird die Einnahme im Langzyklus „off label“ empfohlen (Sulak et al., 2007). Peripubertäre Mädchen sollten über mögliche zyklusabhängige Veränderungen der Migränesymptomatik und Veränderungen der Symptome unter Einnahme der Pille informiert werden. Der Langzyklus („off label“) sollte bei Zyklusabhängigkeit empfohlen werden. Weitere Risikofaktoren sollten ausgeschlossen werden und die Patientin auch über die Bedeutung von Risikofaktoren, insbesondere Rauchen, aufgeklärt werden (O’Brien et al., 2015).
Unter der Gestagenpille ist eine Abnahme der Frequenz und der Stärke der Migräneanfälle beschrieben (Ahrendt et al., 2007; Allais et al., 2015). Dieses gilt auch für Migräne mit Aura (Nappi et al., 2011; Merki-Feld et al., 2013).
Migräne mit Aura: Unter oralen kombinierten Kontrazeptiva zeigte sich bei Patientinnen mit Migräne mit Aura kein Unterschied in Frequenz und Qualität der Anfälle (Silberstein et al., 1991), jedoch traten unter der Anwendung des Vaginalrings mit Östradiolsubstitution in der Pillenpause signifikant weniger Attacken auf (Calhoun et al., 2012).
Laut WHO-Empfehlung (WHO, 2015) sind Kombinationspräparate bei Migräne mit Aura inakzeptabel. Dieses ist im erhöhten Auftreten von ischämischen Insulten begründet (Curtis et al., 2006; Silberstein et al., 2014). Das Risiko für einen Schlaganfall wurde als doppelt so hoch bei Einnahme von hormonellen Kombinationspräparaten beschrieben (de Falco, 2015), in einer weiteren Fall-Kontroll- Studie sogar als 6-fach erhöht (Champaloux et al., 2017). Daher ist das Erfassen von Risikofaktoren für einen ischämischen Insult von großer Bedeutung. Hierzu zählen beispielsweise Diabetes mellitus, arterielle Hypertonie, Adipositas, Rauchen, Hyperlipidämie und andere.
Es ist anzumerken, dass die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft in einer Pressemitteilung von 2012 (DMKG, 2012) die Anwendung von hormonellen Kombinationspräparaten auch bei Patientinnen mit Migräne mit Aura für akzeptabel hält, sofern eine entsprechende Aufklärung erfolgte und keine weiteren Risikofaktoren vorliegen.
Diese Daten beziehen sich auf erwachsene Frauen; bezüglich des kardiovaskulären Risikos bei Mädchen mit Migräne ist die Datenlage leider sehr begrenzt.
NACHSATZ: Das Problem fehlender Daten bei Kindern ist in der Pädiatrie wohlbekannt; auch in der Kontrazeptionsberatung bei Mädchen mit bestimmten Grunderkrankungen muss meist auf Empfehlungen, die sich auf erwachsene Frauen beziehen, zurückgegriffen werden.
Nach dem Vortrag der Autorin im Rahmen der PIKÖ-Fachtagung „Was Sie schon immer über die Pubertät wissen wollten“ (PIKÖ – Plattform für interdisziplinäre Kinder- und Jugendgynäkologie Österreich, www.pikoe.at), 14. April 2018, Ausbildungszentrum am Med Campus V., Kepler Universitätsklinikum Linz