Allerdings war die endokrine Therapie in ihren Anfängen alles andere als nebenwirkungsarm, während der letzten 120 Jahre wurde sie jedoch stetig weiterentwickelt. Das dieser Therapieform zugrunde liegende Konzept aber, dem hormonabhängigen Tumor Östrogene zu entziehen und ihn auf diese Weise „auszuhungern“, ist in all den Jahren gleich geblieben.
Im Folgenden soll die Entstehung der endokrinen Therapie kurz beleuchtet werden:
Endokrin-chirurgischen Therapie: Schinzinger, ein deutscher Chirurg, der an der Universität Freiburg und Universität Wien studierte, empfahl bereits im Jahre 1889 die Entfernung der Ovarien bei Patientinnen mit Mammakarzinom. Die Überlegung war, dass das prämenopausale Mammakarzinom – damals wie heute – einen besonders aggressiven Krankheitsverlauf aufweist. Im Jahr 1896 hat Beatson im „Lancet“ seine berühmten Daten über die temporäre Regression des metastasierten Mammakarzinoms durch Oophorektomie publiziert. Durch diese beiden Wissenschaftler wurde die endokrin-chirurgische Therapie des Mammakarzinoms initiiert. Basierend auf ihren Erkenntnissen wurde im Weiteren in einer Reihe von Tierversuchen durch Entfernung der Ovarien bzw. Implantation von Ovarien der Einfluss von Hormonen (v. a. Östrogenen) auf den Brustkrebs studiert. Im Besonderen wurde nachgewiesen, dass die Brustkrebsinzidenz bei ovarektomierten Patientinnen bei 1,5 % lag, bei nicht ovarektomierten Frauen hingegen bei 15,4 %. Eine experimentelle Arbeit aus dem Jahre 1939 zeigte weiters, dass bei Mäusen, die innerhalb von 24 Stunden nach der Geburt ovarektomiert worden waren, deutlich seltener Mammatumoren durch Karzinogene hervorgerufen werden konnten als bei nicht ovarektomierten Mäusen. Der Umstand allerdings, dass auch bei den ovarektomierten Tieren Mammakarzinome zu generieren waren, wurde auf die extragenitale Produktion von Sexualsteroiden in den Nebennieren zurückgeführt. Basierend auf der Theorie, dass die Steroidhormone der Nebenniere die Entstehung von Brustkrebs stimulieren könnten, hat Huggins im Jahr 1951 zusätzlich zur Ovarektomie auch die Adrenalektomie mit konsekutiver Kortisonsubstitution empfohlen, weiters konnten Pearson und Kollegen erstmals 1954 gute Ansprechraten von metastasiertem Mammakarzinom durch gleichzeitige Ovarektomie und Adrenalektomie zeigen. Auch die Hypophysektomie, die zur Suppression der Funktion von Ovarien und Nebennieren führt, war ein Ziel der endokrinchirurgischen Therapie beim Mammakarzinom.
Medikamentöse endokrine Therapieformen ( SERM, SERD, GnRH-Analoga und Aromatasehemmer): Bereits im Jahre 1936 spekulierte Lacassagne im „American Journal of Cancer“ darüber, dass Östrogenantagonisten Brustkrebs verhindern könnten. Im Jahre 1958 berichtete Lerner über die antiöstrogenen Eigenschaften vom Clomiphen. Clomiphen wurde nämlich in Tierexperimenten bei postkoitaler Verabreichung kontrazeptive Wirkung nachgewiesen, ein Effekt, der die Pharmaindustrie damals mehr als die Behandlung von Brustkrebs interessierte. Ironischerweise erhöhte allerdings Clomiphen beim Menschen die Fertilität, statt antifertil zu wirken. In den 1960er-Jahren wurde von ICI Pharmaceuticals (heute Astra Zeneca) ein weiteres Antiöstrogen, nämlich Tamoxifen entwickelt. Der Nachweis von Östrogenrezeptoren bei malignen Brusttumoren promotete den Einsatz von Tamoxifen im Rahmen der Brustkrebstherapie. Erste Studien zu Tamoxifen als Brustkrebstherapeutikum wurden in Manchester durchgeführt, wobei im Jahre 1969 von dieser Arbeitsgruppe bei einem unselektierten Patientinnenkollektiv eine Ansprechrate von 22 % nachgewiesen werden konnte. 1972 wurde das Patent für Tamoxifen beantragt, die Markteinführung als Brustkrebstherapeutikum erfolgte 1973 vorerst im UK und 1976 im übrigen Europa.
