Das Spektrum der Kopfschmerzerkrankungen in der Schwangerschaft und Stillzeit reicht vom harmlosen selbstlimitierenden Symptom bis hin zur lebensbedrohlichen Erkrankung.
Zu den primären/idiopathischen Kopfschmerzen gehören alle Kopfschmerzsyndrome, die zwar eine organische Ursache haben, bei denen sich jedoch weder eine Strukturläsion noch ein pathologischer Befund als Kopfschmerzursache nachweisen lässt.
Dieser Artikel umfasst diagnostische und therapeutische Richtlinien zu Migräne und zum Kopfschmerz vom Spannungstyp. Weiters erfolgt eine differenzialdiagnostische Abgrenzung zu sekundären Kopfschmerzformen. Die Subarachnoidalblutung und die Sinusvenenthrombose weisen in der Schwangerschaft eine erhöhte Inzidenz auf.
Die Migräne ist eine Erkrankung mit periodisch auftretenden Kopfschmerzattacken, die typischerweise mit vegetativen Begleitsymptomen, wie Übelkeit bis hin zum Erbrechen sowie Photo- oder Phonophobie einhergeht. Der Kopfschmerzcharakter ist einseitig, pulsierend und von mittlerer oder starker Schmerzintensität, wobei der Schmerz durch körperliche Routineaktivitäten verstärkt wird.
Rund 10–15 % der Migränepatienten haben vor Beginn der Kopfschmerzen eine Aurasymptomatik, d. h. neurologische Reiz- oder Ausfallserscheinungen (z. B. visuelle Phänomene), die sich langsam über 5–10 Minuten entwickeln und sich normalerweise innerhalb von 60 Minuten komplett zurückbilden.
Die Lebenszeitprävalenz der Migräne bei Frauen liegt bei 25 % und erreicht einen Gipfel zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr. Migräne mit oder ohne Aura hat keinen negativen Einfluss auf das Ergebnis einer Schwangerschaft bei sonst gesunden Frauen. 50 % bis 80 % der Migränepatientinnen erfahren eine Verbesserung der Migräne in der Schwangerschaft. Kurz nach der Geburt kommt es zu einem raschen Absinken der hohen Östrogenspiegel, was das Wiederauftreten der Migräne in der postpartalen Phase erklären kann. Stillen führt zu einer anhaltenden Stabilisierung der Migräne. Östrogen und andere Geschlechtshormone interagieren dabei mit dem pathophysiologisch verantwortlichen trigeminovaskulären System und haben einen Einfluss auf die Gefäßreaktivität.
Die Therapie der Migräne in der Schwangerschaft beruht auf den gleichen Prinzipien wie die Therapie der Migräne außerhalb der Schwangerschaft, also auf der Kombination einer symptomatischen Therapie der Kopfschmerzen und Begleitsymptome während der einzelnen Migräneattacke mit vorbeugenden Maßnahmen (Prophylaxe) – mit dem Ziel der Reduktion von Attackenfrequenz und -intensität.
Die Strategien zur Behandlung der akuten Attacken in der Schwangerschaft sollten schon in der Planungsphase der Schwangerschaft diskutiert werden. Idealerweise sollte (von Ausnahmen abgesehen) eine prophylaktische Therapie in der Planungsphase einer Schwangerschaft beendet werden; stattdessen sollten nicht-medikamentöse prophylaktische Therapieverfahren, wie die regelmäßige Anwendung von Entspannungsverfahren, Biofeedback oder Akupunktur, bzw. regelmäßiger Ausdauersport zum Einsatz kommen.
Paracetamol ist in allen Phasen der Schwangerschaft und Stillzeit das Mittel der ersten Wahl zur Behandlung der akuten Migräneattacke. ASS, Ibuprofen, Diclofenac und Naproxen sind im zweiten Trimenon ebenfalls zulässig.
Die Einnahme von Sumatriptan ist im 2. und 3. Trimenon unter strenger Indikationsstellung (d. h. anders nicht behandelbare Attacken mit starken Schmerzen und Begleitsymptomen) vertretbar. In der Stillzeit wird eine 8-stündige Stillpause nach der Einnahme empfohlen. Dimenhydrinat ist das Antiemetikum der ersten Wahl zur Behandlung von migräneassoziierter Übelkeit.
Beim Kopfschmerz vom Spannungstyp handelt es sich meist um einen holokraniellen Kopfschmerz. Der Schmerzcharakter wird als dumpf-drückend angegeben, die Intensität ist niedrig bis mittel. Unterschieden wird eine episodische (sporadisch bzw. häufig auftretend) von einer chronischen Form. Ein Zusammenhang zwischen Kopfschmerzen vom Spannungstyp und hormonellen Veränderungen in der Schwangerschaft scheint nicht zu bestehen.
Auch beim chronischen Spannungskopfschmerz ist die Wirksamkeit nicht-medikamentöser Maßnahmen, wie die regelmäßige Ausübung von Ausdauersport und Entspannungsverfahren, belegt und sollte insbesondere in der Schwangerschaft Therapiemaßnahme der ersten Wahl sein.
Die Erhebung einer ausführlichen Anamnese ist der wichtigste Schritt in der diagnostischen Zuordnung von Kopfschmerzen. In der Schwangerschaft wird man besonders genau abwägen, ob die Durchführung bildgebender Diagnostik notwendig ist. Wenn es sich um eine bereits seit langem bestehende Kopfschmerzerkrankung handelt und die gegenwärtigen Beschwerden den früheren Beschwerden im Charakter gleichen, ist es sehr unwahrscheinlich, dass es sich um eine gefährliche Kopfschmerzerkrankung handelt.
Indikation für MRT und Labor bzw. Liquordiagnostik:
Subarachnoidalblutung: In der Schwangerschaft ist das Risiko für eine Subarachnoidalblutung bis zu 5-fach erhöht (Simolke et al., 1991). Der Kopfschmerz bei einer Subarachnoidalblutung beginnt typischerweise plötzlich, erreicht in kürzester Zeit sein Schmerzmaximum und ist außerordentlich stark (symptomatischer „Donnerschlagkopfschmerz“). Da die Subarachnoidalblutung fast immer mit einem hohen Blutdruck einhergeht, muss differenzialdiagnostisch an Kopfschmerzen im Rahmen einer Eklampsie gedacht werden.
Sinusvenenthrombose: Das Schlaganfallrisiko ist in der Schwangerschaft bis zu 13-fach erhöht. In 60–80 % der Fälle ist die zerebrale Venenthrombose Ursache für einen Schlaganfall in der Schwangerschaft. Meist entwickelt er sich langsam progredient über Tage bis Wochen. Neben Kopfschmerzen bestehen fast immer Zeichen einer intrakraniellen Drucksteigerung (Übelkeit und Erbrechen). Im weiteren Verlauf treten epileptische Anfälle und neurologische Herdzeichen auf.