Kosteneffektives Screening für Gestationsdiabetes

Diagnostischer Screeningstandard OGTT: In der Vergangenheit wurden die Diagnosekriterien für GDM mehrfach diskutiert und überarbeitet. Gesichert ist, dass geburtshilfliche Komplikationen durch eine frühe Diagnose und Therapie der Erkrankung (z. B. durch Lebensstilmodifikation oder Insulintherapie) deutlich reduziert werden können.4
Der orale Glukosetoleranztest (OGTT) gilt als diagnostischer „Goldstandard“ und wurde auch in Österreich als verpflichtende Untersuchung in den Mutter-Kind-Pass aufgenommen (generelles Screening).5 Dennoch stellt sich zunehmend die Frage nach einfacheren und billigeren Screeningmethoden.

Selektives Screening nach Risikofaktoren: Eine Alternative zum generellen Screening mittels OGTT besteht in der Durchführung selektiven Screenings anhand einzelner Risikofaktoren für GDM, wie höheres Alter, Übergewicht, GDM in einer früheren Schwangerschaft, Familienanamnese mit Typ-2-Diabetes, Glukosurie oder ethnischer Hintergrund. 6–8 Allerdings zeigten die einzelnen Faktoren für sich genommen eine relativ geringe Testgenauigkeit.9 Zur Verbesserung von Sensitivität und Spezifität wurde die Zusammenfassung der einzelnen Risikofaktoren in ein einzelnes Risikomodell diskutiert.10 Allerdings ist eine große Anzahl an Patienten und gesunden Kontrollen notwendig, um derartige Vorhersagemodelle zu entwickeln. Weiters ist eine Validierung im klinischen Alltag notwendig. Diese ist für die meisten bestehenden Modelle bislang allerdings ausständig.

Vortests vor OGTT: Eine andere Möglichkeit, die Anzahl an OGTT-Untersuchungen zu reduzieren, besteht in der Durchführung eines Vortests mittels Nüchternblutzucker. In Anbetracht der neuen Richtlinien der IADPSG (International Association for Diabetes in Pregnancy Study Groups)11 scheint diese Vorgehensweise sinnvoll, da bereits ein Nüchternblutzuckerwert von ≥ 92 mg/dl als diagnostisch für das Vorliegen von GDM gilt – eine weitere Diagnostik ist in diesem Fall nicht mehr notwendig. Nach Daten der HAPO-Studie (Hyperglycemia and Adverse Pregnancy Outcome) können ca. 50 % der erkrankten Frauen allein durch pathologischen Nüchternblutzucker erkannt werden.11
Des Weiteren wurde kürzlich gezeigt, dass besonders niedrige Werte gegen das Vorliegen von GDM sprechen.12 Eine andere Form des Screenings mittels Vortest bietet der 50 g Glucose Challenge Test (GCT) mit dem Vorteil, dass diese Untersuchung auch im Nicht-nüchtern-Zustand (beginnend mit der 24. Schwangerschaftswoche) durchgeführt werden kann. Ab Werten über 135 mg/dl eine Stunde nach Einnahme der Zuckerlösung gilt der Test als positiv und es wird ein OGTT zur definitiven Diagnose empfohlen.13 Im Gegensatz zu Deutschland wird dieser Test in Österreich (wo generelles Screening mittels OGTT erfolgt) nicht durchgeführt. Der Nachteil besteht im dem deutlich höheren Zeitaufwand im Vergleich zur Nüchternblutzuckerbestimmung.

Zweistufiger GDM-Vorhersagealgorithmus der MedUni Wien: Eine weitere Alternative zum generellen Screening mittels OGTT wird derzeit in einem Kooperationsprojekt zwischen Universitätsklinik für Frauenheilkunde und Universitätsklinik für Innere Medizin III (Medizinischen Universität Wien) entwickelt. Anhand der Daten einer österreichischen Studie (n = 1.336, Zentren in Wien, Salzburg, Steyr, Innsbruck) wurde ein zweistufiger Algorithmus zur Vorhersage von GDM erarbeitet. Dieser Algorithmus setzt sich aus folgenden Schritten zusammen: (i) generelles Screening mittels Nüchternblutzucker zum Ausschluss einer manifesten Erkrankung, (ii) Anamnese von Risikofaktoren bei Frauen mit unauffälligem Nüchternblutzucker und Berechnung eines Risikomodells zur Klassifizierung der Schwangeren in geringes bzw. mittleres/hohes Risiko für GDM, (iii) OGTT bei Frauen mit mittlerem/hohem Risiko für GDM. Es kann gezeigt werden, dass dieser Algorithmus mit einer relativ hohen Testgenauigkeit einhergeht. Es erfolgte auch eine Validierung an einer unabhängigen Kontrollgruppe mit ähnlich guten Ergebnissen. Die Studie soll im Detail bei der heurigen Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe in Graz vorgestellt werden.

Zusammenfassend wird derzeit ein generelles Screening mittels OGTT befürwortet. Allerdings bleibt es eine Herausforderung für die epidemiologische Forschung, kosteneffektivere Alternativen zu finden. Klinische Vorhersagemodelle unter Einbeziehung neuer Biomarker könnten in Zukunft an Bedeutung gewinnen.

 

  1. Kautzky-Willer et al., Eur J Clin Invest 2009; 39: 631-48
  2. Retnakaran,Curr Diabetes 2009; Rev. 5:239-244
  3. Göbl et al., Obstet Gynecol 2011; 118:71-78
  4. Farrar et al., Cochrane Database Syst Rev 2011; CD007122
  5. Tieu et al., Cochrane Database Syst Rev 2011: CD007222
  6. Kjos et al., N Engl J Med 1999; 341:1749-56
  7. Metzger et al., Diabetes Care 2007; 30:251-260
  8. Kautzky-Willer et al., J Clin Endocrinol Metab 2008; 93:1689-1695
  9. Griffin et al., Diabet Med 2000; 17:26-32
  10. van Leeuwen et al., BJOG 2010; 117:69-75
  11. International Association of Diabetes and Pregnancy Study Groups Consensus Panel, Diabetes Care 2010; 33:676-682
  12. Agarwal et al., Diabetes Care 2010; 33:2018-2020
  13. www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de/fileadmin/Redakteur/Leitlinien/Evidenzbasierte_Leitlinien/Gestationsdiabetes_EbLL_Endfassung_2011_08_11_.pdf (2012)