SERM und SERD: Tamoxifen war der erste SERM (Selective Estrogen Receptor Modifier), da es zwar an der Brust antiöstrogen wirkt, jedoch u. a. im Bereich des Knochens und des Endometriums östrogene Partialwirkung aufweist. Erst 2004 wurde mit Fulvestrant eine 100%ig antiöstrogen wirkende Substanz (so genannte SERD = Selective Estrogen Receptor Down Regulator) zugelassen, die im Gegensatz zu Tamoxifen keine partiell östrogenagonistischen Eigenschaften aufweist. Fulvestrant bindet kompetitiv am Östrogenrezeptor mit einer dem Östradiol vergleichbaren Affinität und blockiert vollständig die trophischen Wirkungen der Östrogene.
GnRH-Analoga: Ein anderer wichtiger Schritt im Rahmen der Therapie des Östrogenrezeptor-positiven Mammakarzinoms war die Entwicklung der so genannten GnRH-Analoga. Die GnRH-Analoga (vormals LHRH-Analoga) sind synthetische Analoga des Gonadotropin-releasing Hormon (GnRH) und bewirken die Freisetzung der Gonadotropine im Hypophysenvorderlappen. Da die Gonadotropinspeicher im Anschluss an die Freisetzung leer sind, resultiert eine Downregulation der Steroidhormonproduktion in den Ovarien und ein Absinken der Steroidhormonspiegel im Serum. Seit der Einführung von Goserelin im Jahre 1990 ist der Einsatz von GnRH-Analoga als endokrine Therapie prämenopausaler Brustkrebspatientinnen mit Östrogenrezeptor-positivem Mammakarzinom zugelassen.
Aromatasehemmer (AI): Ähnlich wie bei der Entwicklung von Tamoxifen war auch die Entdeckung der Aromatasehemmer als Brustkrebstherapeutika eher zufällig. Primäres Ziel war es, die operative Adrenalektomie nachzuahmen und so bei postmenopausalen Frauen durch Senkung des Plasma-Östrogenspiegels eine antitumorale Wirkung zu erzielen. Thompson und Siiteri konnten 1974 den diesem Phänomen zugrunde liegenden Mechanismus nachweisen; dieser bestand in der Hemmung der Aromatisierung durch die Substanz Aminoglutethimid. Somit wurde das primäre Ziel der chemischen Adrenalektomie verlassen und Aminoglutethimid, zugeordnet zu den „nicht steroidalen“ AI, war als Aromatasehemmer der 1. Generation geboren. 1979 zeigte Barone, dass Testolactone (der erste „steroidale“ AI) die periphere Aromatisierung um bis zu 90 % hemmen kann. 1996 wurde Anastrozol als erster Aromatasehemmer der 3. Generation für die Behandlung postmenopausaler Brustkrebspatientinnen zugelassen, im gleichen Jahr wurde die weltweit größte Studie im adjuvanten Setting, die so genannte ATAC-Studie begonnen.
Für die Klinik stehen heute die nicht-steroidalen Aromatasehemmer Anastrozol (Arimidex®) und Letrozol (Femara®) sowie der steroidale Aromatasehemmer Exemestan (Aromasin®) zur Verfügung.
ZUSAMMENFASSEND ist anzumerken, dass die endokrine Therapie des rezeptorpositiven Mammakarzinoms eine Erfolgsgeschichte ist, kann doch in vielen Fällen die weitaus belastendere zytostatische Chemotherapie durch die in Bezug auf onkologische Wirksamkeit zumindest gleichwertige, wesentlich besser verträgliche endokrine Therapie ersetzt werden. Mit Stolz ist in diesem Kontext zu vermerken, dass österreichische Arbeitsgruppen an dieser Entwicklung entscheidend beteiligt waren.