Neue wissenschaftliche Erkenntnisse vom ASCO 2012

Am ASCO 2012 in Chicago wurden insbesondere beim Mamma-, Ovarial- und Korpuskarzinom klinisch wichtige Vorträge präsentiert. Einige dieser Neuigkeiten sind im folgenden Bericht zusammengefasst.

Mammakarzinom

EMILIA-Studie – Trastuzumab-Konjugat T-DM1 (Trastuzumab-Emtansin) wirksamer als Capecitabin/Lapatinib beim metastasierten, HER2-positiven Mammakarzinom (Blackwell et al.1): Alle 991 Patientinnen hatten eine Vor­therapie mit einem Taxan und Trastuzumab erhalten. Sie wurden in den Therapiearm T-DM1 oder Capecitabin/Lapatinib randomisiert (Tab. 1 zeigt die relevanten Ergebnisse).

 

 

HER2-überexprimierendes Mammakarzinom – prognostische Bedeutung des Hormonrezeptorstatus (Van Duarte L. et al.2): 3.394 Patientinnen wurden vom NCCN behandelt. Sie hatten HER2-positive Mammakarzinome im Stadium I–III. Es wurde die Bedeutung des Hormonrezeptorstatus auf das Überleben untersucht. Die mediane Nachbe­obachtung betrug 51 Monate und fast 60 % der Karzinome war Hormonrezeptor-positiv. 44 % der Patientinnen erhielten adjuvantes Trastuzumab. Das Risiko, im Fall einer Metastasierung primär Gehirnmetastasen zu entwickeln, war bei HR-negativen Patientinnen deutlich höher als bei HR-positiven (RR 1,8). Frauen mit HR-negativen Karzinomen wiesen eine deutlich schlechtere Prognose auf als jene mit HR-positiven Tumoren (1,4-fach erhöhtes Mortalitäts-Risiko).

Beeinflusst Diagnose und Therapie der Osteoporose die Prognose des Mammakarzinoms bei adjuvanter Therapie mit Aromatasehemmern? (Shepherd et al.3): Die MA.27-Studie mit über 7.500 Patientinnen untersuchte die adjuvante Wirksamkeit der beiden Aromataseinhibitoren Anastrozol und Exemestan. Osteoporose wurde zu Studienbeginn von 8,6 % der Patientinnen (654/7576) und zum Zeitpunkt eines Rezidivs von weiteren 661 von 7.576 Frauen berichtet. Die Osteoporose war mit einem besseren rezidivfreien Überleben verbunden (HR 0,81; p = 0,04). Patientinnen, die eine Behandlung der Osteoporose oder Osteope­nie erhielten (insgesamt 2.711 Patientinnen; allermeist Therapie mit Bisphosphonaten), wiesen ebenso ein besseres rezidivfreies Überleben auf (p = 0,0001). So interessant diese Daten auch scheinen, so sehr muss betont werden, dass sowohl die Diagnose als auch die Therapie der Osteoporose auf den Angaben der Patientinnen beruhte.

Prognostischer und prädiktiver Wert der Ki-67-Bestimmung vor und nach einer neoadjuvanten TAC-Chemotherapie (Von Minckwitz et al.4): Die Analyse der GeparTrio-Studie bezüglich der Wertigkeit des Ki-67 zeigte eine höhere Rate von kompletten pathologischen Remissionen bei hohem Ki-67 (29 %) als bei niedrigem Ki-67 (4 %). Es zeigte sich eine hochsignifikante Korrelation zwischen hohen postchemotherapeutischen Ki-67-Werten und einem kürzeren tumorfreien Überleben (p < 0,0002).

Ovarialkarzinom

AURELIA – randomisierte Studie einer Chemotherapie +/– Bevacizumab beim Rezidiv des platinresistenten Ovarialkarzinoms (Pujade-Lauraine et al.5): 361 Patientinnen mit platinresistentem Rezidiv, d. h. einer Progression innerhalb von 6 Monaten nach Abschluss einer platinhältigen Chemotherapie ohne die Anamnese einer Fistel oder Darmobstruktion und mit maximal 2 vorausgegangenen Chemotherapieschemata wurden eingeschlossen. Die Monochemotherapie konnte vom Untersucher bestimmt werden: PEG-liposomales Doxorubicin, Topotecan Tag 1–5 oder wöchentliches Paclitaxel. Bevacizumab mit 10 mg/kg alle 2 Wochen oder 15 mg/kg alle 3 Wochen zeigte einen klinisch relevanten Effekt (Tab. 2).
Diese Daten zeigen, dass bei entsprechender Selektion der Patientinnen die Zusatztherapie mit Bevacizumab gut verträglich ist und die Effektivität von Standardchemotherapien beim platinresistenten Ovarialkarzinom entscheidend verbessern kann.

 

 

Nephrologische und vaskuläre Sicherheit einer Bevacizumab-Therapie beim Ovarialkarzinom (Launay-Vacher et al.6): Hypertonie und Proteinurie sind häufige Nebenwirkungen von Angioneogenese-Inhibitoren. 77 Patientinnen wurden während und nach einer Bevacizumab-Therapie systematisch untersucht (medianes Alter 62 Jahre, mediane Nachbeobachtung 1 Jahr; Tab. 3). Bei Patientinnen mit neu aufgetretener Proteinurie zeigte sich bei 58 % eine Verbesserung bzw. Normalisierung. Die durchschnittliche glomeruläre Filtrationsrate verschlechterte sich um 2,7 ml/min/1,73 m2/Jahr.
Bei Therapie mit antiangiogenetischen Substanzen sollte der Hypertonie Beachtung geschenkt werden. Die Proteinurie hat meist keine klinische Auswirkung und ist teilweise reversibel. Die Nierenfunktion verschlechtert sich nur marginal.

