Herzlichen Glückwunsch, Sie sind schwanger!“ – Die Welt steht kopf, wenn wir als Assistenzärztinnen im Fach der Frauenheilkunde diesen Satz nicht an unsere Patientinnen richten, sondern ihn selbst zu hören bekommen. Neben den Hochgefühlen, die eine Schwangerschaft mit sich bringt, tauchen aber auch unzählige Fragen auf, wenn die Zeit der Familiengründung mit jener der Facharztausbildung zusammenfällt. Daher soll der folgende Artikel mit seinen Basisinformationen (Stand Februar 2021) als kleiner Leitfaden dienen und Klarheit in den rechtlichen und organisatorischen Informationsdschungel bringen. Da einzelne Vorgehensweisen von Bundesland, Krankenkassen bzw. Arbeitgeber unterschiedlich gehandhabt werden, empfiehlt es, allfällige konkrete Fragen an direkte Stelle zu wenden. Gerne steht euch auch unsere Arbeitsgruppe „Familie & Beruf“ für weitere Details zur Verfügung.
Sobald eine Schwangerschaft eintritt, ist es verpflichtend, diese unmittelbar beim Arbeitgeber zu melden, damit die umfangreichen Schutzbestimmungen für Schwangere, die im österreichischen Mutterschutzgesetz (MSchG) – einer Errungenschaft aus dem Jahre 1979 – verankert sind, in Kraft treten können. Für die Meldung der Schwangerschaft benötigt ihr eine fachärztliche Schwangerschaftsbestätigung inklusive des voraussichtlichen Geburtstermins.
Mit Meldung der Schwangerschaft tritt ein Kündigungs- und Entlassungsschutz, aber auch ein relatives Beschäftigungsverbot ein. Der Arbeitsplatz muss daher so gestaltet werden, dass die Schwangere keine schweren körperlichen Arbeiten oder sonstige Tätigkeiten, die eine Gefährdung ihrer Gesundheit bzw. Sicherheit oder die ihres ungeborenen Kindes bedeuten könnten, ausführen muss. Für uns Assistenzärztinnen heißt dies konkret: keine Absolvierung von Nachtdiensten oder Überstunden, keine operativen Tätigkeiten, keine Arbeiten mit einer erhöhten Strahlen-, Unfall- oder Infektionsgefahr und keine Verabreichung von Zytostatika. Eine Positivliste, welche Tätigkeiten von schwangeren Ärztinnen im Krankenhaus durchgeführt werden dürfen, ist auf der Website der Ärztekammer NÖ abrufbar. In puncto Finanzen hat die Schwangere während der Phase des relativen Beschäftigungsverbotes Anrecht auf Entgeltfortzahlung, das dem Durchschnittsverdienst (allerdings ohne Berücksichtigung von Diensten oder Überstunden) während der letzten 13 Wochen entspricht.
8 Wochen vor dem voraussichtlichen Geburtstermin beginnt der Mutterschutz, der bis 8 Wochen nach der Geburt des Kindes (Ausnahmen: Früh-, Mehrlings- und Kaiserschnittgeburten 12 Wochen) reicht. Während dieser Zeitspanne besteht ein absolutes Beschäftigungsverbot, das heißt, dass jegliche Beschäftigung (auch Lehre) untersagt ist. In diesem Zeitraum hat die Schwangere Anspruch auf Wochengeld, das vom jeweiligen Krankenversicherungsträger ausbezahlt wird. Die Höhe des Wochengeldes ergibt sich aus dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst, der in den letzten drei Kalendermonaten vor Eintritt des Mutterschutzes gebührt hat. Da aufgrund des relativen Beschäftigungsverbotes (ab Bekanntwerden der Schwangerschaft) keine Überstunden und/oder Nachtdienste mehr geleistet werden dürfen, war lange Zeit das Wochengeld für Ärztinnen entsprechend niedriger. Seit einer OGH-Entscheidung vom 4. 11. 2017 erhalten daher Schwangere, die vor Bekanntgabe der Schwangerschaft regelmäßig Überstunden und Dienste absolviert haben, nun um einen gewissen Prozentsatz mehr Wochengeld. Die Höhe dieses Prozentsatzes variiert in Abhängigkeit des Krankenversicherungsträgers.
