Seit der Zulassung 1988 in Frankreich hat sich der medikamentöse Schwangerschaftsabbruch mit Mifegyne® (Mifepriston) und dem Prostaglandin Misoprostol (Cyprostol®, Cytotec®) als evidenzbasierter Standard etabliert. Diese synergistisch wirkende Medikamentenkombination bildet den physiologischen Prozess einer spontanen (Fehl-) Geburt nach und ist deshalb ausgesprochen wirksam. Sie hat kaum Kontraindikationen und sehr wenig Nebenwirkungen. Seit vielen Jahren empfehlen alle evidenzbasierten Therapierichtlinien diese Methode, und zwar sowohl im ersten Trimenon, aber auch wenn aus medizinischen Gründen eine fortgeschrittene Schwangerschaft beendet werden muss. Für die Geburtseinleitung gibt es derzeit erst wenige Studien und folglich (noch) keine Indikation. Allerdings ist die Blockierung der Progesteronwirkung ein vielversprechender Zugang auch in dieser Indikation. Im Folgenden werden einige klinische Aspekte des Abbruchs im ersten Trimenon dargestellt.
Eine Gabe Mifegyne® blockiert zunächst die Progesteron-Rezeptoren, was in einer Gelbkörperinsuffizienz resultiert: Öffnung der Zervix, leichte Ablösung des Fruchtsackes bzw. der Plazenta von der Uteruswand und Sensibilisierung des Myometriums für Prostaglandine (Abb. 1). Nach einer unerlässlichen, initialen Wartezeit von 1–2 Tagen wird eine geringe Gabe von Prostaglandin gegeben. Die dadurch ausgelösten Uteruskontraktionen führen bei bereits geöffneter Zervix rasch zu einer Ausstoßung.
Da eine Schwangerschaft für ihre ganze Dauer Progesteron als schwangerschaftserhaltendes Hormon benötigt, führt die Blockierung durch Mifegyne® in jedem Stadium zu einem Ende der Schwangerschaft, von der Einnistung bis zum Termin.
Bei der Anwendung im Rahmen des legalen Abbruchs im 1. Trimenon ist der klinische Verlauf eines medikamentösen Abbruchs ident und von einem Spontanabort bei Corpus-luteum-Insuffizienz nicht zu unterscheiden.
Progesteron bzw. dessen Blockierung sind auch außerhalb einer Schwangerschaft klinisch relevant. Daraus ergeben sich einige andere Anwendungsbereiche, die teilweise bereits zugelassen sind (wie z. B. die Zervixdilatation vor transzervikalen Eingriffen oder die Therapie des Uterus myomatosus) bzw. sich teilweise noch im Stadium von Studien befinden (wie z. B. beim Progesteronrezeptor-positiven Mammakarzinom).
Unterschiedliche nationale Zulassungsregelungen: Mifegyne® ist zwar in ganz Westeuropa zugelassen (außer in Irland), seine Anwendung unterliegt jedoch sehr unterschiedlichen nationalen Regelungen bzw. Restriktionen. Diese führen zu großen Unterschieden in der Anwendungshäufigkeit, wie in Abb. 2 dargestellt. Im internationalen Vergleich fällt auf, dass die Häufigkeit der Anwendung in den Ländern hoch ist, in denen Frauen eine freie Wahl der Methode haben. Verlässliche Daten zum medikamentösen Abbruch für Österreich gibt es nicht, da der Abbruch im Gegensatz zu allen anderen westeuropäischen Ländern nicht von der Krankenkasse bezahlt wird. Allerdings liegt die Häufigkeit mit großer Wahrscheinlichkeit unter derjenigen von anderen Ländern, da die Abgabe von Mifegyne® in Österreich auf Krankenanstalten beschränkt ist, was der Anwendung im niedergelassenen Bereich im Weg steht.
Die Zulassung für den frühen Schwangerschaftsabbruch wurde 2008 bis zum 63. Tag Amenorrhö (9. Woche) erweitert. Der Wirkungsmechanismen von Mifegyne® und Prostaglandin ist ident während der ganzen Schwangerschaft. Die ursprüngliche Begrenzung auf 49 Tage basierte nicht auf medizinischen Gründen, sondern auf vermuteten psychologischen Auswirkungen. Diese hatten sich jedoch nicht bestätigt. U. a. ist Mifegyne® in England und Schweden bereits seit 1991 bzw. 1992 für den medikamentösen Abbruch bis zum 63. Tag Amenorrhödauer zugelassen, ebenso in Norwegen seit 2000.
Zu beachten ist allerdings, dass bei Schwangerschaften nach dem 49. Tag eine höhere Dosierung von Cytotec® (Misoprostol), nämlich 800 mcg, angewendet und diese vaginal statt oral gegeben werden muss, um eine ähnlich hohe Erfolgsrate zu erreichen. Die großen Erfahrungen zum medikamentösen Abbruch bei längerer Schwangerschaftsdauer in England und Schweden haben die Sicherheit und Wirksamkeit der Methode bis zur 9. Woche eindeutig belegt. Allerdings sind die Nebenwirkungen u. a. abhängig vom Gestationsalter, weshalb Blutung und Schmerzen bei medikamentösen Abbrüchen nach dem 49. Tag p. m. tendenziell etwas erhöht sind.