 

 

Malignome des Uterus

Abschätzung der Prognose des Leiomyosarkoms des Uterus durch ein Nomogramm (Jasonos et al.7): Die Anwendung eines Nomogramms sollte bei 187 Patientinnen auf der Basis von 7 klinischen Charakteristika eine globale Prognoseabschätzung für Patientinnen mit Leiomyosarkom des Uterus nach der Primäroperation zulassen. Folgende Parameter wurden dazu verwendet:

  • Tumorgröße
  • Grading
  • Zervixbefall
  • Vorhandensein extrauteriner lokoregionärer Tumoraussaat inklusive Lymphknoten
  • Vorliegen von Fernmetastasen
  • Mitoseindex pro 10 HPF (High Power Fields)
  • Alter bei Diagnosestellung

Das 5-Jahres-Überleben betrug 46 %. Das Nomogramm zeigte eine hohe Voraussagegenauigkeit für das individuelle Überleben.

Zweitmalignome als Langzeitfolge einer adjuvanten Bestrahlung beim Endometriumkarzinom (Lindemann et al.8): Nach einer Beobachtungszeit von 21 Jahren nach Ende einer randomisierten Studie zur Wertigkeit einer adjuvanten Radiotherapie des Beckens nach Hysterektomie und beidseitiger Adnexektomie aufgrund eines frühen Endometriumkarzinoms wurden schwerwiegende Langzeitfolgen berichtet. Frauen unter 60 Jahren wiesen nach Radiotherapie ein um 36 % signifikant schlechteres Überleben auf als jene ohne Beckenbestrahlung. Das Risiko für Zweitmalignome (Karzinome des Kolorektums, der Harnblase, der Vagina und der Vulva) war um den Faktor 1,9 erhöht.

Supportivtherapie in der Terminalphase

Randomisierte Studie zur terminalen Infusionstherapie bei Tumorpatienten (Dalal et al.9): Fast 130 Patienten mit fortgeschrittenen Malignomen, die in Hospizen betreut wurden, erhielten entweder 1 Liter NaCl 0,9 % s. c. pro Tag oder Placebo (100 ml NaCl 0,9 % /Tag). Das durchschnittliche Alter betrug 67 Jahre, die Majorität der Patienten waren Frauen und die meisten Patienten hatten gastrointestinale, urogenitale Tumoren bzw. Lungenkarzinome. Der ECOG-Leistungsstatus betrug bei fast 90 % 3 bzw. 4. Symptome von Dehydratation wurden untersucht.
Das mediane Überleben betrug bei den Patienten mit parenteraler Hydratation 21 Tage und bei der Placebogruppe 15 Tage (p = 0,83). Es zeigte sich durch die parenterale Therapie weder eine Verbesserung der Symptome wie Fatigue, Muskelkrämpfe, Sedierung und Halluzinationen noch der Lebensqualität und des Überlebens.

1 Blackwell K. et al.: Primary results from EMILIA, a phase III study of trastuzumab emtansine (T-DM1) versus capecitabine and lapatinib in HER2-positive locally advanced or metastatic breast cancer previously treated with trastuzumab and a taxane. J Clin Oncol 2012; 30 (Suppl.), LBA 1
2 Van Duarte Luis et al.: Impact of hormone receptor status on clinicopathological features, patterns of recurrence, and clinical outcomes among patients with human epidermal growth factor receptor-2 positive (HER2) breast cancer in the National comprehens
ive cancer network (NCCN). J Clin Oncol 2012; 30 (Suppl.):31s (Abstr. 599)
3 Shepherd E. et al.: Effect of osteoporosis in postmenopausal breast cancer patients randomized to adjuvant exemestane or anastrazole. NCIC CTG MA.27. J Clin Oncol 2012; 30 (Suppl.):7s (Abstr. 501)
4 Von Minckwitz G. et al.: Prognostic and predictive impact of Ki-67 before and after neoadjuvant chemotherapy on PCR and survival: Results of the GeparTrio trial. J Clin Oncol 2012; 30 (Suppl.):54s (Abstr. 1023)
5 Pujade-Lauraine E. et al.: AURELIA: A randomized phase III trial evaluating bevacizumab plus chemotherapy for platinum-resistant recurrent ovarian cancer. 2012 ASCO Annual Meeting 2012; Abstract 5002
6 Launay-Vacher et al.: Management of antiangiogenics’ renovascular safety in ovarian cancer subgroup and intermediate results of the MARS study. J Clin Oncol 2012; 30 (Suppl.):343s (Abstr. 5067)
7 Jasonos A. et al.: External validation of a nomogram predicting overall survival of women with uterine leiomyosarcoma. J Clin Oncol 2012; 30 (Suppl.):349s (Abstr. 5090)
8 Lindemann K. et al.: Survival after radiation therapy for early-stage endometrial carcinoma. The Oslo study revisited after up to 43 years of follow-up. J Clin Oncol 2012; 30 (Suppl.): 329s (Abstr. 5008)
9 Dalal S. et al.: Parenteral hydration in advanced cancer patients: A multi-center, double-blind, placebo-controlled randomized trial. J Clin Oncol 2012; 30 (Suppl.):573s (Abstr. 9025)