Bei Vorliegen gewisser medizinischer Indikationen (siehe Website der Wirtschaftskammer Österreich) darf die Fachärztin/der Facharzt für Frauenheilkunde für eine Schwangere (nach Ende der 15. SSW) einen vorzeitigen Mutterschutz aussprechen. Dieser ist mittels Freistellungszeugnis zu bestätigen und natürlich beim Arbeitgeber, aber v. a. beim zuständigen Krankenversicherungsträger einzureichen. In diesem Fall beginnt die Auszahlung des Wochengeldes mit Eintritt des Versicherungsfalls.
Novelle des MSchG vom 1. 1. 2021: Aufgrund der aktuellen COVID-19-Pandemie dürfen seit 1. 1. 2021 (bis zur Neuevaluierung der Novelle am 31. 3. 2021) Schwangere keine Tätigkeiten mehr mit physischem Körperkontakt zu anderen Personen ausführen und sind ab Beginn der 14. SSW bis zum Eintritt eines Beschäftigungsverbotes nach dem MSchG 1979 unter Entgeltfortzahlung entweder anderwärtig einzusetzen (auch die Möglichkeit von Homeoffice ist zu überprüfen) oder freizustellen.
Nach der Geburt des Kindes muss der Arbeitgeber vom Geburtstermin, der Art der Geburt (Frühgeburt, Kaiserschnittentbindung) sowie über die Absicht der Inanspruchnahme bzw. der gewünschten Dauer einer Elternkarenz (max. bis zur Vollendung des 2. Lebensjahres des Kindes) verständigt werden. Sofern alle Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen zeitgerecht durchgeführt wurden, entsteht Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld. Seit dem 1. 3. 2017 können Eltern zwischen zwei Kindergeldbetreuungs-Systemen wählen: dem Pauschal- sowie dem einkommensabhängigen System. Details hierzu (inkl. eines Kinderbetreuungsgeld-Online-Rechners) findet ihr auf der Website des Bundesministeriums für Familie und Jugend. Das Kinderbetreuungsgeld bzw. ggf. ein Partnerschaftsbonus (finanzieller Bonus bei annähernd gleicher Aufteilung der Elternkarenz von 50:50 bis 60:40) müssen beim zuständigen Krankenversicherungsträger beantragt werden. Idealerweise plant ihr frühzeitig (bereits während der Schwangerschaft) eure Elternkarenz bzw. euren beruflichen Wiedereinstieg und sprecht diese mit eurem/eurer Vorgesetzten ab. Je nach individueller Karriereplanung ist es von immensem Vorteil, während der Elternkarenz mit der Arbeitsstätte in Kontakt bzw. für bestimmte Arbeitskontexte präsent zu bleiben bzw. die Karenzzeit mit Aus- und Weiterbildungen, Besuchen von Kongressen oder Fachtagungen, Abhalten von Lehrveranstaltungen oder dem Verfassen von wissenschaftlichen Arbeiten zu bereichern.
Auch wenn Schwangerschaft, Karenz und beruflicher Wiedereinstieg reibungslos gelingen, so zieht die Familiengründung in den meisten Fällen eine Verzögerung der Facharztausbildung mit sich. Grund dafür ist u. a., dass zur Erlangung der Facharztreife ein Katalog mit operativen und invasiven Tätigkeiten erfüllt werden muss. Diesen dürfen wir, als Assistenzärztinnen, mit Meldung der Schwangerschaft jedoch nicht mehr nachgehen. In unserem Nachbarland Deutschland war daher der Ruf bzw. der Wunsch nach Fortsetzung von operativer Tätigkeit in der Schwangerschaft so groß, dass unsere dortigen KollegInnen 2018 eine Novelle des MSchG bewirkten. Dank dieser ist es in Deutschland nun erlaubt, auf ausdrücklichen Wunsch der Schwangeren, gewissen Eingriffen in der Schwangerschaft nachzugehen. Diese Novellierung hat die Junge Gyn veranlasst, eine österreichweite Online-Umfrage zum Thema „Operieren in der Schwangerschaft?“ ins Leben zu rufen, welche die Meinungen aller chirurgisch tätigen ÄrztInnen erfassen möchte. Details zu diesem aktuellen Projekt sowie der Link zur Umfrage finden sich auf unserer Junge-Gyn-Website.
Wir freuen uns auf eure rege Teilnahme!