Der große Vorteil des medikamentösen Abbruchs liegt in der Möglichkeit einer sehr frühen Behandlung. Die Nebenwirkungen, wie Schmerzen und Blutung, sowie die psychische Belastung sind tendenziell umso geringer, je früher der Abbruch durchgeführt wird.
Die Lokalisation einer Schwangerschaft ist vor dem Auftreten eines Dottersacks (etwa ab 5,5–6 Wochen Amenorrhö) bzw. dem Nachweis einer Herzaktivität nicht sicher zu diagnostizieren. Da Mifegyne® bei einer extrauterinen Schwangerschaft (EUG) wirkungslos bleibt, ist diese wichtige Differenzialdiagnose bei Vorliegen einer sehr frühen Schwangerschaft zu berücksichtigen und die Patientin diesbezüglich aufzuklären. Allerdings ist eine sehr frühe Schwangerschaft kein Grund, mit dem Beginn der Behandlung zu warten, sofern sich die Patientin klar für einen Abbruch entschieden hat. Der große Vorteil des medikamentösen Abbruchs liegt ja gerade in der Möglichkeit einer sehr frühen Behandlung mit geringen Nebenwirkungen. Statt die Patientin nach einer Woche wiederzubestellen und in der Zwischenzeit nichts zu tun, kann Mifegyne® verabreicht werden, wenn vorher mittels vaginalem Ultraschall eine extrauterine Lage nicht nachgewiesen werden konnte und eine Blutabnahme zur Bestimmung von b-hCG erfolgte. Nach einer Woche kommt die Patientin zur Kontrolle des b-hCG-Wertes. Wenn dieser deutlich abgefallen ist, auf weniger als 20 % des Ausgangswerts, ist die Schwangerschaft beendet und eine persistierende extrauterine Schwangerschaft ausgeschlossen. In jedem anderen Fall richten sich die medizinischen Maßnahmen nach dem klinischen Befund.
Die EUG ist ein seltenes Ereignis, das unentdeckt lebensbedrohliche Folgen haben kann. Die genannte Vorgehensweise ist ein geeignetes Verfahren, um eine frühzeitige Diagnose sicherzustellen.
Sowohl Ultraschall als auch eine Verlaufskontrolle von β-hCG im Serum oder im Urin eignen sich zur Therapiekontrolle. Lediglich bei sehr frühen Schwangerschaften, wenn intrauterin noch kein Fruchtsack zu sehen ist, bleibt die 2-malige β-hCG-Bestimmung ohne Alternative. Die Interpretation der Ultraschallbilder bei der Kontrolluntersuchung kann gelegentlich durch ein hohes Endometrium bzw. Blutkoagel erschwert werden. Dieser Befund kommt auch in Fällen vor, in denen die Schwangerschaft erfolgreich beendet und der Fruchtsack ausgestoßen wurde. Das Endometrium beträgt bei der Kontrolluntersuchung im Durchschnitt 10 mm, kann aber bis zu 20 mm hoch sein. Gelegentlich ist es auch inhomogen und kaum zu interpretieren. Eine Diagnose von „Residuen“ lediglich aufgrund des Ultraschalls ist meist nicht möglich, weil Residuen, Blutkoagel und Endometrium im Ultraschall schwer zu unterscheiden sind. Derartige Befunde können jedoch zu einer frühen bzw. nicht unbedingt notwendigen Saugkürettage führen.
Der Inhalt des Cavum uteri wird jedoch in fast allen Fällen mit der folgenden spontanen oder induzierten Menstruationsblutung ausgestoßen. Durch Abwarten kann der Patientin eine Saugkürettage meist erspart werden. Die nach einem medikamentösen Abbruch häufigen, in der Praxis sonst aber ungewöhnlichen Ultraschallbefunde sind für die behandelnden ÄrztInnen gewöhnungsbedürftig, aber mit einem Ultraschallsimulator (z. B. Sonotrainer) trainierbar.
β-hCG als Verlaufskontrolle hat den Vorteil, dass es klarer zu interpretieren ist. Allerdings ist eine Bestimmung des hCG-Wertes am Beginn der Behandlung notwendig, da die individuellen Schwankungen sehr groß sind. Für die Beurteilung zum Zeitpunkt der Kontrolluntersuchung ist deshalb die Kenntnis des Ausgangswerts unabdingbar. Ein Abfall auf weniger als 20 % des Ausgangswertes innerhalb einer Woche zeigt eine abgeschlossene Schwangerschaft an.
ZUSAMMENFASSUNG: Der medikamentöse Abbruch mit Mifegyne® und Cytotec® hat sich aufgrund der hohen Wirksamkeit und geringer Nebenwirkungen als Standard beim Schwangerschaftsabbruch etabliert. Beide Medikamente haben ein großes Potenzial für weitere Verbesserungen und weitere Indikationen.